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11.05.2025
Die Ausstellung "750 Jahre Westfalen" soll der Höhepunkt des Jubiläumsjahres sein.
Foto / Quelle: LWL

Titel

Dr. Martin Kroker ist Leiter des LWL-­Museums in der Kaiserpfalz, in dem sich alles um die Archäologie des Mittelalters dreht. Im Interview spricht er über „775 – Westfalen. Die Ausstellung“.

Paderborn

Herr Kroker, wie entstand die Idee zu „775 – Westfalen. Die Ausstellung“?

Ideen für Sonderausstellungen können ganz unterschiedliche Ursprünge haben. Im Falle unserer Sonderausstellung lag das Thema praktisch auf der Hand. Das Jubiläum „1 250 Jahre Westfalen“ hatte ich schon lange im Kopf. Es geht zurück auf die fränkischen Reichsannalen von 775, wo der Begriff „Westfalen“ zum ersten Mal fällt. Wir widmen uns in der Kaiserpfalz dem Mittelalter, in das bekanntlich die Geburtsstunde Westfalens fällt. Für das Jubiläum hatten wir ursprünglich eine kleine Ausstellung geplant. Im Austausch mit Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen aber zeichnete sich schnell ab, dass der Region nur eine große Schau gerecht werden kann. So wurde aus dem kleinen Projekt schnell ein großes und aus dem archäologischen Überblick ein spartenübergreifendes Themenjahr mit Anker-Ausstellung, zu dessen Eröffnung am 15. Mai 2025 sich auch der Bundespräsident Frank-­Walter Steinmeier angekündigt hat.

Was waren die Schritte Ihres Teams zur fertigen Ausstellung?

Ganz am Anfang gilt es, ein Konzept auszuarbeiten und in der Politik Fürsprecher zu gewinnen. Das war in diesem Fall ganz leicht, denn die Ausstellung berührt den Kern des Landschaftsverbandes Westfalen-­Lippe, man könnte sagen, seine DNA. Neben der Finanzierung steht dann die Personal­gewinnung im Fokus. Schließlich bringt eine Großausstellung jede Menge Arbeit mit sich: Konzept, Anträge an Politik und Sponsoren, Werbe- und Pressemaßnahmen, Museumspädagogik, Auswahl von Architekten und Gestaltern, die Gestaltung selbst, Transportfirmen, zusätzlicher Wach- und ­Versicherungsschutz, Extra-­Vitrinen und als Kern natürlich die Exponat-­Auswahl, dann Anfragen an die Leihgeber und Abklären der Leihbedingungen. Texte zu den Themen der Ausstellung und zu den Exponaten ­werden von einer Vielzahl von Wissenschaftlern geschrieben, sodass ein Katalog entsteht.

Wie haben Sie Exponate ausgewählt?

Exponate werden zunächst nach wissenschaftlichen Kriterien ausgesucht. Es muss im Einzelfall erklärbar sein, weshalb ein Exponat für das inhaltliche Verständnis notwendig ist. Es ist auch abzuwägen, wie aufwendig sich die Ausleihe einzelner Exponate gestaltet oder ob es gegebenenfalls einen Ersatz gibt. Denn Leihbedingungen können hart sein: Eine besondere klimatische Umgebung wird gefordert, zusätzliche Sicherheit muss eingeplant werden oder Transporte können schwierig sein wegen des Gewichts und der Größe. Manchmal werden Gebühren fällig, mitunter muss an den Exponaten noch restauriert werden, dann gerne auf Kosten des Leihgebers. Über den Zeitraum der Ausleihe wird verhandelt. Seltene Handschriften, wie wir sie in der Westfalen-­Ausstellung in Paderborn zeigen, und Drucke werden selten länger als drei Monate ausgeliehen. Auch von anderen Schätzen trennen sich nur wenige Leihgeber gern für einen Zeitraum von zehn Monaten.

Dr. Martin Kroker erklärt, wie es gelang, wertvolle Handschriften und einen Rubens zu holen.
Foto / Quelle: LWL

Wie ist es Ihnen gelungen, die Leih­geber zu überzeugen?

