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12.04.2024
Blick auf die Grabeskirche mit Baugerüsten, am 10. April 2024 in Jerusalem (Israel).
Foto / Quelle: KNA

Jerusalemer Grabeskirche bleibt Dauerbaustelle

Trotz des Nahost-Kriegs wird an der heiligsten Stätte der Christenheit weiter gearbeitet. Allerdings hat sich der Zeitplan für die Sanierung verschoben.

Jerusalem

Die Jerusalemer Grabeskirche ist und bleibt eine Dauerbaustelle. Nur das Ausbleiben der ausländischen Pilger und Besucher infolge des Gaza-Kriegs hat in den katholischen Kar- und Ostertagen ein Chaos an den heiligsten Stätten der Christenheit verhindert. Das dürfte ebenso noch gelten, wenn die Orthodoxen nach altem Julianischen Kalender ihr Hochfest der Auferstehung Christi am 5. Mai feiern, und davor Gründonnerstag und Karfreitag.

In dieser fast einmonatigen Osterzeit laufen die gemeinsam koordinierten Restaurierungs- und Sicherungsarbeiten an dem Gotteshaus, zu denen israelische Behörden die getrennten Christen 2016 wegen Baufälligkeit und Instabilität gedrängt hatten, auf Sparflamme. Denn unter dem Kirchenboden mit zu dünnen und teils stark beschädigten Platten befinden sich an vielen Stellen Löcher und Verwerfungen. Die Kirche steht auf einem unterschiedlich abgetragenen Steinbruch, manche Bereiche liegen direkt auf dem gewachsenen Felsen auf, bei anderen sind dazwischen eine bis zu fünf Metern dicke Erd- und Schuttschicht, oder eben Hohlräume.

Lästige Kompromisse

Für die Osterzeit wurden beide Kirchenportale vorübergehend wieder geöffnet und der zuvor gesperrte Rundgang durch das Gotteshaus provisorisch freigemacht. Mit lästigen Kompromissen. Die israelischen Behörden hatten für die Bauphase einen feuersicheren provisorischen Boden vorgeschrieben. Der aber wäre für die Transportfahrzeuge mit den schweren Steinplatten zu schwach gewesen. Woraufhin deren Routen zusätzlich mit einem besonderen Schutzblech ausgelegt wurden – das aber bei jedem Fußtritt lautes Knarzen verursachte und die Kar- und Ostergottesdienste am Heiligen Grab trotz der überschaubaren Pilgerzahlen störte.

Nach den Ostertagen wird nun der linke Türflügel des schweren, 200 Jahre alten Kirchenportals geschlossen, zusätzlich gesichert und der dahinter liegende Eingangsbereich bearbeitet. Auch hier werden die Bodenplatten einzeln herausgenommen, nummeriert, gesichtet, repariert oder erneuert, wofür im hinteren Kirchenbereich eine laute Steinschneide-Maschine aufgestellt ist.

Bevor der Boden des Gotteshauses mit der Kreuzigung-, Grablegungs- und Auferstehungsstätte Christi wieder für vermutliche lange Zeit versiegelt wird, untersuchen Archäologen der römischen Sapienza-Universität den Untergrund. Sie versuchen, die Vor- und Baugeschichte zu erhellen. Die begann vor 1.300 Jahren mit Kaiser Konstantin. Und nach manchen Zerstörungen und Wiedererrichtungen erhielt das Gebäude in der Kreuzfahrerzeit seine heutige Form.

Interessante Details zur Baugeschichte

Schon die bereits abgeschlossenen Arbeiten rund um die statisch besonders gefährdete Grabkapelle ergaben interessante Details zur Baugeschichte: Der römische Kaiser Hadrian hatte um das Jahr 135 die Grabstätte mit einem Venus-Monument überbaut, so wie er über der traditionellen Kreuzigungsstätte ein Jupiter-Heiligtum errichtete.

