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10.10.2025
„Keine belastbaren Hinweise hinsichtlich der Vorwürfe ritueller Gewalt und der beschriebenen organisierten Täternetzwerke im Erzbistum Paderborn.“
Foto / Quelle: Erzbistum Paderborn

Erzbistum Paderborn schafft Transparenz

Erzbistum informiert über ihm bekannte Vorwürfe gegen frühere Erzbischöfe. Aktuelle Untersuchung liefert keine belastbaren Hinweise auf organisierte Täternetzwerke ritueller Gewalt.

Paderborn

Am 9. Oktober 2025 wurde eine von den Bistümern Münster und Essen sowie dem Erzbistum Köln beauftragte Untersuchung zu angeblichen kirchlichen Täternetzwerken ritueller sexualisierter Gewalt veröffentlicht. In dieser Studie wird unter anderem der frühere Paderborner Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt in einer Reihe weiterer hochrangiger Würdenträger als Beschuldigter genannt. Die Untersuchung kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass sich für keinen der Beschuldigten belastbare Hinweise für die behaupteten Taten ritueller Gewalt und ebenso wenig Anhaltspunkte für die Existenz organisierter Täternetzwerke finden lassen. Vor dem Hintergrund, dass damit erstmals eine öffentliche Beschuldigung gegen den früheren Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt im Raum steht, hat das Erzbistum Paderborn entschieden, alle ihm bislang bekannten Vorwürfe gegen ihn sowie gegen den früheren Erzbischof Lorenz Jaeger offenzulegen. Ziel des Vorgehens ist es, Transparenz zu schaffen, bruchstückhafte Berichterstattung zu vermeiden und verlässliche Informationen bereitzustellen. Diese Informationen greifen den Ergebnissen der laufenden Untersuchungen der Unabhängigen Aufarbeitungskommission und der unabhängigen kirchenhistorischen Studie der Universität Paderborn nicht vor.

Insgesamt sind dem Erzbistum nach heutigem Stand drei Vorwürfe gegen Erzbischof Degenhardt und ein Vorwurf gegen Erzbischof Jaeger bekannt.

Eine erste Beschuldigung wurde dem Erzbistum im Jahr 2016 von einem Betroffenen im Rahmen eines Antrags auf Anerkennung des Leids vorgetragen. Der Antrag richtete sich im Kern gegen einen anderen Kleriker sowie einen Laien. Zusätzliche Schilderungen des Betroffenen enthielten jedoch auch einen Hinweis auf ein mutmaßliches Missbrauchsgeschehen durch den damaligen Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt. In einem Folgeantrag im Jahr 2021 erhob der Betroffene nunmehr Vorwürfe gegenüber dem früheren Erzbischof Lorenz Jaeger anstelle von Erzbischof Degenhardt. Das Erzbistum wies den Betroffenen auf diesen Widerspruch hin, woraufhin er schließlich beide früheren Erzbischöfe beschuldigte. Die Schilderungen veränderten sich über die Zeit, waren in sich widersprüchlich und konnten nicht mehr nachgehalten werden. Dieser Vorgang ist Teil der regulären Aufarbeitungsstrukturen des Erzbistums, wurde der Unabhängigen Aufarbeitungskommission übergeben und in die laufende wissenschaftliche Studie der Universität Paderborn eingebracht.

Eine zweite Beschuldigung, die sich gegen den früheren Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt richtet, wurde dem Erzbistum im Jahr 2023 durch den Anwalt eines möglichen Betroffenen mit der Forderung nach einem außergerichtlichen Vergleich zur Kenntnis gebracht. Die schriftlichen Schilderungen stammten von einem durch den Betroffenen beauftragten Heilpraktiker. Das Erzbistum ließ den Fall von einem unabhängigen Gutachter prüfen; dieser stufte die Angaben als wenig plausibel ein. Auch die aktuell veröffentlichte externe Untersuchung der (Erz-) Bistümer Münster, Essen und Köln, die diesen Fall ebenfalls behandelt, kam zu diesem Ergebnis. Das Erzbistum Paderborn wies den möglichen Betroffenen auf das reguläre Anerkennungsverfahren hin; ein entsprechender Antrag wurde bisher nicht gestellt, und auch ein direkter Kontakt zu den Ansprechstellen des Erzbistums kam bislang nicht zustande. Auch dieser Fall wurde vollumfänglich in die bestehenden Aufarbeitungsstrukturen des Erzbistums Paderborn eingebracht.

Eine dritte Beschuldigung, die sich ebenfalls gegen den früheren Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt richtet, ist dem Erzbistum erst im Zuge der gerade veröffentlichten externen Untersuchung der (Erz-) Bistümer Münster, Essen und Köln bekannt geworden. Nach den bislang vorliegenden Informationen, die aus der Studie entnommen werden können, wurde auch dieser Vorwurf von den externen Sachverständigen als nicht plausibel bewertet. Das Erzbistum Paderborn dokumentiert den Fall und wird ihn ebenfalls in seine bestehenden Aufarbeitungsstrukturen einbringen.

Die derzeit bekannten Vorwürfe gegen die früheren Erzbischöfe Jaeger und Degenhardt unterscheiden sich in Qualität und Plausibilität deutlich von den Meldungen, die üblicherweise bei der Interventionsstelle oder den unabhängigen Ansprechpersonen eingehen. Sie sind teils nur unvollständig dargestellt, enthalten widersprüchliche Angaben oder wurden über Dritte und nicht unmittelbar von möglichen Betroffenen eingebracht.

Nach einem verantwortungsvollen, üblichen Maßstab würden solche Vorwürfe durch das Erzbistum Paderborn nicht veröffentlicht. Im vorliegenden Fall wird ausnahmsweise anders verfahren, weil es sich bei den beschuldigten Erzbischöfen um Persönlichkeiten der Zeitgeschichte handelt und durch die kürzlich kommunizierte externe Untersuchung ein aktuelles, berechtigtes öffentliches Interesse entstanden ist. Um Spekulationen vorzubeugen und verlässliche Orientierung zu geben, informiert das Erzbistum deshalb nun gebündelt über alle bislang bekannten Vorwürfe.

Das Erzbistum ist sich bewusst, dass diese Mitteilung angesichts der besonderen Rolle der beiden früheren Erzbischöfe für die Geschichte des Erzbistums und ihres bereits dokumentierten kritischen Verhaltens im Umgang mit Hinweisen auf sexuellen Missbrauch während ihrer Amtszeiten eine Nachricht von besonderer Tragweite ist. Umso mehr ist es den Verantwortlichen ein Anliegen, umfassend Klarheit zu schaffen und so eine verlässliche Grundlage für Orientierung und Auskunftsfähigkeit zu geben.

pdp
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