
Was ist eigentlich ein Dorf?
In Westfalen-Lippe gibt es 2.316 Dörfer im engeren Sinne / LWL-Veröffentlichung zu ländlichem Raum.
Die Geographischen Kommission für Westfalen beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat jetzt auf dem 68. Westfalentag in Dortmund, organisiert vom Westfälischen Heimatbund, den Abschlussbericht des Forschungsprojekts „Dörfer in Westfalen-Lippe – Bestandsaufnahme und Situationsanalyse“ vorgestellt. Der Bericht fasst wichtige Erkenntnisse über die Zukunftsfähigkeit des ländlichen Raums und der Dörfer in Westfalen zusammen und ist jetzt als Buch erschienen.
38 Prozent aller Menschen in Westfalen leben in Dörfern, das sind rund 3,2 Millionen Menschen. Davon leben etwa 2,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner in Dörfern im engeren Sinne. Das entspricht 2.316 Ortschaften mit bis zu 15.000 Einwohnern, die als eigenständige Siedlungen in der Landschaft erkennbar sind. Daneben gibt es rund 670.000 Menschen, die in Dörfern im weiteren Sinne leben. Das sind Ortschaften mit bis zu 15.000 Einwohnern, die jedoch in urbanen Agglomerationsräumen, zum Beispiel im Ruhrgebiet, liegen. Dabei handelt es sich meist um ehemalige dörfliche Gründungen, die heute auch Merkmale von Stadtteilen aufweisen.
Gebietsreform von 1975
Diese konkreten Zahlen wurden seit der Gebietsreform 1975 nicht mehr erhoben. „Es gab bisher keine aktuelle Liste der Dörfer in Westfalen-Lippe mit ihren heutigen Einwohnerzahlen“, sagte Dr. Georg Lunemann, der Direktor des LWL. Er bekam als Erster das druckfrische Buch überreicht. „Die Ergebnisse zeigen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Menschen in Westfalen-Lippe in dörflichen Strukturen lebt und damit die dörfliche Gemeinschaft sowie die Nähe zur Natur genießt. Gleichzeitig sind sie aber auch bereit, Nachteile wie schlechte Verkehrsverbindungen, Bevölkerungsrückgänge und den Rückzug von Infrastruktureinrichtungen in Kauf zu nehmen. Das wesentliche Element, um ein Dorf lebenswert zu erhalten, ist das ehrenamtliche Engagement. Und das gilt es weiterhin und noch stärker zu fördern“, so Dr. Lunemann.
Der Bericht gibt dazu zahlreiche Anregungen. Der Verfasser der Studie, Prof. Dr. Ulrich Harteisen von der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Göttingen, gibt Einblicke in seine Arbeit: „Wir mussten natürlich erst einmal festlegen: Was ist eigentlich ein Dorf? Dazu haben wir eine neue Systematik für alle ländlichen Siedlungen in Westfalen-Lippe erarbeitet.“ Diese Bestandsaufnahme war hochkomplex, galt es doch, in städtischen Ballungsräumen die fließenden Übergänge zwischen Stadt und Dorf zu berücksichtigen und die anhaltenden Veränderungen einzubeziehen.
So entstand eine Liste aller Dörfer in Westfalen-Lippe, die es nun weiter zu pflegen gilt. Neben der Statistik war auch die Lebenswirklichkeit der Dorfbewohner ein Schwerpunkt der Arbeit. In zahlreichen Interviews wird ein Spiegelbild der Menschen gezeigt, wie sie ihre täglichen Herausforderungen meistern, aber auch versuchen, die dörflichen Anliegen in Politik und Verwaltung zu positionieren.
Das Buch
Das Forschungsprojekt „Dörfer in Westfalen-Lippe – Bestandsaufnahme und Situationsanalyse“ wurde unterstützt von der LWL-Kulturstiftung und der Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost im Rahmen des Jubiläumsjahres „1250 Jahre Westfalen“. Auftraggeber und Koordinator war die Geographische Kommission für Westfalen des LWL. „Dörfer in Westfalen-Lippe – Bestandsaufnahme und Situationsanalyse“, ISBN 978-3-402-26804-9, 218 Seiten, Preis: 18 Euro.