Ein Plakat mit der Aufschrift "Belém Capital da COP30" (Belém Hauptstadt der COP30).
Foto / Quelle: Tobias Käufer/KNA

Experten zweifeln an Brasiliens Klimakurs

Vom 10. bis 21 November lädt Brasilien zur Klimakonferenz in Belém ein. Das Land will sich zum Vorkämpfer gegen den Klimawandel aufschwingen.

Belém

Brasilien wollte kurz vor Start der Klimakonferenz COP30 mit Milliardeninvestitionen in den Umweltschutz eine Marke setzen. Jedoch konnten nur 5 Milliarden US-Dollar für einen Regenwald-Fonds auf dem COP-Vorbereitungsgipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag eingesammelt werden. Das lässt befürchten, dass auf der Klimakonferenz ab Montag in Belém die Frage der Finanzierung wieder einmal der große Knackpunkt sein wird.

Der „Tropical Forests Forever Facility“ ist ein multilateraler Fonds zum weltweiten Schutz gefährdeter Wälder. Norwegen versprach drei Milliarden Dollar, Frankreich und Indonesien je 500 Millionen Dollar und Brasilien eine Milliarde Dollar. Brasiliens Medien erwarten, dass Bundeskanzler Friedrich Merz am mit einem 500-Millionen-Dollar-Scheck in Belém landet – und werden wohl enttäuscht werden. Überhaupt hatte Brasilien mit Zusagen von 25 Milliarden Dollar von den Regierungen gerechnet. Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen 100 Milliarden Dollar aus dem privaten Sektor dazukommen. Doch die Flagschiff-Initiative des Gastgebers für die Klimakonferenz droht an der mangelnden Finanzierung zu scheitern.

Finanzierung seit 1992 offen

Die Frage, wer wie viel zur Rettung des Klimas zahlen müsse, sei seit der ersten Klimakonferenz 1992 in Rio de Janeiro offen, bilanziert der ehemalige brasilianische Umweltminister Rubens Ricupero, der damals genau diesen Punkt auszuhandeln versuchte. Die Bilanz seitdem sei ernüchternd. So beginne nun bereits die dreißigste Klimakonferenz, ohne dass man zu befriedigenden Ergebnissen gekommen sei, sagt Ricupero im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Die aktuelle Ausgangslage mache wenig Hoffnung. „Die USA negieren die Klimakrise und sind erst gar nicht in Belém.“ Zudem gebe es Kriege und Konflikte wie in der Ukraine und in Gaza, weshalb der Klimaschutz keine Priorität mehr habe.“ Auch wenn die Welt immer näher an die Kipppunkte des Klimas rücke, also die, ab denen es keine Umkehr mehr gibt. „Das beste Ergebnis, das wir erwarten können, ist, dass der Prozess des Klimaschutzes überhaupt am Leben gehalten wird“, so Ricupero. Die Abwesenheit der USA dürfe nicht zu einer Lähmung führen. Länder der EU und aus Asien müssten einspringen und ambitioniertere Ziele zur Reduzierung von Treibhausgasen vorlegen.

Blick in den Regenwald im Amazonas-Gebiet am Rio Tapajos.
Foto / Quelle: Tobias Käufer/KNA

Dass Brasilien wie von Präsident Lula geplant zum Vorreiter der globalen Klimapolitik werden könne, bezweifelt Ricupero. „Das kann er nicht, weil er dafür den anderen beweisen müsste, dass er mehr macht als sie.“ Zwar produziere Brasilien viel saubere, erneuerbare Energie und konnte zuletzt die Rodungen in Amazonien reduzieren. Aber bisher gebe es keinen überzeugenden Plan, wie die Wälder langfristig geschützt werden sollen. „Allerdings könnte ich auch kein anderes Land der Welt nennen, was als Modell taugt.“

Alarmierende Nachrichten

Am Vortag des Minigipfels war bekannt geworden, dass die Amazonasregion 2024 eine Erwärmung von 1,5 Grad zum vorindustriellen Niveau überschritten habe – die im Pariser Klimaabkommen von 2015 festgelegte Obergrenze. Man laufe Gefahr, den Amazonaswald zu verlieren, warnten Wissenschaftler.

Präsident Luiz Inácio Lula da Silva versuchte, positiv gegenzusteuern. Es sei noch möglich, die Erderwärmung zu stoppen, sagte er am Donnerstag. Dafür müsste die Abholzung reduziert und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen überwunden werden. Das klang seltsam, hatte Lula doch erst vor wenigen Wochen Bohrungen nach Öl und Gas vor der Küste Amazoniens durchgedrückt – gegen den Widerstand brasilianischer Umweltorganisationen.

„Das hat die Regierung furchtbar schlecht getimt“, meint Sergio Leitão von der Organisation Instituto Escolhas. Brasilien habe zudem keinen Plan, wie und wann der Übergang zu sauberen Energien beginnen soll. „Es wird geredet, aber nicht gehandelt.“ Andererseits habe keine Regierung weltweit bisher einen schlüssigen Plan dazu vorgelegt. „Derzeit setzt die ganze Welt auf fossile Treibstoffe und verschlimmert damit die Klimakrise“, sagt Leitão der KNA.

Blick auf Belém (Brasilien), Austragungsort der UN-Klimakonferenz COP30.
Foto / Quelle: Tobias Käufer/KN

Trotz aller berechtigter Kritik habe die Lula-Regierung jedoch eine starke Umweltagenda. Sie habe sie die Kontrollmechanismen in Amazonien, die von Vorgänger Jair Bolsonaro ausgehebelt worden waren, wieder eingesetzt. Oder konnte einen großen Rückgang illegaler Aktivitäten wie der Goldförderung in Amazonien erreichen. Nun müsse sie die Finanzierung jener Aktivitäten unterbinden, die Amazonien zerstören, wie eine auf Rodungen und dem Einsatz von Pflanzengiften basierende Landwirtschaft. „Wenn Brasilien hier seine Hausaufgaben nicht macht, werden die Probleme nicht zu lösen sein“, warnt Leitão.

Allerdings hinkt nach seiner Einschätzung Brasilien hinter den eigenen Versprechen hinterher. So habe man im Pariser Klimaabkommen von 2015 versprochen, 12 Millionen Hektar Wald bis 2030 wieder aufzuforsten. Bisher seien es ernüchternde 200.000 Hektar gewesen. „Da haben wir viel zu schlechte Hausaufgaben gemacht, um als globale Anführer der Klimabewegung gelten zu können“, urteilt Leitão.

Plan für Ende fossiler Treibstoffe

Brasilien ist derzeit der siebtgrößte Emittent von Treibhausgasen, betont Stela Herschmann von der Organisation Observatório do Clima. Die gute Nachricht sei, dass die meisten Abgase aus der Waldvernichtung stammten, die man in den vergangenen Jahren reduzieren konnte. „Aber wir sollten jetzt nicht neue Ölquellen erschließen, denn das hilft uns nicht bei dem Ziel, mittel- und langfristig auf fossile Treibstoffe zu verzichten“, so Herschmann.

Nicht nur riskiere Lula damit das grüne Image seiner Regierung. „Das ist auch ein schlechtes Signal an die Welt, dass man zwar global die Führung im Klimaschutz anstrebt, aber intern das Gegenteil macht.“ Es sei zu hoffen, dass man sich bei der COP auf einen globalen Zeitplan für das Auslaufen der fossilen Treibstoffe einigen kann. „Brasilien kann ja schließlich nicht als erstes und einziges Land aussteigen.“

KNA
0 Kommentare
Älteste
Neuste
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen