Professor Thomas Schüller, Direktor des Instituts für Kanonisches Recht der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Münster.
Foto / Quelle: Andreas Oertzen/KNA

Neuer Papst Leo XIV. ist ein "Coup"

Leo XIV. verbindet Länder und Lager – das erklärt Kirchenrechtler Thomas Schüller. Er sieht große Chancen für die vatikanische Diplomatie.

Münster

Der Münsteraner Theologe Thomas Schüller sieht in der Wahl von Papst Leo XIV. einen „Coup“ der Kardinäle. Der neue Papst verbinde aufgrund seiner Herkunft und Berufsbiografie Kontinente, Kulturen, Sprachen und verfeindete katholische Lager, sagte Schüller laut einer Mitteilung der Universität Münster am Freitag. So sei er für beide Lager wählbar gewesen, da er einerseits in sozialethischen Themen ähnlich seinem Vorgänger die kapitalistische Wirtschaft und ihre Folgen kritisiere. Andererseits vertrete er bei Themen wie Frauen, Gender und queeren Menschen strukturkonservative Positionen.

Mit dem englischen Wort queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Rollenbildern übereinstimmt. Unter ihnen sind Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung die wohl größte Gruppe.

Schüller erklärte, er gehe davon aus, Leo XIV. werde „als erfahrener Diplomat den Tyrannen der Welt wie Trump und Putin die Stirn bieten“. Er hoffe, „dass die vatikanische Diplomatie, die unter den sprunghaften Äußerungen von Papst Franziskus zu den Konflikten in der Ukraine und in Gaza Schaden genommen hat, unter dem neuen Papst wieder in verlässliche Fahrwasser gebracht werden wird“.

Wahl eines Ordensmanns zeigt Schwächen

Dass mit Leo XIV. nach Franziskus erneut ein Ordensmann zum Papst gewählt wurde, sieht Schüller als Zeichen eines Mankos der Kardinäle, die keinem Orden angehören. Sie sind in der Regel in den Strukturen der Bistümer ausgebildet. „Augenscheinlich sind in der verfassten Kirche keine Kardinäle mehr, die die geistliche und intellektuelle Kraft hätten, das anspruchsvollste religiöse Amt, das die Welt kennt, erfolgreich ausüben zu können.“

Für den Kirchenrechtler ist es nach eigenem Bekunden offen, ob Leo XIV. den Kurs von Papst Franziskus „weg von einem römischen Einheitskatholizismus“ fortsetzen werde. Schüller nimmt an, dass der neue Papst das synodale Projekt seines Vorgängers in verbindliche Strukturen überführen werde.

KNA
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