Urne statt Sarg
Der Bestattungstrend verändert die Flächennutzung auf Friedhöfen. Warum das für Städte teuer wird.
Für den Unterhalt ihrer Friedhöfe müssen viele Kommunen tiefer in die Taschen greifen. Das zeigt eine Umfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) unter fünf deutschen Großstädten. Grund sind unter anderem höhere Energie- und Lohnkosten. Auf der Einnahmeseite verlangen die Kommunen zwar Friedhofsgebühren – diese Mittel decken die Kosten jedoch vielerorts bei weitem nicht ab.
Die KNA hat in Hamburg, München, Köln, Frankfurt und Stuttgart nachgefragt. Beispiel Stuttgart: Die Stadt konnte im vergangenen Jahr lediglich 45 Prozent der Gesamtkosten von 26,4 Millionen Euro über Friedhofsgebühren abdecken. 2015 waren es immerhin noch zehn Prozentpunkte mehr. Damals lagen die Gesamtkosten mit 19,3 Millionen Euro deutlich niedriger als heute.
München ist die Ausnahme
In Frankfurt kostete der Unterhalt der kommunalen Friedhöfe im vergangenen Jahr 24 Millionen Euro; gut die Hälfte davon (56 Prozent) kam über die Friedhofsgebühren wieder herein. In Köln waren es 25,8 Millionen Euro, die zu 70 Prozent refinanziert wurden. In Hamburg betreibt eine Anstalt des öffentlichen Rechts die meisten Friedhöfe. Im aktuellen Geschäftsbericht für 2023 weist sie Aufwendungen von 33,8 Millionen Euro aus. Die Friedhofsgebühren deckten rund die Hälfte ab.
Nur in München zeigt sich ein anderes Bild. Vergangenes Jahr lagen die Einnahmen aus Friedhofsgebühren mit 41 Millionen Euro deutlich über den Gesamtkosten von 36,8 Millionen Euro. Ein Sprecher der Stadt verweist auf das Bayerische Kommunalabgabengesetz, wonach die Kosten „verursachungsgerecht“ auf die Nutzer der Friedhöfe umzulegen seien.
Doch der Trend ist klar: In allen angefragten Städten sind die Ausgaben für den Betrieb kommunaler Friedhöfen in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Das Umweltdezernat der Stadt Frankfurt begründete die höheren Kosten mit allgemeinen Preissteigerungen, etwa für Energie und Personal, sowie mit zunehmenden Ausgaben wegen des Klimawandels, etwa für die Baumpflege. „Zudem sind durch die sich verändernde Bestattungskultur immer mehr Flächen durch die Friedhofsverwaltung zu unterhalten“, sagt Referentin Jacqueline Monz. Damit dürfte vor allem der seit Jahren wichtigste Friedhofstrend gemeint sein: Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine platzsparende Urne. Ihren Angehörigen wollen sie so die Pflege eines klassischen, kostenintensiven Sarggrabes ersparen.
Ein weiterer Trend sind alternative Beisetzungsformen wie Seebestattungen und insbesondere Baumbestattungen in Bestattungswäldern. Zudem beobachtet Alexander Helbach von der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas, dass Familiengräber häufiger als früher aufgelöst werden, weil die Kinder nicht mehr vor Ort leben. In der Folge könnten Freiflächen entstehen, die von den kommunalen Friedhofsverwaltungen gepflegt werden müssen.
„Manche Friedhöfe bestehen zu einem Drittel aus schlecht bewirtschafteten Freiflächen“, beklagte der Sozial- und Kulturhistoriker Norbert Fischer jüngst bei einer Tagung des Verbands der Friedhofsverwalter Deutschlands. „Das ist die offene Wunde, die ich auf den Friedhöfen sehe.“ Die Städte haben dieses Risiko erkannt – und teilweise reagiert. Frankfurt zum Beispiel versucht, Bestattungen konzentriert auf den zentralen Bereichen der Friedhöfe vorzunehmen. Frei werdende Flächen an den Rändern sollen etwa als Blühwiesen gestaltet werden. Dies sei ein Beitrag für mehr Biodiversität und eine Maßnahme zur Klimaanpassung, erklärt Umweltreferentin Monz.
Friedhöfe als Erinnerungsstätten
Kulturhistoriker Fischer schlägt vor, dass Friedhöfe zu Gedenkorten jenseits von einzelnen Grabstätten werden könnten. In eigenen Bereichen könnte zum Beispiel an Ereignisse aus der Lokalgeschichte erinnert werden – oder an Personengruppen, etwa Menschen, die an Krebs gestorben sind.
Stellt sich erneut die Kostenfrage – und die Frage nach dem Personal, das neue Ideen umsetzen kann. Die Berliner Stadtplanerin Stephanie Marsch spricht von einer ausdifferenzierten Friedhofslandschaft, die je nach Gegebenheiten individuelle Lösungen verlange. „Es braucht Aufwand“, sagt sie. „So was schüttelt man nicht einfach aus dem Ärmel.“