Der Paderborner Generalvikar Michael Bredeck (l.) mit dem Bischof von Le Mans
Foto / Quelle: Patrick Kleibold

Libori und die Weltkirche

Traditionell findet der Abend der Weltkirche am Vorabend der Eröffnung des Liborifestes statt. Er bietet einen Ort der Begegnung mit Gästen aus der Weltkirche und lädt dazu ein, miteinander ins Gespräch zu kommen und voneinander zu lernen.

Von Hans Jürgen Rade

Kirchlicherseits blieb die zunehmende Emanzipation des weltlichen vom kirchlichen Libori-Fest und seine wachsende Profilierung nicht unbemerkt. Zum 450-jährigen Jubiläum des Magdalenenmarktprivilegs 1971 beschworen Domdechant Weihbischof Paul Nordhues (1915–2004) und Hermann-Josef Rick (1932–2021), Pressereferent des Erzbischöflichen Generalvikariates, die untrennbare Zusammengehörigkeit von Kirche und Welt, die sich im Libori-Fest zeige, auch wenn das Auseinanderstreben unübersehbar geworden sei.

Um mit dem ganzwöchigen weltlichen Libori-Fest synchron zu gehen, wurden auf Anregung von Kardinal Lorenz Jaeger (1892–1975) die kirchlichen Feiern ab 1971 ebenfalls auf eine ganze Woche ausgedehnt, indem zu jedem Wochentag bestimmte Zielgruppen zu Gottesdiensten im Dom eingeladen wurden.

1975 formulierte Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt (1926–2002), das Libori-Fest müsse wieder „‚kirchlicher‘“ werden, damit die „Seele des Libori-Festes“ nicht verloren gehe.

Daran anknüpfend, dass der heilige Liborius im 4.Jahrhundert in Gallien in einer Missionssituation lebte, rückte Erzbischof Degenhardt mit seinem Generalvikar Bruno Kresing (1929–2020) im kirchlich verantworteten Teil des Libori-Festes den Missionsauftrag der Kirche und ihr völkerverbindendes Wirken nachdrücklich in den Fokus. Als 1977 das 1200-jährige Jubiläum des ersten fränkischen Reichstages auf sächsischem Boden in Paderborn und der damit verbundenen Missionssynode begangen werden konnte, unterstrich das kirchliche Libori-Fest die aktuelle missionarische Herausforderung der Kirche, um der zunehmenden Säkularisierung entgegenzuwirken.

Es gelang Erzbischof Degenhardt und Generalvikar Kresing insgesamt erfolgreich, sowohl den kirchlichen Libori-Feierlichkeiten ein neues eigenes Profil zu verleihen als auch das Ansehen des Erzbistums Paderborn und seines Patrons weltweit beträchtlich zu steigern. Dies geschah zunächst einmal dadurch, dass gezielt sehr viele Bischöfe aus Missions-, Diaspora- und den damaligen Entwicklungsländern zu den Libori-Feierlichkeiten eingeladen wurden. Von 1974 bis 2002 folgte die beachtliche Zahl von 259 Bischöfen, Erzbischöfen und Kardinälen aus aller Welt zum Teil wiederholt der Einladung des Erzbistums, darunter auch zahlreiche Kirchenführer aus kommunistisch regierten Staaten. Sie unterstrichen durch ihre Teilnahme das internationale Flair der Weltkirche wie des Libori-Festes und konnten sich über eine finanzielle Unterstützung für Projekte in ihren Diözesen freuen.

Libori und Weltkirche gehören zusammen.
Foto / Quelle: Patrick Kleibold

In zahlreichen Missionsländern aller Kontinente förderte das Erzbistum Paderborn in der Amtszeit Erzbischof Degenhardts den Bau von Liborikirchen, die jeweils auch eine Reliquie des Heiligen erhielten, um seine weltweite Verehrung zu stärken. Insgesamt belief sich das Missionsengagement des Erzbistums in dieser Zeit auf über 78 Millionen Euro. Hierzu trug auch der 1975 im Garten des Konrad-Martin-Hauses am kleinen Domplatz ins Leben gerufene Missionsbasar bei, dessen Erlöse nach wie vor Missionsprojekten zugutekommen. Ebenfalls seit 1975 werden die aus dem Erzbistum Paderborn stammenden Missionarinnen und Missionare zusammen mit Ordensschwestern und -brüdern, die im Erzbistum wirken, eingeladen. Auf ihrem Programm steht die Feier eines Pontifikalamtes im Dom, eine Begegnung im Liborianum mit dem Erzbischof und der gemeinsame Gesang der Vesper zum Abschluss des Tages im Dom. 1987 empfing Weihbischof Paul Consbruch (1930–2012) als Bischofsvikar für die Weltmission am Vormittag Hunderte Ordensleute an der Libori-Säule des Maspernplatzes. Gemeinsam zogen sie zum Pontifikalamt in den Dom. Nachmittags stellten sich fast 50 Ordensleute vor, die zum Teil seit mehr als 50 Jahren in Afrika, Amerika, Australien oder Asien als Missionarinnen und Missionare im Einsatz waren. Da sie nur selten Heimaturlaub erhielten, war ihre Teilnahme am Libori-Fest für sie etwas durch und durch Besonderes. Stammten 1974 noch über 1000 Missionarinnen und Missionare aus dem Erzbistum Paderborn, war ihre Zahl bis 1988 bereits um über 400 gesunken.

Am Marienplatz luden Ordensleute Menschen zu gemeinschaftlichem Gesang und Tanz und zu Gesprächen ein. Später verlegten sie ihre Präsenz in das Bistumszelt vor dem Dom. Zum Programm der Missionsgäste gehört auch ein Besuch der Ausstellung „Ein Messgewand für die Weltmission“, in der seit 1983 für den liturgischen Gebrauch bestimmte Paramente gezeigt und ausgewählt werden können, die durch zahlreiche lokale Paramentengruppen des Erzbistums ehrenamtlich hergestellt worden sind.

An den Treffen der Missionarinnen und Missionare, deren Zahl rapide schwindet, nehmen seit einigen Jahren auch junge Menschen teil, die–über Orden wie die Salzkottener Franziskanerinnen und die Missionsschwestern vom Kostbaren Blut in Neuenbeken vermittelt–als Missionarinnen und Missionare auf Zeit ein freiwilliges Jahr im Ausland verbracht haben. Unter dem Label „Gesichter der Weltkirche“ werden seit 2016 Gastbischöfe, die am Libori-Fest teilnehmen, eingeladen, am Vorabend vor der Eröffnung des Libori-Festes vor einem breiten Publikum über die Situation ihrer Diözesen zu berichten. Dieses Format löste als kirchlicher Vorauftakt zum Fest eine 1971 begonnene Reihe von stets gut besuchten Vorträgen hochkarätiger Referentinnen und Referenten zumeist über heilige Frauen und Männer und ihre Verehrung ab. Den Auftakt machte 1971 der renommierte reformierte Schweizer Theologe Walter Nigg (1903–1988), der über die Wiederkehr der Heiligen(-Verehrung) sprach.

Info

Der Text ist erschienen in “500 Jahre Libori“, herausgegeben von Andreas Gaidt, Hans Jürgen Rade, Wilhelm Grabe.

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