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20.08.2025
Eine Blume lehnt an einer Stele mit Namen von Verstorbenen auf einem Urnen-Gräberfeld auf dem Roggendorfer Friedhof in Mechernich.
Foto / Quelle: Harald Oppitz/KNA

Friedhöfe erfinden sich neu

Vom Ort der Trauer zur lebenswerten Ruheinsel.

Köln / Hamburg

Deutsche Friedhöfe schrumpfen. Große Flächen stehen leer, den Betreibern fehlt es an Geld. Brian Wonner-Müschenborn, Vorsitzender des Stadtverbandes Köln im Bestatterverband Nordrhein-Westfalen, warnte daher nun im ARD-Morgenmagazin davor, dass Friedhöfe zunehmend „verwahrlosen“. Betreiber von Friedhöfen widersprechen allerdings.

„Wir können den dystopischen Blick auf Friedhöfe überhaupt nicht teilen“, sagt Tobias Pehle, Vorsitzender des Kuratoriums Immaterielles Erbe Friedhofskultur, auf Nachfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er sieht in den freistehenden Flächen schon jetzt Ruheinseln, vor allem in Städten. „Im urbanen Raum finden wir in Friedhöfen eine enorme Biodiversität, mit geringen Eingriffen in die Bodenstruktur.“

Verbindender Ort der Erinnerung

Seit fünf Jahren ist die deutsche Friedhofskultur immaterielles Unesco-Kulturerbe. Mit ihr seien „besonderes Wissen und Fertigkeiten in den Bereichen Bestattung, Landschaftsplanung, Gärtnern und Steinmetzhandwerk verbunden“, heißt es von der Weltkulturorganisation zur Begründung. Die Grabstelle habe sich „zum Ort der Erinnerung entwickelt, der oft gemeinschaftlich aufgesucht und gepflegt wird“.

Laut der Verbraucherinitiative für Bestattungskultur Aeternitas wird heute beinahe die Hälfte der rund 35.000 Hektar Friedhofsfläche in Deutschland nicht für Bestattungen genutzt. Die meisten Menschen lassen sich einäschern: Der Anteil von Urnenbestattungen liegt heute bei etwa 70 Prozent. Noch vor 30 Jahren waren dagegen klassische Gräber nach Erdbestattungen in der Mehrheit. Immer mehr Menschen bevorzugen heute außerdem alternative Formen wie Waldbestattungen. Der Platzbedarf auf Friedhöfen ist dadurch stark gesunken.

Bröckelnder, gekippter Grabstein, dahinter verwitterte Grabsteine auf einer zugewucherten Wiese mit hohem Gras auf einem Friedhof in Bonn.
Foto / Quelle: Julia Steinbrecht/KNA

Bestattungskultur habe auch gesellschaftlich an Bedeutung verloren, sagt Pehle. „Früher hat man den Friedhof oft noch mit der Familie besucht. Heute haben viele Menschen keine direkte Erfahrung auf dem Friedhof.“ In der Stadt werden Friedhöfe stattdessen zu Naturräumen und Ruheorten. Der Friedhof Ohlsdorf in Hamburg gilt als der größte in Europa – und wirbt mit seiner Grünfläche sowie rund 450 Nadel- und Laubgehölzarten als „Frischluftlieferant“. Laut Naturschutzbund NABU finden vor allem Tierarten wie Eidechsen, Waldmäuse und Igel auf den bewachsenen Flächen Schutz.

Friedhöfe erhalten sich nicht selbst

Friedhöfe haben allerdings immer mehr Schwierigkeiten, die Kosten für die Erhaltung zu tragen. Allein für die Pflege von sogenannten Überhangflächen fallen deutschlandweit pro Jahr 300 bis 350 Millionen Euro an. Brian Wonner-Müschenborn schlägt deshalb vor, Friedhöfe auch als Kulturräume zu nutzen, etwa für Konzerte, Theater oder Trauergärten.

Pehle weist darauf hin, dass Friedhöfe schon jetzt vielerorts auch kulturell genutzt würden, zum Beispiel mit Musikveranstaltungen und Stadtführungen. „Friedhöfe sind eine einzigartige Verbindung von Naturraum und Kulturraum“, sagt Pehle und verweist auch auf historische Denkmäler. Er fordert eine Neubewertung von Friedhöfen – und mehr Unterstützung von den Kommunen. „Städte haben oft die Vorstellung, dass sich Friedhöfe selbst erhalten“, sagt Pehle. „Je weniger Gräber wir aber haben, desto weniger Geld haben wir auch, um freistehende Flächen zu pflegen.“

KNA
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