6 Min.
12.09.2025
Nadine Mersch und Jan Hilkenbach bilden den Vorstand des Diözesankomitees im Erzbistum Paderborn.
Foto / Quelle: Andreas Wiedenhaus

Schlussstrich oder Neuanfang?

Nadine Mersch und Jan Hilkenbach bilden den Vorstand des Diözesankomitees im Erzbistum Paderborn, der Vertretung der Laien. Im Interview ordnen sie den Bistumsprozess ein, der Chancen für ehrenamtlich Engagierte bietet.

Interview: Andreas Wiedenhaus und Wolfgang Maas

Wie blickt das Diözesankomitee auf den Bistumsprozess?

Mersch: Der Prozess spiegelt vieles wider, was in den letzten Jahren diskutiert wurde. Die Frage nach der Umstrukturierung von Gemeindezuschnitten oder Verwaltungsstrukturen kam in allen Diskussionsprozessen vor, entsprechend folgerichtig ist es, jetzt zu bündeln und zu straffen. Was mir noch fehlt, ist die Idee, wie der Anspruch, weiter nah bei den Menschen zu sein, auch umgesetzt wird.

Hilkenbach: Das kirchliche Leben, das diese Strukturen füllt, ist regional unterschiedlich und braucht Unterstützung. Hinzu kommt, dass das kirchliche Leben ja nicht in den Seelsorgeräumen stattfinden kann, auf dieser Ebene sind die Entfernungen zu groß. Der Anspruch ist, das kirchliche Leben gemeinsam vor Ort zu gestalten. Die Freiheit, die damit verbunden ist, birgt aber auch die Gefahr, dass unter Umständen nichts mehr stattfindet. Jetzt muss man sich bereits fragen, wie vermieden werden kann, dass nur noch im Zentrum des Seelsorgeraums etwas stattfindet. Dazu braucht es vor Ort Ehrenamt, aber auch hauptberufliches Engagement, das ermöglicht und unterstützt. Da sind wir gespannt und werden diesen Prozess begleiten und mitgestalten!

Die Rolle der Laien wird beim Bistumsprozess sehr hervorgehoben. Wie beurteilen Sie das als Laienvertreter?

Mersch: Es klingt gut, dass man seinen Glauben gemeinsam gestalten kann und dabei viele Freiheiten hat. Damit ist eine enorme Verantwortung verbunden, zu der viele schon heute bereit sind. Es gehört aber auch dazu, Menschen zu befähigen und klarzumachen, in welcher Rolle sie das tun. Vieles wird heute für eine bestimmte Gruppe angeboten, doch wenn man einen Schritt weitergeht und sagt, dass man aus ehrenamtlicher Perspektive den gesamten Raum in den Blick nehmen soll, dann ist das eine ganz neue Herausforderung. Zudem muss klargestellt sein, wo die Entscheidungsbefugnisse liegen.

Hilkenbach: Die Engagierten in unserer Kirche sind keine Lückenbüßer für fehlendes pastorales Personal, sondern gemeinsam wollen und müssen wir unser kirchliches Leben gestalten. Man sieht momentan verschiedene Ämter, bei denen extra ausgebildete Laien doch nicht zum Zuge kommen, weil es noch genügend Hauptamtliche gibt. Das Signal, das da ausgesendet wird, ist fatal. Dieses Denken darf in einem Prozess, in dem Ehrenamt eine zentrale Rolle zukommt, keinen Platz haben.

Bei den ersten Werkstatt-Treffen wurde die Freiheit für das Ehrenamt betont – was ist, wenn Ehrenamtler gar nicht so viel Freiheit wollen?

Mersch: Man muss verschiedene Situationen im Blick haben: die Fälle, bei denen Engagement ausgebremst wird, genauso wie den berechtigten Wunsch, auch selbst etwas angeboten zu bekommen.

