3 Min.
14.06.2025
Bergung von Konstruktionshölzern aus der Brunnengrube.
Foto / Quelle: EggensteinExca/S. Knippschild

Gruben, Brunnen und ein Grab

Große Ausgrabung in Delbrück-Bentfeld abgeschlossen.

Delbrück

In Delbrück-Bentfeld untersuchte eine archäologische Fachfirma, begleitet vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), eine Fundstelle mit Siedlungsspuren aus den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt. Seit November 2024 wurde hier ausgegraben, nun sind die Arbeiten beendet und die Erkenntnisse, die die Untersuchung des Baugebietes an der Schafbreite bereits jetzt liefern, können sich sehen lassen: Insgesamt erfassten die Expertinnen und Experten rund 400 archäologisch relevante Befunde, darunter zahlreiche Pfostengruben, unter denen sich zwei Gebäude sicher zu erkennen gaben, zwei Grubenhäuser und verschiedene andere Formen von Gruben sowie zwei Brunnen und ein Brandgrab. Zudem wurden 750 Einzelfunde aus der alten, unter einem mächtigen Eschboden erhaltenen Kulturschicht geborgen, allein 600 davon aus Metall.

Nicht nur Siedlungsstelle, auch Bestattungsort

Dr. Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld, LWL-Archäologie für Westfalen betont zudem: „Auffällig ist die Parallele mit einem Platz in Salzkotten-Scharmede, wo 2016 Siedlungsspuren des 1. bis 4. Jahrhunderts zutage getreten waren und die Menschen ebenfalls Zugang zur römischen Sachkultur hatten. Plätze wie diese helfen uns, immer besser zu verstehen, wie die Menschen der Region in der Zeit der Ankunft der Römer und in den nachfolgenden Jahrhunderten lebten und wirtschafteten, über welche überregionalen Kontakte und Verbindungen sie verfügten und wie sich das Siedlungsgefüge in der Völkerwanderungszeit veränderte.“

Als echte archäologische Sensation erwies sich in der Endphase der Ausgrabung schließlich ein Brunnen. „Anfangs gingen wir von einer sehr flach angelegten, trichterförmigen Senke aus, die als Viehtränke gedient haben könnte“, erläutert Grabungsleiter Sven Knippschild. Bei der weiteren Ausgrabung zeigte sich dann aber eine durch typische Keramik in die Völkerwanderungszeit datierte Baugrube, in der sogar noch einige Konstruktionshölzer und Flechtwerkreste erhalten waren, und eine aus drei Baumstammteilen zusammengesetzten Brunnenröhre von über einem Meter Durchmesser.

Aus dem schwarzen Holzkohleband über der Brunnenröhre stammt diese mit 3,8 cm Durchmesser sehr große Glasperle mit eingearbeiteten weißen Glasfäden. Nach erster Einschätzung stammt sie etwa aus dem 1. Jahrhundert, gelangte aufgrund der Datierung des Brunnens aber offenbar erst rund 300 Jahre später in den Boden.
Foto / Quelle: LWL-Archäologie für Westfalen/A. Madziala

„Die organische Erhaltung war tatsächlich so gut, dass wir außer Hölzern auch einen Lederrest und an einer Stelle sogar noch einen Insektenflügel bergen konnten“, berichtet Knippschild weiter. Völlig außergewöhnlich und für die Völkerwanderungszeit Westfalens einzigartig war dann am letzten Grabungstag noch der Fund eines Balkenstückes mit verschiedenen Bearbeitungsspuren. „Das Balkenstück war sicher ehemals an einem Haus verbaut und wurde später für die Brunnenkonstruktion recycelt“, beschreibt Knippschild den Fund. Als große Besonderheit zeigt der Balkenrest außerdem einige zeichenartige Ritzungen. Ihrer möglichen Bedeutung sollen weitere Untersuchungen nachgehen.

Es scheint zudem, als könne ein Zusammenhang zwischen der Aufgabe des Brunnens und der Anlage des Brandgrabes bestehen, denn über der Brunnenröhre lag eine holzkohlehaltige Schicht, die viele kleinteilige verbrannte Knochenstückchen enthielt, bei denen es sich ebenfalls um Leichenbrand handeln könnte. Wurde die Brunnenmulde vielleicht als Verbrennungsplatz genutzt, aus dem die Überreste eines (oder mehrerer) Verstorbener dann nicht vollständig ausgelesen worden waren? Hinweise darauf könnten auch in der Holzkohleschicht gefundene Reste zweier kleiner Glasperlen aus durchsichtigem bzw. blauem Glas sowie eine sehr große Perle aus grünem Glas sein, bei denen es sich um nicht ausgelesene Beigaben gehandelt haben könnte.

Weitere Untersuchungen

Zusätzlich zur Fertigstellung der Grabungsdokumentation und der Aufbereitung des Fundmaterials stehen nun auch verschiedene naturwissenschaftliche Analysen an. Neben dendrochronologischen Untersuchungen der Holzreste und Radiokarbonanalysen an Holzkohlen zur genaueren Altersbestimmung der Befunde sowie der anthropologischen Untersuchung der verbrannten Knochenreste soll etwa auch ein Teil der Erde aus der Brunnenröhre archäobotanisch untersucht werden, um dadurch erste Informationen über die Landschaft rund um Bentfeld vor gut 1.600 Jahren zu gewinnen. „So lassen sich möglicherweise Veränderungen in der Vegetation, der Landschaft und der Besiedlung zwischen der Zeit um Christi Geburt und um 400 n. Chr. erkennen“, erläutert Dr. Julia Hallenkamp-Lumpe von der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie für Westfalen.

Schrägansicht der aus drei Baumstammsegmenten zusammengesetzten Brunnenröhre.
Foto / Quelle: EggensteinExca/S. Knippschild

Mit der Auswertung der Ausgrabung in Bentfeld werden die Archäologinnen und Archäologen weitere Erkenntnisse zu diesem außergewöhnlichen Fundplatz und seiner Umgebung gewinnen. „Besonders der Brunnen mit der ihn überlagernden Holzkohleschicht ist dabei eine herausragende Quelle“, betont Sven Spiong die Bedeutung dieses für die Region einmaligen Befundes

Nachdem die Ausgrabungen nun beendet sind, kann die Erschließung des neuen Baugebietes beginnen. „Hierüber sind wir natürlich sehr froh,“ bestätigt Bürgermeister Werner Peitz, und betont zugleich: „Es war uns aber natürlich auch sehr wichtig, dass mit der Ausgrabung an der Schafbreite eine weitere überregional bedeutende Fundstelle auf Delbrücker Boden fachgerecht dokumentiert und die aus ihr zu gewinnenden Erkenntnisse und Funde so für die Zukunft erhalten werden konnten.“

LWL
0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen