Der Umweltkünstler Hans-Jürgen Schult (86), seit den 70er-Jahren besser bekannt als HA Schult, mit einem seiner „Glasapostel“.
Foto / Quelle: Markus Jonas

Born in Paderborn

Der Umweltkünstler HA Schult (86) stellt zwölf seiner „Glasapostel“ im und um den Dom von Bamberg aus. Entstanden sind seine Figuren in Paderborn.

Von Markus Jonas
Bamberg / Paderborn

Wie kam es zu Ihrer Ausstellung von Menschen aus Glas im und um den Bamberger Dom?

Ich habe ja eine Vergangenheit in Paderborn, weil ich vor einigen Jahren bei meinem Freund Christoph Stiegemann ausgestellt habe – er wurde aber erst danach mein Freund. Er war so lieb, das ganze Paderborner Diözesanmuseum auszuräumen, damit ich meine Arbeit zeigen konnte, die sich ja sehr stark mit dem Thema Umwelt befasst. Ich bekam von dieser wundervollen Frau Dr. Birgit Kastner, Leiterin der Hauptabteilung Kunst und Kultur des Erzbistums Bamberg, die als eine der ganz wenigen Frauen in einer solchen Funktion ist, die Einladung, nach Bamberg zu kommen. Da konnte ich nicht Nein sagen. Eine alte Stadt, die ich über alles liebe, die älteste Stadt Deutschlands. Vor einigen Jahren habe ich in der ältesten Stadt der Menschheit, im süditalienischen Matera, ausgestellt. Warum also nicht auch hier? Gezeigt werden zwölf Skulpturen, die nicht aus dem Müll, wie ich ihn für meine Müllmenschen verwende, geschaffen wurden, sondern aus geschreddertem Glas. Mit Kreativität kann man vielem, was von uns Menschen verworfen wurde, was von uns ausgespien wurde, was wir verachtet haben, einen neuen Wert geben. Und das geschieht mit meiner Ausstellung hier sehr sichtbar.

Die Glasmenschen sind eine Weiterentwicklung Ihrer Müllmenschen. Einen habe ich hier gesehen, der aus geschredderten Kirchenfenstern geschaffen wurde.

Wie jeder Künstler habe auch ich immer mal das Angebot bekommen, ein Kirchenfenster zu machen. Gerd Richter oder Markus Lüpertz haben sich um Kirchenfenster verdient gemacht. Auch mein Mentor Wilhelm Buschschulte hat Kirchenfenster bei Ihnen in Ihrem schönen Dom in Paderborn gemacht. Aber ich hatte nie Bock darauf. Das machen die anderen schon, das muss ich nicht auch noch machen. Mit der Glasmalerei Peters gemeinsam wollten wir deshalb was ganz Neues versuchen. Es gibt viele Menschen, die, wenn sie einen echten Müllmenschen von mir sehen, zu mir kommen und sagen, wissen Sie, ich würde ja gerne so einen Müllmann zu Hause haben, aber meine Frau hat Probleme mit dem Müll. Haben Sie nicht auch einen Müllmann ohne Müll? Tja, schöner und sauberer können diese Skulpturen nicht aussehen, als hier jetzt im Dom von Bamberg, wo Glas zu Müll und Müll zu Kunst wurde.

„Glasapostel“ sind im und um den Dom von Bamberg ausgestellt.
Foto / Quelle: Markus Jonas

Wie sind die Glasmenschen konkret entstanden?

Die Idee hatte ich mit meinem Freund Wilhelm Peters schon vor Jahren. Wir wollten etwas zusammen machen, was bis jetzt nicht gemacht wurde. Die People of Glass waren dann seine Idee. Er ließ nie locker. Ich habe immer gedacht, man kann aus Glas niemals Skulpturen machen. Sie werden kaputtgehen. Sie werden die Leute verletzen. Man kann sich selbst daran verletzen. Sie sind auch schwer. Aber wir haben die Probleme gemeinsam gelöst. Sie stehen hier wie eine Eins. Sie haben gestern einen kräftigen Wind überlebt, wo die Bäume kurz davor waren, umzufallen. Aber die Skulpturen stehen wie eine Eins.

Welche Botschaft verbinden Sie mit Ihren Glasmenschen?

Meine zwölf Glasmenschen sind hier vor dem Dom, im Dom selbst und im Kreuzgang zu sehen. Da trifft man die Apostel des Hauses und eben auch meine zwölf Glasapostel aus Paderborn. Born in Paderborn. Die Glasmenschen sind im Gesamtzusammenhang mit einem Projekt zu sehen, das ich seit annähernd 30 Jahren mache. Seit 1996 ziehe ich mit dem Volk meiner tausend Müllmänner um die Erde. Sie standen alle tausend auf der chinesischen Mauer, alle tausend vor den Pyramiden von Gizeh, alle tausend auf dem Roten Platz in Moskau. Sie standen in Rom auf der Piazza del Popolo, sie standen in der Arktis, sie waren unter der Erde, in Gorleben, sie waren hoch oben, unterhalb des Matterhorns in 2 800 Meter Höhe, und sie sind eigentlich unser aller Stellvertreter. Wenn wir es ganz zynisch sehen, müssen wir leider sagen, wir produzieren Müll und wir werden zu Müll. Die Welt, die wir zu bewahren haben, droht zu dem Müllplaneten Erde zu werden. Selbst das Weltall haben wir schon angefangen zu vermüllen. Was kann Kunst besser tun, als zu mahnen?

Frieden ist Ihnen auch ein Anliegen.

Ja, wir sind hier an einem Ort, wo das aktuell vielleicht besser gehört wird als im Gazastreifen oder in der Ukraine. Diese zwei Kriege sind bei uns im Blickpunkt. Aber parallel laufen noch ganz andere Kriege ab, wo viel mehr Menschen abgeschlachtet werden. Das ist mein Thema. Weil ich als Künstler in einer freien Gesellschaft leben darf, habe ich es mir als Dank zur Aufgabe gemacht, das zu sagen, was ich aussprechen darf. In Osnabrück, einer Nachbarstadt von Paderborn, habe ich bereits 1998 den Friedensspeicher gemacht, ein Riesenspeicher aus 36 000 Kartons, auf denen in allen Sprachen der Welt das Wort Frieden stand. Aber Sie wissen ja, wie die Leute auf die Künstler hören: überhaupt nicht. Und jetzt im Augenblick, wo wir mit dem Gedanken spielen, die Jugend wieder zu den Waffen zu rufen, muss ich leider zugeben, dass die Künstler sehr wenig gehört werden in unserer Gesellschaft.

Aber Sie geben nicht auf?

Warum sollte ich? Ich habe ja mein Leben gelebt. Ich habe den Zweiten Weltkrieg miterlebt. Und ich erlebe jetzt, dass wir vielleicht den Dritten Weltkrieg noch erleben. Das ist für meine Generation überraschend.

Zur Sache

Die Ausstellung „People of Glass – Human Fragility“ von HA Schult ist noch bis zum 31. August vor dem Bamberger Dom und im Kreuzgang des Diözesanmuseums zu sehen. Anlass ist der zehnte Jahrestag der Umwelt-Enzyklika Laudato si‘ von Papst Franziskus.

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