Hilkenbach: Zum einen geht es darum, dass man der Aussage, es gebe nun mehr Freiheit für das Ehrenamt, wirklich vertrauen können muss. Zum anderen muss es auch möglich sein, sich nur für ein bestimmtes Thema und in einem festgelegten Zeitraum zu engagieren. Die unterschiedliche Möglichkeit zum Ehrenamt muss anerkannt werden und deshalb braucht es auch verschiedene Engagementformen in unserer Kirche. Mit einem „Macht doch einfach mal!“ kann das nicht funktionieren!

Wie kann das Diözesankomitee seine Bedenken in den Bistumsprozess einbringen?

Hilkenbach: Die Mitglieder unserer Vollversammlung sind in Verbänden, Gemeinden oder anderen Gremien engagiert; sie bekommen Informationen und bringen sich dort ein. Der Diözesanpastoralrat, der ja gerade ein neues und stärkendes Statut bekommen hat, wird den Bistumsprozess intensiv begleiten und bei den nächsten Schritten involviert sein. Hier bringen wir uns als Diözesankomitee intensiv ein

Mersch: Zum Thema Engagementförderung hatten wir in der Vollversammlung des Diözesankomitees ein Gespräch mit Thomas Klöter, dem Bischöflichen Beauftragten. In der nächsten Vollversammlung werden die einzelnen Teilprojekte vorgestellt.

Klingt für Außenstehende, dass da ein langer Atem erforderlich ist. Was braucht man noch, um Einfluss zu nehmen?

Hilkenbach: Manchmal ist es mühsam, gerade wenn man auf unterschiedlichen Ebenen im Gespräch ist. Die Bereitschaft zu solchen Gesprächen erleben wir bei der Bistumsleitung als sehr positiv. Ideen und Einwände finden Gehör und das synodale Miteinander üben wir miteinander weiterhin ein.

Mersch: Als Mitglied in einem kirchlichen Gremium weiß man, dass es einiges an Kraft kostet, seinem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen. Man muss als Laienvertretung energisch und manchmal unbequem sein. Wir haben hier im Bistum eine gute Kommunikation mit der Bistumsleitung. Dennoch braucht es zu einzelnen Fragen auch immer die offene Auseinandersetzung.

Ob Ihre Ideen einfließen, zeigt sich letztlich, wenn entschieden wird?

Mersch: Nein, das sehen wir schon jetzt auf dem Weg; etwa an der Diskussionskultur und daran, dass etwas Berücksichtigung findet, das von uns und vielen Engagierten kommt.

Hilkenbach: Wenn das nicht so wäre, könnte man sich diese Beratungen sparen. Wir befinden uns mit Blick auf Synodalität heute in einer ganz anderen Phase in unserer Kirche. Wenn wir merken würden, dass unsere kritisch-konstruktiven Anmerkungen nicht mit einfließen würden, würde das heute so nicht mehr gehen.

Warum sollte man sich gerade jetzt zur Wahl zum Pfarrgemeinderat oder Kirchenvorstand stellen?

Mersch: Weil es gerade jetzt viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt und weil man sie in dieser wichtigen Phase nutzen sollte! Denn jetzt wird über die Zukunft von Kirche vor Ort entschieden, und zwar nicht so, dass von oben alles vorgegeben wird. Auf der anderen Seite gibt es vor Ort auch viel Frust, weil in den letzten Jahren auch einiges ins Leere gelaufen ist.

Vielleicht hält der Gedanke, dass man etwa Kirchen oder andere Gebäude abwickeln muss, auch einige ab?

Mersch: Sicher wird auch das Abwickeln Thema sein, aber ich glaube, dass man den Worten der Bistumsleitung vertrauen darf, dass auch vieles neu entstehen kann. Unser Bistum steht personell und finanziell nicht mit dem Rücken zur Wand und kann noch positiv gestalten.

