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09.04.2024
Symbolbild - Das Dokument "Dignitas infinita" (Unendliche Würde) des Dikasteriums für die Glaubenslehre enthält eine ausführliche Darstellung von Verstößen gegen die Menschenwürde aus Sicht der katholischen Kirche. Dazu zählen die Ausbeutung von Arbeitern, der Menschenhandel, die Zerstörung der Umwelt, sexueller Missbrauch innerhalb und außerhalb der Kirche, Gewalt gegen Frauen, Krieg und die Todesstrafe.
Foto / Quelle: Cristian Gennari/Romano Siciliani/KNA

Vatikan-Papier zur Menschenwürde ruft geteiltes Echo hervor

In einer neuen Erklärung verurteilt der Vatikan unter anderem Menschenhandel und Umweltzerstörung ebenso wie Leihmutterschaft und Abtreibung. Dafür gibt es Lob und Kritik.

Rom

Die Vatikan-Erklärung zur Menschenwürde hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, und der Wiener Kardinal Christoph Schönborn würdigten das Dokument als Bestärkung. Mehrere deutsche Theologen äußerten sich kritisch.

Die Initiative Out in Church bemängelte „diskriminierende und queerfeindliche Passagen“. Ein LGBTQ-Aktivist in den USA lobte die Verurteilung der Gewalt gegen queere Menschen in dem Papier. Ebenfalls positiv äußerte sich eine konservative Anti-Abtreibung-Organisation.

Das am Montag veröffentlichte Dokument „Dignitas infinita“ (Unendliche Würde) des Dikasteriums für die Glaubenslehre listet zahlreiche Verstöße gegen die Menschenwürde aus Sicht der katholischen Kirche auf. Dazu zählen unter anderem Menschenhandel, Umweltzerstörung, sexueller Missbrauch innerhalb und außerhalb der Kirche, Gewalt gegen Frauen, Krieg, die Todesstrafe und die Kriminalisierung von Menschen wegen ihrer sexuellen Neigungen.

Gleichzeitig wird das katholische Nein zu Abtreibung, Leihmutterschaft und Geschlechtsangleichungen unterstrichen. Die Erklärung aus der Feder von Glaubenspräfekt Victor Fernandez beurteilt zudem die Gender-Theorie als gefährlich.

Mit dem Text verteidige die Kirche „die bedingungslose Würde jedes Menschen jenseits aller Umstände und damit die bedingungslose Forderung nach Achtung der Menschenwürde, unter welchen Umständen auch immer“, sagte Kardinal Schönborn in einer Stellungnahme. Er betonte, dass Papst Franziskus eng an der Entstehung des Textes mitgewirkt habe.

Bischof Bätzing bewertete das Papier als „eine Bestärkung für alle, die sich für die Achtung der Menschenwürde und die sich daraus ergebenden fundamentalen Menschenrechte einsetzen“. Die Erklärung signalisiere eine Offenheit, die im Dialog mit der Gesellschaft weiterhelfe.

Bätzing regt zur Selbstkritik an

Sie leite Handlungsorientierungen aus dem Grundkonzept der Menschenwürde ab, ohne sich wie früher auf eine natürliche Sittenordnung zu beziehen, so der Limburger Bischof. Zugleich regte Bätzing zur Selbstkritik an. Hinter dem Anspruch, Garantin der Menschenwürde zu sein, sei die Kirche in der Geschichte oft zurückgeblieben.

Schärfer formulierte die Bochumer Dogmatikerin Gunda Werner. Es sei „Augenwischerei, so zu tun, als habe Würde immer im Zentrum kirchlicher Argumentation gestanden“, sagte sie. Historisch habe sich die Kirche kaum auf die Würde aller Menschen bezogen, „stattdessen ging es vor allem um die Würde des Mannes“. Sie bemängelte zudem, dass sexualisierte Gewalt nur kurz abgehandelt werde.

„Würde gibt es in diesem binären Konzept nur als Mann und Frau und zwar von der Empfängnis an.“

Initiative Out in Church

Auch der Mainzer Moraltheologe Stephan Goertz äußerte sich kritisch. Es bleibe ein „moraltheologisches Rätsel“, wie es mit der Menschenwürde in Einklang zu bringen sei, wenn Homosexuellen die Fähigkeit abgesprochen werde, ihre Sexualität auf humane Weise auszuleben. Die Initiative Out in Church kommentierte: „Würde gibt es in diesem binären Konzept nur als Mann und Frau und zwar von der Empfängnis an.“

Der US-amerikanische LGBTQ-Aktivist und Jesuitenpater James Martin äußerte sich hingegen auf X „dankbar, dass der Vatikan seine offizielle Verurteilung jeder Art von Gewalt gegen LGBTQ-Menschen, einschließlich Inhaftierung und Hinrichtung, bekräftigt hat“.

Positiv äußerten sich auch die Initiative Neuer Anfang und die Aktion Lebensrecht für Alle. Wer „Dignitas infinita“ zustimme, stelle sich in die verbindliche Hauptlinie christlicher Anthropologie, so die Initiative Neuer Anfang. Wer sich jedoch ablehnend zeige, habe „die Anthropologie des historischen Christentums und damit die verbindliche christliche Tradition verlassen“. Dies solle auch für die Vertreter des Reformdialogs Synodaler Weg eine Einladung zur Besinnung sein.

Für die Aktion Lebensrecht für Alle kommt die Erklärung zum richtigen Zeitpunkt. Der Verein erinnerte an Pläne der Bundesregierung, unter anderem die Regeln für Abtreibung und Sterbehilfe zu ändern. Er empfahl den Politikern die Lektüre des Vatikan-Dokuments: „In Sachen Menschenwürde leistet es den offensichtlich bitter notwendigen Nachhilfeunterricht.“

Von Paula Konersmann und Anita Hirschbeck (KNA)
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