
Ökumenische Normalität und vertane Chance
Insgesamt sechs Veranstaltungen zählt die „Podienreihe Ökumene“ während des Deutschen Evangelischen Kirchentags in Hannover.
Auffallend dabei: Manche großen ökumenischen Themen der letzten Jahrzehnte spielen im Programm des Hannoverschen Kirchentags keine Rolle mehr. Die Zulassung von Christen anderer Konfessionen zur Eucharistie, der Umgang mit konfessionsverschiedenen Paaren oder die in diesen Tagen durchaus aktuell gewordene Frage, wie die evangelischen Kirchen mit dem Papstamt umgehen, finden sich im Programm des Kirchentags nicht mehr.
Dass man beim Zweiten Ökumenischen Kirchentag in München 2010 extra die orthodoxe Artoklasie ins Programm des Christentreffens hob, um ein gemeinsames und ökumenisch unschädliches Ritual des Brotbrechens feiern zu können, setzt sich auf dem evangelischen Kirchentag nicht fort. Statt dessen werden eine ganze Reihe Abendmahlsgottesdienste gefeiert. Auch zusammen mit Gemeinden, deren Kirchen eine Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft oder wenigstens eine gastweise Einladung zum Abendmahl mit der EKD oder den in der VELKD zusammengeschlossenen Lutheranern praktizieren – also Methodisten, Anglikanern und Altkatholiken.
Podien und Bibelarbeit
Jenseits der Beschäftigung mit der Ökumene an sich gibt es auf dem Kirchentag zudem zahlreiche ökumenisch besetzte Podien und Bibelarbeiten. Eine ganze Reihe katholischer Bischöfe geben sich die Ehre, vom Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, dem Limburger Bischof Georg Bätzing, bis zum katholischen Ortsbischof Heiner Wilmer aus Hildesheim.
Die Orthodoxie wiederum wird vor allem vom griechisch-orthodoxen Bischof Emmanuel von Christopoulos vertreten, der etwa am zentralen ökumenischen Gottesdienst am 1. Mai teilnahm und eine Dialogbibelarbeit mit Diakonie-Direktor Rüdiger Schuch hält.
Der wohl ungewöhnlichste ökumenische Gottesdienst des Kirchentags findet dabei am Freitag vormittag statt. Unter dem Titel „Heff Mood, wees stark, wies dien hart“ gestalten der „Arbeitskrink Plattdüütsch in de Kark“ aus Rehburg-Loccum und der „Arbeitskrink Plattdüütsch in de Nordkark“ aus Bredstedt einen Gottesdienst, in dem Hannovers Bischof Ralf Meister und Wilmer gemeinsam die Predigt halten werden.
Doch auch ein Podium zum Ehren- und Hauptamt in den Kirchen unter dem Titel „Die Bischöfin hat erst abends Zeit“, Veranstaltungen zum Umgang mit Rechtsextremismus oder zum Umgang mit dem Glauben junger Menschen sind ökumenisch besetzt. Die Liste ließe sich fortsetzen – es ist mittlerweile eher ungewöhnlich, wenn ein Podium keinen Vertreter einer anderen Konfession dabei hat.
Bemerkenswert ist, wer fehlt
Bemerkenswert freilich ist nicht nur, wer beim Hannoverschen Kirchentag alles dabei ist. Bemerkeswert ist auch, wer fehlt. Denn Hannover ist nicht nur der Sitz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) oder der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), die sich ebenfalls am Kirchentag beteiligt. Hannover ist seit 2014 auch Sitz der Reformierten Weltgemeinschaft, der 230 evangelisch-reformierte Kirchen mit 80 Millionen Mitgliedern angehören.
Doch während die reformierten Kirchen Deutschlands zusammen mit den lutherischen „Küstenkirchen“ aus Oldenburg und Bremen in der Evangelisch-Reformierten Kirche Hannover an der U-Bahn-Station Waterloo ein eigenes Zentrum gestalten, sucht man jeden Hinweis auf die Existenz der Weltgemeinschaft im Kirchentagsprogramm vergebens. Was im Blick auf den Veranstaltungsort Hannover wohl nichts weniger als eine vertane Chance ist.