„Weiter gefordert“ – Missbrauchsstudie entlastet nicht

Martin Wazlawik – hier bei der Vorstellung der Studie – sieht beide Kirchen bei der Aufarbeitung in der Pflicht: „Eine scheibchenweise Aufklärung führt nur dazu, dass die Krise zum Dauerzustand wird.“ (Foto: KNA)

Die Missbrauchsstudie der evangelischen Kirche entlaste die katholische Kirche nicht, sagt der Leiter der Studie. Für beide Kirchen bleibe viel Arbeit.

Hamburg/Hannover (KNA). Nach Vorstellung der Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche sieht Studienleiter Martin Wazlawik auch die katholische Kirche weiter gefordert. „Unsere Studienergebnisse entlasten die katholische Kirche in keiner Weise“, sagte er im Interview der „Zeit“-­Beilage „Christ und Welt“. Die Studie beschreibe spezifisch protestantische Faktoren, die sexualisierte Gewalt ermöglichten, so der ­Professor für Sozialpädagogik an der Hochschule Hannover. Vergleiche, bei wem es nun besser läuft oder schlimmer ist, sind ­zynisch und betroffenenfeindlich.

Aufarbeitung beginnt

Die erste bundesweite Missbrauchsstudie für evangelische Kirche und Diakonie war vor Kurzem in Hannover vorgestellt worden. Sie wurde von Wissenschaftlern acht verschiedener Institutionen unter Koordination von Wazlawik erstellt. Ihren Erkenntnissen zufolge ist das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche viel größer als bisher bekannt. Als eine wichtige Ursache für viele Taten nennt die Untersuchung die besondere Machtposition der Geistlichen. Zudem stellen die Autoren der Kirche im Umgang mit Betroffenen ein schlechtes Zeugnis aus.

Die Behauptung, dass die Reformdebatten in der katholischen Kirche ein Irrweg seien, weil Missbrauch auch in der evangelischen Kirche stattfinde, wies Wazlawik zurück. „Das in unsere Studie hineinlesen zu wollen, wäre eine grobe Verzerrung und falsch.“ Eine Erkenntnis nicht nur der aktuellen Studie laute: „Sowohl streng hierarchisch organisierte wie auch föderale Laisser-faire-­Organisationen haben ein Risiko für Machtmissbrauch und brauchen ihre je eigenen Reformen, um das Risiko zu minimieren.“

Der Wirklichkeit ins Auge sehen

Für die evangelische Kirche ist die neue Studie nach Ansicht des Forschers nur der Beginn der Aufarbeitung. Es komme noch einiges an Arbeit auf die Landeskirchen und die EKD zu. „Einer der nächsten Schritte muss sein, dass es zu einer systematischen Aufbereitung der einzelnen Fälle kommt.“ Dann könne es auch um individuelle Verantwortung von Amtsträgern gehen. Das sei ein großes Anliegen der Betroffenen.

Wazlawik betonte: „Der schnellste Weg aus der Krise ist, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen. Eine scheibchenweise Aufklärung führt nur dazu, dass die Krise zum Dauerzustand wird.“

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