Militärseelsorger Sven Hofmann.
Foto / Quelle: Sven Hofmann/KNA

Weihnachten am Stacheldraht

Fern der Heimat feiert Militärpfarrer Hofmann Weihnachten mit Soldaten.

Bonn

Weihnachten am Rande des Krieges: Der katholische Militärpfarrer Sven Hofmann begleitet Soldatinnen und Soldaten der multinationalen Nato-Battlegroup in Litauen. Rund 1.700 Soldatinnen und Soldaten sind aktuell im Camp Rukla stationiert, etwas mehr als die Häfte davon kommt aus Deutschland. Hinzu kommen Angehörige der Streitkräfte aus Belgien, den Niederlanden, Norwegen, Tschechien, Kroatien, Litauen und Luxemburg.

Die Weihnachtszeit sei im Nato-Camp eine besondere Herausforderung, sagte Hofmann der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Trauer, Enttäuschungen und eine stark eingeschränkte Normalität bestimmten die Festtage fernab der Heimat. Besonders wegen eines Todesfalls zu Beginn der Adventszeit: Ein belgischer Soldat kam bei einer Übung ums Leben, sagt Hofmann. Der Tod habe den Dienstalltag spürbar überschattet und stelle „eine besondere Herausforderung für die festlichen Tage“ dar. Besinnlichkeit sei unter solchen Umständen nur schwer zu erreichen.

Nicht alles muss perfekt sein

Sven Hofmann stammt aus Nordrhein-Westfalen. Er wurde 1974 in Detmold geboren und ist seit 24 Jahren Priester. Bevor er vor drei Jahren als Militärseelsorger zur Bundeswehr ging, war der Geistliche unter anderem in Balve, Verl und Rietberg tätig.

Weihnachten war für Hofmann schon immer eine arbeitsintensive Zeit. Doch seit seinem Eintritt in die Militärseelsorge habe sich sein Blick auf das Fest gewandelt. „Mein eigener Anspruch an Weihnachten hat sich verändert“, sagt er. Im Einsatz gehe es weniger um perfekt inszenierte Feiern wie an seinen bisherigen Pfarrstellen als um Angebote, die zur besonderen Lebenswirklichkeit der Soldaten passten. Besonders wichtig seien Gottesdienste mit Momenten der Stille, der Besinnung und der Musik sowie eine Ansprache, die den oft belastenden Einsatzalltag aufgreife.

Die sicherheitspolitische Lage an der Nato-Ostflanke prägt auch das Weihnachtsfest im Camp. Spontane Ausflüge oder vorweihnachtliche Erlebnisse, wie sie viele aus der Heimat kennen, sind hier nicht möglich. „In der Advents- und Weihnachtszeit nicht mal eben vor die Tür gehen und shoppen, durch überfüllte Innenstädte zu schlendern und auf Märkten Glühwein zu trinken und eine Thüringer zu essen, stellt für alle eine besondere Herausforderung dar“, sagt Hofmann. Gerade deshalb seien kleine Zeichen der Wertschätzung für die Truppe von großer Bedeutung. In diesem Jahr habe es vor Weihnachten keinen Besuch eines Generals oder Ministers gegeben, was von vielen Soldatinnen und Soldaten als mangelnde Anerkennung empfunden worden sei. Um diese Enttäuschung aufzufangen, organisiert die Militärseelsorge gezielt Angebote für die Stationierten.

So richtete Hofmann gemeinsam mit anderen Militärseelsorgern und Helfern einen Adventsmarkt innerhalb des gesicherten Bereichs aus. Er spricht von einem „Adventsmarkt hinter Stacheldraht und Schlagbaum“. Besonders belastend sei für viele die räumliche Distanz zu Familie und Freunden, „vor allem weil Weihnachten ein Fest der Familie, der Begegnung untereinander ist“. Zugleich betont Hofmann: „Auch manche Frau Hauptmann, mancher Spieß sorgt mit kleinen, persönlichen Gesten für zusätzliche Wertschätzung.“

Hofmann: Wir müssen aufeinander achten

Das Leben im Camp sei zudem von klassischer Gruppendynamik geprägt. „Nicht jeder kann seine Kameradinnen und Kameraden auch Freunde nennen“, berichtet der Militärpfarrer. Gerade an den Feiertagen sei es deshalb wichtig, sensibel füreinander zu sein und besonders auf jene zu achten, die sich einsam oder isoliert fühlten.

An Heiligabend feiert Hofmann einen Wortgottesdienst, am 25. Dezember folgt eine Heilige Messe in der sogenannten „Little Church“ im Camp. Im Anschluss lädt die Militärseelsorge zu einem kleinen Imbiss ein, um Begegnung und Austausch zu ermöglichen. „Bei Kaffee, Kuchen, Gebäck und kalten Getränken verweilen die Soldaten gern in der Little Church“, berichtet Hofmann.

Was ihm persönlich in diesen Tagen fehle, fasst der Militärpfarrer pointiert zusammen: die Sonne – seit Wochen liege eine geschlossene Wolkendecke über Litauen -, die unmittelbare Nähe zu Freunden und Familie sowie ein Alltag ohne sicherheitspolitische Einschränkungen. „Auch wenn soziale Medien, WhatsApp und Telefon den Kontakt in die Heimat ermöglichen, so ersetzen sie keine persönliche Begegnung zwischen den Menschen.“ Wenn Hofmann von Weihnachten im Bundeswehr-Einsatz an der Nato-Ostflanke erzählt, fällt auf: In Litauen versuchen Soldaten im Camp das zu leben, was sich viele in Deutschland unterm Tannenbaum wünschen: Zusammenhalt, gegenseitige Unterstützung und gemeinsames Durchhalten in einer herausfordernden Zeit.

KNA
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