Wer bestellt morgen die Felder?
Der Landwirtschaft in Deutschland fehlen schon heute Fachkräfte. Hohe Kosten, Bürokratie und wenig Anerkennung schrecken viele ab. Doch es gibt auch Gegenbeispiele.
Die Landwirtschaft in Deutschland steht vor einem strukturellen Problem: Es fehlt an Nachwuchs. Immer weniger junge Menschen entscheiden sich dafür, den elterlichen Betrieb zu übernehmen oder einen eigenen Hof zu gründen. Laut der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) liegt das an einem ganzen Bündel an Herausforderungen. Sie haben mit dem, was man sich unter dem Beruf vorstellt, wenig zu tun: Bürokratie, wachsender Preisdruck, zunehmende Umweltauflagen, hohe Investitionshürden sowie mangelnde gesellschaftliche Anerkennung schreckten viele ab.
„Junge Menschen, die grundsätzlich Interesse an der Landwirtschaft haben, entscheiden sich oft dagegen, weil die Rahmenbedingungen sie entmutigen“, erklärt die Fachgesellschaft. Besonders gravierend seien die Auflagen, die jungen Betriebsleitern auferlegt würden. „Um einen Hof zukunftsfähig zu machen, sind oft Investitionen im sechs- bis siebenstelligen Bereich notwendig. Wer diese Mittel nicht hat oder kein Vertrauen in politische Verlässlichkeit, gibt den Traum vom eigenen Betrieb schnell wieder auf.“
Zwischen Idealismus und Realität
Dass es auch anders geht, zeigt beispielsweise Martin Heinrich Moshake. Der 31-Jährige übernahm 2022 den elterlichen Ackerbaubetrieb in Sachsen-Anhalt – gegen den allgemeinen Trend. „Als Kind hatte ich ganz andere Pläne. Mein Vater war ständig auf dem Feld oder im Büro. Das wollte ich für mich eigentlich nicht“, erzählt er. Und auch heute betont er: „Die Selbstständigkeit in der Landwirtschaft ist nichts für jeden. Man muss sich auch mal dreckig machen und mit Unsicherheit leben können.“
Trotzdem entschied sich Moshake für den Weg zurück auf den Hof. Nach einer landwirtschaftlichen Ausbildung und dem Studium der Agrarwissenschaften sammelte er weitere Erfahrungen bei einem Auslandssemester in Australien. „Was mich letztlich überzeugt hat, war die unternehmerische Freiheit. Ich kann entscheiden, wohin sich unser Betrieb entwickelt – das ist eine große Verantwortung, aber auch eine enorme Chance.“
Moshake sieht in der Landwirtschaft weit mehr als nur das Bestellen von Feldern: „Man ist nicht nur Landwirt, sondern auch Techniker, Manager, manchmal auch Psychologe. Die Aufgaben sind vielseitig und herausfordernd.“
Doch er kennt ebenso die Schattenseiten. „Die Landpreise sind hoch, Maschinen kosten ein Vermögen, und qualifiziertes Personal ist schwer zu finden. Gleichzeitig sind die Erträge oft niedrig. Für 100 Kilogramm Weizen bekommt man derzeit nur noch etwa 18 bis 19 Euro – das deckt kaum die Kosten.“
Hinzu komme gesellschaftlicher Druck. Moshake sieht ein pauschales „Landwirte-Bashing“ vor allem in den Sozialen Medien: „Wir werden oft als Klimasünder dargestellt. Dabei liegt es doch in unserem ureigenen Interesse, nachhaltig zu wirtschaften – für unsere Böden, unsere Tiere und unsere Zukunft.“ Für ihn steht fest: „Ohne eine starke, regionale Landwirtschaft werden wir abhängig vom Weltmarkt – das kann nicht das Ziel sein.“
Langfristige Perspektiven schaffen
Die Landwirtschafts-Gesellschaft sieht dringenden politischen Handlungsbedarf. Um mehr junge Menschen für die Landwirtschaft zu gewinnen, brauche es vor allem Planungssicherheit. „Aktuelle Förderstrukturen ändern sich zu häufig. Wer heute investiert, braucht langfristige Perspektiven.“ Zudem fordern die Fachleute, bürokratische Hürden zu senken, moderne Arbeitsmodelle zu ermöglichen und gezielter für sogenannte grüne Berufe zu werben. Zudem sei eine gesellschaftliche Debatte über den Wert von Landwirtschaft nötig. „Wer regionale Lebensmittel möchte, muss auch bereit sein, sie fair zu bezahlen – und den Menschen dahinter Respekt zu zollen.“
Jungbauer Moshake würde sich genau das wünschen: „Mehr Wertschätzung, mehr Mitspracherecht und mehr Verständnis für die Realität auf dem Land und politische Rahmenbedingungen, die uns wieder Lust auf Zukunft machen.“ Klar ist auch, dass davon nicht nur direkt Betroffene profitieren würden – denn ohne junge Menschen auf den Höfen wird es keine nachhaltige und unabhängige Landwirtschaft in Deutschland geben.