09.06.2021

Junger Orgelbauer aus Hemer

Maximilian Paroth beim Reinigen der Pfeifen in seiner Werkstatt.
Foto: Helmut Rauer

von Helmut Rauer

Hemer/Fröndenberg. Da liegt sie nun wehrlos auf der Werkbank, die Königin der Instrumente. Nein, nicht die komplette Orgel, aber immerhin ein Dutzend Pfeifen haben es sich für die Instandsetzung „bequem“ gemacht. Putzlappen sowie feine Pinsel und Spachtel müssen helfen, sie wieder zu großen Aufgaben zu ertüchtigen. Schließlich gehören sie zu einer Art von Instrument, für das die größten Komponisten die erhabensten und fulminantesten Werke geschaffen haben.

Wir sind zu Besuch in der privaten Werkstatt von Maximilian Paroth in Fröndenberg. Der 29-Jährige aus dem nahen Hemer gehört zur jungen Orgelbauergilde in Deutschland. Sein Arbeitgeber ist die renommierte Orgelbaufirma Seifert im Wallfahrtsort Kevelaer am Niederrhein. Seit ein paar Jahren arbeitet Paroth hauptsächlich im Außendienst. Deshalb hat er in der alten Heimat Hemer seinen Hauptwohnsitz behalten. Und von hier zieht es ihn deutschlandweit überall hin, wo Orgeln gewartet und repariert oder– was natürlich am spannendsten ist– neu gebaut werden.

Stolz kann der Hemeraner auf einige Großprojekte zurückblicken: Eines seiner größten Erlebnisse war es, an der 2014 eingeweihten neuen Orgel im Hildesheimer Dom mitgewirkt zu haben. Auch beim technischen Aufbau der neuen Kirchenorgel von St.Antonius in Papenburg (Emsland) freute er sich, mit im Team seiner Firma zu sein. 

Spannender Beruf

„Es ist unheimlich spannend“, erzählt Maximilian, als er gerade eine Orgelpfeife mit dem Pinsel säubert, „wenn ein neuer Auftrag reinkommt und man bekommt die erste Zeichnung zu sehen. Dann werden die ersten Bauteile gefertigt und es wächst über Monate ein unglaublich feingliedriges und gleichzeitig monumentales Instrument zusammen, das wie die Domorgel in Hildesheim mit ihren über 90 Registern die Dimension eines Einfamilienhauses sprengt. Und die Spannung bleibt erhalten bis zur Vormontage in der Werkstatt und der Endmontage in der Kirche.“ 

Ein paar unerfreuliche Überraschungseffekte kamen im vergangenen Jahr durch Corona dazu. Lieferengpässe brachten die Kevelaerer Orgelbauer zum Beispiel beim Großprojekt in Papenburg ins Schwitzen. Probleme warf auch die Frage auf: Wo sollen wir frühstücken, wenn es im Hotel nicht erlaubt ist? Zum Glück half die Kirchengemeinde und stellte das Pfarrheim zur Verfügung.

Feierlich wird es, wenn nach monatelanger Arbeit (von der Auftragsvergabe bis zur Einweihung einer Orgel vergehen schon mal anderthalb Jahre) die neue Orgel zum ersten Mal in der Kirche erklingt: „Dann ist es so, als ob das Instrument mit seinem herrlichen Klang uns für alle die Mühen belohnt“, schwärmt Maximilian Paroth. „Da können Tränen fließen.“ 

Heute geht es in Paroths kleiner Werkstatt nur um das profane Reinigen einiger Orgelpfeifen. Doch auch das tut der 29-Jährige mit einer Sorgfalt und Präzision, wie es für ihn und seinen Beruf typisch ist. Beim Klang der Orgel kommt es auf die kleinste Feinheit an, also auch beim Umgang mit den Werkzeugen und Materialien: Metall, Holz, Kunststoff und Filz, beim Bohren, Fräsen, Hobeln oder Feilen. Vielfältige Kenntnisse und eine handwerkliche Begabung sind dafür vonnöten.

Ein wahrer Traumberuf

„Musikalisch sein muss man für diesen Beruf dagegen nicht“, stellt der 29-Jährige sachlich fest, „obwohl eine gewisse Begabung auf diesem Gebiet hilfreich sein kann.“ Der Hemeraner ist mit beiden Talenten gesegnet, Musik und Technik begeistern ihn seit seiner Kindheit gleichermaßen. Als begnadeter Pianist und Keyboarder feierte er mit der Big Band der Gesamtschule Iserlohn große Erfolge, und mit verschiedenen Musikbands tut er dies bis heute. Andererseits zeigte er aber auch immer schon große Freude an technischen Dingen. 

Als Maximilian bei einem Schulpraktikum in der achten Klasse die Orgelbaufirma Stockmann in Werl kennenlernen durfte, stand für ihn fest: „Orgelbau ist für mich die ideale Kombination.“ Da aber Lehrstellen in dieser Branche dünn gesät sind, absolvierte der Hemeraner erst noch eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker und begann ein Maschinenbaustudium, bevor sich ihm plötzlich doch noch die Chance einer Orgelbauer-Ausbildung in Kevelaer bot. Maximilian bewarb sich, wurde eingestellt und bestand am Ende die Abschlussprüfung an der einzigen Orgelbauerberufsschule Deutschlands in Ludwigsburg (bei Stuttgart) bravourös als Jahrgangsbester. 

Orgelbauer– ein Traumberuf? Für Maximilian Paroth selbst ist die Antwort klar, aber für die Zukunft der Branche sieht er große Probleme: „Immer mehr Menschen verlassen die Kirche, weil sie den Glauben an Gott verloren haben oder wegen des Missbrauchsskandals. Die Kirche ist aber der einzige Auftraggeber, der Orgeln besitzt und benötigt. Meine Firma hat noch Neubauaufträge, aber es gibt andere, die nur noch Instrumente warten und stimmen. Ich habe Angst, dass irgendwann der Punkt kommt, dass wir mehr Orgeln abbauen als aufbauen.“ 

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