2 Min.
25.03.2024

Wenn Moral auf Recht trifft

17. Juristentag im Erzbistum über Klima-­Proteste und andere Formen ­gesellschaftlicher Selbstermächtigung in Katholischer Akademie Schwerte. 

Diözesanadministrator Monsignore Dr. Michael Bredeck begrüßte zur Tagung.
Foto / Quelle: Michael Bodin / Erzbistum Paderborn
Schwerte

„Nach meiner Einschätzung handelt es sich um ein bedeutendes und zeitaktuelles gesellschaftliches Thema, das wir als Gesellschaft nicht aus dem Blick verlieren dürfen“, begrüßte der Paderborner Diözesan­administrator Mon­signore Dr. Michael Bredeck. Dabei ging es diesmal um Klima- und Bauern-­Proteste, aber auch um den Vorwurf „politischer Expertokratie“.

Es konnte NRW-Justiz­minister Dr. Benjamin Limbach (Bündnis 90/Die Grünen) auf der Tagung willkommen geheißen werden. Zu den einzelnen Themen referierten Professor Dr. Franz Reimer (Gießen), Professor Dr. Ken Eckstein und Professor Dr. Jonas Hagedorn (beide Bochum).

Ausgehend von Phänomenen wie den sogenannten Klima-­Klebern der „Letzten Generation“, den Eskalationen von Corona-­Protesten oder auch Autobahnblockaden durch protestierende Landwirte, wurde unter anderem gefragt: Handelt es sich um hinzunehmende Formen zivilen Ungehorsams oder um Straftaten? Welche Folgen hätte es, wenn das Verfolgen ethischer oder idealistischer Ziele per se ein Rechtfertigungsgrund für regelwidriges Verhalten wäre?

Klimaproteste eine Generationenfrage

Mit Bezug auf die Klima-­Proteste sah Dr. Limbach auch eine Generationenfrage, da es um Lebens- und Zukunftsthemen einer jungen Generation gehe. Er wies zugleich auf die erheblichen Probleme gesellschaftlicher Selbstermächtigung hin: „Die Klimaaktivisten fordern uns heraus – auch den Rechtsstaat –, aber wir können auch auf eine junge Generation stolz sein, die Partizipation lautstark einfordert.“ Nicht möglich sei es jedoch, sich bei solchen Protesten auf das Widerstandsrecht nach Artikel 20 des Grundgesetzes zu berufen, denn dies setze voraus, dass jemand anderes die Verfassung außer Kraft setzen wolle.

Letzterem stimmte Professor Dr. Reimer (Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Rechts­theorie der Justus-Liebig-­Universität Gießen) zu. Das Widerstandsrecht beziehe sich auf den Widerstand gegen einen Staatsstreich. Außerdem ging er auf die Frage eines möglichen „rechtfertigenden Notstandes“ angesichts der Bedrohungen durch den Klimawandel ein. Die Annahme eines solchen Notstandes scheitere jedoch aus rechtlicher Sicht, da das Handeln der Protestierenden nicht geeignet sei, die Wirkung des Klimawandels zu verhindern, sondern sich auf politische Entscheidungen beziehe. Dafür sehe das Grundgesetz aber durch Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und die Möglichkeit zur Gründung von Parteien ausreichende demokratische Strukturen und Mitwirkungsmöglichkeiten vor.

Staatsziel Klimaschutz

Professor Dr. Eckstein (Inhaber der Professur für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Juristischen Fakultät der Ruhr-­Universität Bochum) erläuterte, dass Klimaschützer die Gesellschaft dazu anhalten wollten, das Staatsziel Klimaschutz umzusetzen. Dieses auf die Allgemeinheit bezogene Ziel unterscheide sie beispielsweise von den jüngsten Protesten von Landwirten. Das zu bewerten, sei aber nicht Sache von Gerichten. Unter Juristen gebe es daher eine große Skepsis, ob eine legitimierende Wirkung von zivilem Ungehorsam auf das Recht durchschlagen könne. Anstelle der Rechtfertigung von Straftaten gebe es aber Möglichkeiten, bei der Strafzumessung angemessen zu reagieren. Der gesellschaftliche Diskurs darüber müsse geführt werden.

Auf diesen ging im Anschluss Juniorprofessor Dr. Hagedorn (Lehrstuhl für Sozialethik an der Katholisch-­Theologischen Fakultät der Ruhr-­Universität Bochum) ein. Die repräsentative Demokratie sei schlecht zu verteidigen, wenn man ihre gegenwärtigen Schwächen nicht thematisiere. Notwendig sei eine „substanzielle Repolitisierung und eine Ausbalancierung“ sozialer Gegensätze. Dabei werde es künftig auch um eine gerechtere Verteilung von Wohlstandsverlusten gehen. Die Protestierenden der „Letzten Generation“ stünden durchaus im Einklang mit einer „Demokratisierung der Demokratie“. Sie würden Bedürfnisse thematisieren, denen sich die Gesellschaft aus systemisch-­strukturellen Gründen bislang verweigere.

(PDP)
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