Bei einigen Stücken haben wir lange versucht, die Leihgeber davon zu überzeugen, dass ihr Schatz bei uns in guten Händen ist. Das Stift Fischbeck im niedersächsischen Landkreis Hameln-­Pyrmont, von dem die einzige Westfalenerwähnung des 10. Jahrhunderts stammt, hat die Handschrift überhaupt zum ersten Mal ausgeliehen. Einige der Schwestern hatten durchaus Bedenken. Also sind wir hingefahren, haben gemeinsam Kaffee getrunken, lange über unsere Ausstellung und andere Exponate gesprochen. Nach einer Führung, die bis über den Dachboden des Stiftes ging, konnte ich mit einer Zusage heimfahren. Pater Gerfried, dessen Stift St. Paul in Österreich uns unter anderem das sogenannte Geiselverzeichnis mit der Ersterwähnung Westfalens und ein Rubens-­Gemälde ausleiht, habe ich auch persönlich besucht und im tiefen Winter die Alpen überquert. Schließlich ist eine Leihgabe auch immer ein Vertrauensbeweis, der nicht zuletzt auf der Basis persönlicher Beziehungen fällt.

Wie wird eine solche Ausstellung finanziert?

Sogenannte Drittmittel spielen seit Jahren eine große Rolle, aber hier lassen sich gravierende Veränderungen beobachten. Mittlerweile fällt es immer schwerer, solche Drittmittel einzuwerben. Neben Unternehmen werden auch weitere öffentliche Geldgeber angefragt: Landesmittel, Stiftungen des Landes und des Bundes. Ihr Anteil am Gesamtbudget ist in den vergangenen Jahren leider kontinuierlich gesunken. Zum Glück können wir bei Sonderausstellungen auf die LWL-­Kulturstiftung zurückgreifen, die eine verlässliche Partnerin bei der ­finanziellen Unterstützung ist. Eingeplant werden auch Einnahmen aus den Eintritts­geldern und Gewinne aus dem Museumsshop.

Worauf dürfen sich Besuchende archäologischer Ausstellungen freuen?

Archäologische Exponate sollten ein wesentlicher Bestandteil kulturhistorischer Ausstellungen sein. Sie liefern andere Aussagen zum Alltag der Menschen als parteiisch geschriebene Texte oder in Auftrag gegebene Bilder. Reizvoll an archäologischen Objekten ist, dass man auch wirklich neue Exponate zeigen kann: Funde, die vor kurzer Zeit neu ausgegraben wurden und frisch aus der Restaurierung kommen. Da kann die Zeit auch mal knapp werden. Handschriften und Grafiken, historische Karten und Gemälde, Kirchenschätze und Bauplastik: Für die Jubiläumsausstellung aber sind wir sicher, neueste Funde aus Westfalen-­Lippe und aus ganz Europa mit Westfalen-­Bezug zeigen zu können.

Hintergrund

Gemeinsam mit dem Landschaftsverband Westfalen-­Lippe (LWL) feiert die LWL-­Kulturstiftung 2025 das Jubiläum „1 250 Jahre Westfalen“ mit einem Kulturprogramm aus Kunst, Geschichte, Literatur, Musik, Kabarett, Kulinarik, Podcasts und mehr. Anlass dafür ist die erstmalige Erwähnung der Westfalen in einem Bericht der fränkischen Reichsannalen für das Jahr 775. 44 Kulturprojekte, die zusammen mit rund drei Millionen Euro gefördert werden, widmen sich der Geschichte Westfalens und aktuellen Fragen nach Identität, Herkunft und Zugehörigkeit. Die Ausstellung in der Kaiserpfalz in Paderborn lädt ab dem 16. Mai 2025 zur Wanderung durch die Jahrhunderte ein. Das Kulturprogramm zum Jubiläumsjahr steht unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-­Walter Steinmeier, der am Festakt zur Eröffnung am 15. Mai 2025 im Hohen Dom zu Paderborn teilnehmen wird. Text

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