Jetzt warten die kirchlichen Auftraggeber gespannt auf den dritten Bericht der Historiker und Archäologen, welche antiken Reste insbesondere aus der Römerzeit sie unter dem viele hundert Jahre verschlossenen Boden entdeckt haben. Unterdessen soll die Liturgie an der heiligsten Stätte der Christenheit weitergehen, wie es der vor 160 Jahren eingefrorene Status quo vorschreibt. Eine komplette Schließung des Gotteshaus, wie es bei einem solchen Bauprojekt sinnvoll gewesen wäre, wollten die Griechen, Katholiken, Armenier, Kopten und Syrer unbedingt vermeiden. Daher die schrittweisen Arbeiten in einzelnen Bereichen.

Mönche, Archäologen und Bauarbeiter sind sich nicht einig, wie sehr der Nahost-Krieg den Zeitplan der Renovierungsarbeiten verschoben hat. Die Experten aus Rom mussten nach dem 7. Oktober erst einmal ausreisen, kehrten aber nach zwei Monaten zurück. Ursprünglich sollten die Arbeiten zum Jahresende abgeschlossen sein. Rechtzeitig zu Beginn des Heiligen Jahres, zu dem viele Pilger nicht nur Rom, sondern gerne auch das Heilige Land besuchen. Jetzt meinen Mönche achselzuckend, „zu Ostern“ könnte es soweit sein – wobei sie augenzwinkernd das Jahr offenlassen.

Einen klaren Zeitplan gibt es indes für den katholischen Kreuzigungsaltar aus der Golgota-Kapelle. Er wurde zu Wochenbeginn abgebaut, um ihn an seiner ursprünglichen Fertigungsstätte in Florenz zu restaurieren. Nach mehreren Ausstellungsetappen soll er zum Karfreitag 2025 wieder an seinem Platz stehen.

(KNA)

Hintergrund

Die Grabeskirche in der Jerusalemer Altstadt zählt zu den wichtigsten Orten der Christenheit. Christen verehren dort den Ort der Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung Jesu. Orthodoxe Christen sprechen deshalb auch nicht von Grabeskirche, sondern von Auferstehungskirche (Anastasis). Jährlich ist die Kirche Ziel Hunderttausender Besucher.

Nach Erkenntnissen der modernen Archäologie spricht vieles dafür, dass Jesu Grab auf dem Gelände der Kirche gelegen haben kann. Anders als heute lag das Grundstück vor 2.000 Jahren außerhalb der Stadtmauern. Die erste Kirche an dieser Stelle wurde unter Kaiser Konstantin im Jahr 335 geweiht. Nach Zerstörungen im 7., 11. und 19. Jahrhundert kam es jeweils zu Wiederaufbauten und Ergänzungen. Dabei entstand ein unübersichtliches Gewirr aus kleineren Kirchen, Kapellen und Anbauten, in denen der einzelnen Ereignisse der biblischen Berichte gedacht wird.

Prägend für den heutigen, überwiegend hellenistischen Baustil waren Veränderungsmaßnahmen im 12. und im 19. Jahrhundert, nachdem 1808 ein Feuer die Rotunde über der mutmaßlichen Grabstelle zerstörte. Insgesamt erstrecken sich die Gebäudepartien über eine Fläche von etwa 100 mal 120 Metern; nicht alle sind zugänglich. Die Grabeskirche ist heute gemeinsamer Besitz verschiedener Konfessionen. Die größten Teile entfallen auf griechisch-orthodoxe, westlich-katholische (lateinische) und armenische Christen. Wenige Partien gehören koptischen, syrischen und äthiopischen Orthodoxen.

Immer wieder gab es zwischen den Konfessionen Streit um Ausgestaltung oder Nutzung des Gotteshauses. Deshalb schreibt seit 1852 ein von den damals osmanischen Machthabern erlassener sogenannter Status quo die jeweiligen Ansprüche fest. Kurz vor ihrem Abzug errichteten die Briten 1947 noch ein Stahlkorsett um das Heilige Grab. Dieses wurde bis März 2017 abgebaut und der Bau statisch gesichert. Auch in anderen Teilen der Kirche wird derzeit der Renovierungsstau angegangen.

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