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12.08.2025
Maurizio Carosi, Gastwirt in Castel Gandolfo.
Foto / Quelle: Sabine Kleyboldt/KNA

Meine Nachbarn, die Päpste

Wirt Maurizio aus Castel Gandolfo erzählt: Lilie für Paul VI., Shake-Hands mit Leo und ein Korb von Franziskus.

Castel Gandolfo

Seinen ersten Papst-Moment hatte Maurizio mit elf: „Ich war der Größte in meiner Klasse, deshalb hat mich der Rektor ausgewählt, dem Heiligen Vater eine Lilie zu überreichen.“ Das war 1968, Paul VI. weihte in Castel Gandolfo die nach ihm benannte Schule ein – „ein wunderbarer Moment“. Viele Päpste und noch mehr denkwürdige Momente in Maurizios Leben sollten folgen.

Paul VI., Johannes Paul II., Benedikt XVI., Franziskus und jetzt Leo XIV. – Maurizio Carosi (68) hat sie alle kennengelernt. Denn er ist Chef der Weinstube „L’Emporio“ samt Souvenirladen in Castel Gandolfo, jenem 8.600-Seelenort in den Albaner Bergen, wo die meisten Päpste seit rund 400 Jahren ihren Urlaub zu verbringen pflegten. Lediglich der „33-Tage-Papst“ Johannes Paul I. schaffte es 1978 nicht bis in das Refugium am blau-grünen Bergsee. Und von Papst Franziskus wird noch zu reden sein.

„Paul VI. ließ hier sogar eine Siedlung mit Sozialwohnungen bauen, er hat viel für Castel Gandolfo getan.“ Maurizio sitzt im Hinterzimmer seines Lokals und blättert stolz in einem großen Bildband – „selbstgemacht“ – voller Fotos und Geschichten. Er durfte sogar Ministrant bei Papstmessen sein. „Das wollten alle Jungs gerne machen: das Kreuz tragen, die Glocken zur Wandlung läuten und all das.“

Maurizio Carosi, Gastwirt in Castel Gandolfo, der fünf Päpste getroffen hat, zeigt in einem Fotoalbum mit Papst-Erinnerungen auf ein Foto seines Treffens mit Papst Benedikt XVI.
Foto / Quelle: Sabine Kleyboldt/KNA

Dann wird der Wirt etwas wehmütig. „Am 15. August 1977 hat Paul VI. seinen Tod prophezeit“, erinnert er sich. „Ich merke, wie meine Kräfte schwinden, wer weiß, ob ich nächstes Jahr noch mit Ihnen hier sein werde“, habe der knapp 80-jährige Giovanni Battista Montini gesagt. Und tatsächlich: Am 6. August 1978 starb Paul VI. – in Castel Gandolfo.

Dann kam Johannes Paul II. „Er war ein Vulkan!“, sagt der Wirt begeistert. Schon Karol Wojtylas erster Auftritt als frisch gewählter Papst sei „ein Triumph“ gewesen: „Er stellte sich auf das Trittbrett seines Wagens und winkte den Menschen zu, er war einfach spontan und authentisch, er konnte sowas“, findet der Vater von drei erwachsenen Kindern. „Einmal waren wir in der Papstresidenz, mein kleiner Sohn war etwas verlegen, heute ein 1,96-Mann“, schwelgt Maurizio. „Wir wussten nicht, wann wir gehen sollten.“ Dann habe Wojtyla ganz schlicht „Arrivederci“ gesagt, mit seiner typischen tiefen Stimme. „Er war irgendwie einer von uns.“

In seinem Buch finden sich viele Fotos seiner Begegnungen mit den Stellvertretern Christi auf Erden. „Naja, da waren meine Haare noch nicht so grau“, zeigt er schmunzelnd auf ein Bild, das ihn zusammen mit Benedikt XVI. zeigt. Der Papst aus Deutschland sei ein sehr feiner Mensch gewesen. „Einmal war ich bei ihm, damit er ein großes Bronze-Medaillon segnet, das wir bei einem Künstler anlässlich des 25. Todestags von Paul VI. in Auftrag gegeben haben“, berichtet Maurizio. „Einer seiner Mitarbeiter wollte uns loswerden, aber der Papst hat weiter freundlich Fragen gestellt, so waren wir eine gute Viertelstunde bei ihm.“

Und Papst Franziskus? Maurizios Augen werden traurig, wenn er an die seltsame Begegnung im August 2013 denkt. Franziskus, seit fünf Monaten im Amt, hatte auf der Piazza die Messe zu Mariä Himmelfahrt gefeiert und war vermeintlich längst zurück im Vatikan. Da klingelten aufgeregte Vatikan-Polizisten an Maurizios Tür: „Schnell, schließ die Kirche auf, der Papst will sie besichtigen“, hätten die Männer gesagt. „Was habt Ihr denn getrunken?“, fragte der Gastwirt, damals zugleich Küster im Ort. Schließlich glaubte er ihnen und führte Franziskus durch die benachbarte Pfarrkirche San Tommaso da Villanova.

„Am Ende sagte ich: Heiliger Vater, wir hoffen, Sie bald in Castel Gandolfo wiederzusehen.“ Franziskus erwiderte: nichts. „Ich bin mit diesem Wunsch dagestanden die ganzen Jahre, es blieb ein Wunsch“, sagt er immer noch nachdenklich. Der argentinische Papst verbrachte auch den römischen Hochsommer im Vatikan, in der Sommerresidenz ließ er ein Museum einrichten. „Wir waren wie Waisenkinder hier in Castel Gandolfo, aber jetzt haben wir einen Heiligen Vater, der sich für uns interessiert“, spielt er auf Leo XIV. an.

Zwischen Souvenirs stehen Fotos des Gastwirts Maurizio Carosi mit Päpsten in einem Souvenirladen in Castel Gandolfo (Italien).
Foto / Quelle: Sabine Kleyboldt/KNA

Seit Robert Francis Prevost (69), erster US-Amerikaner im Papstamt, im Juni erstmals Castel Gandolfo besuchte, sind die Castellani selig vor Glück. An Maurizios Hauswand hängt noch immer das Transparent „Benvenuto Santo Padre Leone XIV“. Bei Leos erster Messe in der Pfarrkirche durfte der Wirt, ein bedeutender Mann im Ort, ihm die Hand schütteln. „Leo ist nicht so gesprächig“, so seine Analyse. „Aber wenn er kleine Kinder in der Menge sieht, segnet er sie mit großer Liebe und Freundlichkeit.“ Von seinen Bewegungen her erinnere ihn Leo an den kraftvollen Wojtyla der Anfangsjahre, doch wirke er fast schüchtern wie Joseph Ratzinger.

„Wenn der Papst hier ist, profitiert die Wirtschaft in der ganzen Region“, sagt der erfahrene Gastronom. Als Leo Anfang Juli dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj von seinem Balkon aus die herrliche Aussicht auf den See zeigte, habe wieder einmal die ganze Welt zugeschaut. Und schon von Mittwoch bis – mindestens – Sonntag (13.-17. August) wird Leo XIV. wieder ein paar Tage hier sein. „Mehr muss er gar nicht machen, das reicht uns schon.“

KNA
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