Hilkenbach: Unsere Kirche wird anders, aber das muss nicht schlechter sein. Beispielsweise soll die Engagementförderung kommen und multiprofessionell besetzt sein, das ist ja kein Papiertiger, sondern konkret. Richtig ist aber auch, dass man nicht mehr nur auf die eigene Gemeinde schauen darf. Weitere Veränderungen stehen an – das kann man nicht wegdiskutieren.

Was ist mit der Gefahr, dass in Gemeinden, in denen schon jetzt wenig passiert, dann alles wegbricht

Mersch: Letztlich entscheidet jeder und jede selbst: Man kann einen Schlussstrich ziehen, wenn die Kirche im Ort geschlossen wird oder ein Angebot nicht mehr stattfindet, man kann aber die Einladung in die Nachbargemeinde annehmen und neue Chancen erkennen. Natürlich müssen dazu dann evtl. Hilfestellungen erfolgen, zum Beispiel Fahrdienste.

Hilkenbach: Schon heute machen sich ja viele auf den Weg. Man fährt zu einem Gottesdienst oder einem kirchlichen Angebot, das vielleicht weiter entfernt stattfindet. Solche Leuchtturmprojekte mit einem großen Radius gibt es schon länger. Auf der anderen Seite darf man die nicht vergessen, die noch nicht oder nicht mehr mobil sind: Was hat ein Zehnjähriger davon, wenn die Gruppenstunde 15 Kilometer weit entfernt stattfindet?

Mersch: Was nicht passieren darf, ist, dass eine Zwei-Klassen-Kirche entsteht; mit verlässlichen Orten, wo es hauptamtliches Personal gibt. Und auf der anderen Seite mit Orten, an denen es zwar „alle Freiheiten“ gibt, aber im Grunde nichts mehr passiert. Auch da sind wir bei der Haltungsfrage: Wenn Eucharistie das einzige Zentrum ist und andere Gottesdienstformen nur zweitrangig, dann passt das nicht mehr in unsere aktuelle kirchliche Welt.

Aber in der katholischen Kirche haben Priester eine zentrale Rolle.

Mersch: Auch hier sind wir wieder bei der Haltung; und zwar unter anderem der der Priester: Wer von ihnen außerhalb von Eucharistiefeiern an keinem Gottesdienst teilnimmt, der setzt mit diesem Denken das falsche Zeichen.

Wirkt die Bistumsleitung auf eine Änderung hin?

Mersch: Ich denke schon, dass die Bistumsleitung und viele andere gute Zeichen setzen. Dennoch sind wir alle, und sicherlich besonders viele Priester, in einer anderen Wirklichkeit aufgewachsen. Es gilt, gemeinsam sowohl in der Liturgie als auch in der Leitung der Seelsorgeräume und Angebote mehr Partnerschaftlichkeit und Gleichberechtigung zu entwickeln.

Hilkenbach: Die Bistumsleitung hat mit der Leitung der Seelsorgeräume durch ein Trio eine solche Vorgabe gemacht. Es muss klar sein, dass diese Leitung im Dreierteam gemeinsam mit den Gremien gelebt wird und nicht doch der leitende Pfarrer alleine agiert.

Mersch: Auch die Ehrenamtlichen müssen da eingebunden sein. Dazu gehört, dass sie einen bestimmten Verantwortungsbereich haben. Es geht also nicht mehr um Information, sondern um Integration der Laien.

Ist der Bistumsprozess so etwas wie die „letzte Chance“?

Hilkenbach: Es ist ja nicht so, dass vorher alles nicht geklappt hat! Aber wir sind in einer entscheidenden Phase, das stimmt.

Mersch: Ich frage mich: Die letzte Chance wofür? Ich würde anders darauf schauen: Es ist das Richtige für die Menschen, die jetzt da sind, die jetzt zur Kirche gehören. Wir tun jetzt etwas, von dem wir überzeugt sind, dass es unsere Kirche in den kommenden Jahren gut gestaltet. Dann muss man neu entscheiden. Jetzt sollten wir den Anspruch haben, es wirklich gut zu machen.

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