Tango, Stradivari und Glasblasen – Glasfertigung in Petershagen

Die Glasmacher Korbinian Stöckle (vorn) und Rasit Rejwan vom LWL-­Museum Glashütte Gernheim in Petershagen freuen sich mit der Community über die Würdigung ihres Könnens durch die ­UNESCO. (Foto: LWL/Hübbe)

Die manuelle Glasfertigung gehört seit Kurzem zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit – auch dank des Engagements der Glashütte Gernheim in Petershagen. Es reiht sich damit in eine ­exklusive Liste von weltweit rund 430 Bräuchen, Darstellungskünsten und Handwerkstechniken ein.

Petershagen. Seit einigen Jahren gehört das Glasmachen zum Immateriellen Kultur­erbe Deutschlands. Jetzt gehören „Wissen, Handwerkstechniken und Kenntnisse der manuellen Glasfertigung“ auch zum Kulturerbe der Menschheit. Sie haben es auf die Repräsentative Liste des Immateriellen Kultur­erbes der Menschheit bei der ­UNESCO geschafft und erhalten damit weltweit Anerkennung – maßgeblich aufgrund des Engagements der Glashütte Gernheim in Petershagen. Gewürdigt wird das Können von Glasmachern, die noch heute Techniken anwenden, deren Grundlagen über 2 000 Jahre kaum verändert praktiziert werden. Die manuelle Glasfertigung gehört damit wie etwa auch der Tango aus Argentinien und Uruguay oder die italienische Geigenbaukunst zum Erbe der Menschheit.

Die Bewerbung war von sechs europäischen Nationen unter der Federführung Frankreichs eingereicht worden. Auf deutscher Seite war das LWL-­Museum Glashütte Gernheim in Petershagen (Kreis Minden-­Lübbecke) maßgeblich beteiligt. „Als Träger des Museums sind wir stolz, dass die ­UNESCO diese Handwerks­tradition und damit vor allem die Arbeit unserer Glasmacherinnen und Glas­macher in besonderer Weise würdigt“, erklärte Georg Lunemann, der Direktor des Landschafts­verbandes Westfalen-­Lippe (LWL).

„Die Anerkennung ist für uns Motivation“

LWL-­Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-­Parzinger sieht in der Auszeichnung auch einen Ansporn. „Seit 1998 halten wir in der Glashütte Gernheim die speziellen Techniken der Glasfertigung lebendig. Die Anerkennung ist für uns Motivation, die Fertigkeiten und das Wissen darum in die Zukunft zu tragen.“ Museumsleiterin Katrin Holthaus nimmt die Verantwortung gerne an: „Wir planen für die kommenden Jahre internationale Projekte, die sich insbesondere an die Praxis richten.“

In den kommenden Jahren werden sich die beteiligten Gruppen intensiv der Entwicklung von Erhaltungsmaßnahmen widmen. Nationale und internationale Workshops tragen ebenso dazu bei wie Ausstellungen und Konferenzen. Dabei zeichnet sich die neue Funktion der Museen ab, deren Engagement zur Erhaltung der manuellen Glasherstellung in der Bewertung der ­UNESCO ausdrücklich hervorgehoben wurde. Darüber hinaus zeigte sich das Expertengremium von der Verbindung von materiellem und immateriellem Erbe beeindruckt: Viele der beteiligten Glashütten befinden sich in denkmalgeschützten Anlagen und sichern dadurch deren Erhalt und den industriekulturellen Kontext der Glasproduktion.

Im LWL-­Museum Glashütte Gernheim arbeiten gegenwärtig vier Glasmacher, darunter eine Frau, im 200 Jahre alten Glasturm des ehemaligen Fabrik­ortes. Das Glasstudio zählt damit zu einer der wenigen noch existierenden Manufakturen dieser Art in Deutschland. Das LWL-­Museum kooperiert international mit Glashütten, Kunstschaffenden und Museen.

Info

Bereits 2015 wurde die „manuelle Fertigung von mundgeblasenem Hohl- und Flachglas“ in das deutsche Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Diese Einschreibung, die durch die Glashütte Lamberts, das Museum Baruther Glashütte und das LWL-­Museum Glashütte Gernheim verfasst wurde, war Voraussetzung für die Bewerbung um Aufnahme in die Repräsentative Liste des Kulturerbes der Menschheit. 430 Bräuche, Darstellungskünste, Handwerkstechniken und Naturwissen aus aller Welt sind derzeit von der ­UNESCO als Immaterielles Kulturerbe anerkannt.

In der Folge dieser Anerkennung bildete sich bereits 2016 ein nationales und internationales Netzwerk, in dem sich Glasmacher, Glashütten und -museen zusammenschlossen. Organisatorisch war dieses Netzwerk bei der Glashütte Gernheim angesiedelt. Im Jahr 2017 konnten die Beteiligten der ­UNESCO ihre Bitte vortragen, in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen zu werden. Unter Federführung von Frankreich entwickelten Vertreter aus Deutschland, Finnland, Spanien, Tschechien und Ungarn die nun eingereichte gemeinsame Bewerbung. Ihr Ziel ist die Bewahrung der manuellen Glasfertigung in ihren nationalen Ausprägungen. Durch gemeinsame Projekte, Wissensaustausch und Forschungsarbeit werden sie in den kommenden Jahren das Wissen der manuellen Glasfertigung sichern und vor allem die Praxis stärken.

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