Erzbischof Heße beendet Reise nach Ägypten
„Richten wir unseren Blick auf die Bedürfnisse der sudanesischen Flüchtlinge!“
Der Vorsitzende der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz und Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg), hat seine Solidaritätsreise nach Ägypten beendet. Sechs Tage standen vor allem Geflüchtete im Fokus des Besuchs. „Auf meiner Reise bin ich zahlreichen sudanesischen Schutzsuchenden begegnet und konnte mit ihnen über ihre Erfahrungen sprechen. Aufgrund des Bürgerkriegs im Sudan sind derzeit mehr als zwölf Millionen Menschen auf der Flucht. Mit schätzungsweise über 1,5 Millionen sudanesischen Geflüchteten ist Ägypten zum größten Aufnahmeland geworden. Die Herausforderungen für Ägypten und die Schwierigkeiten, mit denen sich die Flüchtlinge konfrontiert sehen, sind enorm. Gleichzeitig konnte ich ein großes Maß an Solidarität und Mitmenschlichkeit erleben“, so Erzbischof Heße.
In Kairo tauschte sich der Sonderbeauftragte mit Vertreterinnen und Vertretern der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, der Internationalen Organisation für Migration (IOM), deutscher politischer Stiftungen, der ägyptischen Zivilgesellschaft und des Center for Migration and Refugee Studies der American University in Cairo (AUC) aus. Immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass die starke Flüchtlingsaufnahme in Ägypten auch aufgrund der politischen Entscheidung, keine Flüchtlingslager einzurichten („no camp policy“), nur wenig internationale Aufmerksamkeit findet. Ebenso wurden die Kürzungen internationaler Hilfsleistungen, wachsende Ressentiments gegenüber Geflüchteten sowie künftige Auswirkungen des neuen ägyptischen Asylgesetzes diskutiert.
Im Gespräch mit der UNHCR-Repräsentantin in Ägypten, Dr. Hanan Hamdan, sowie beim Besuch des UNHCR-Registrierungszentrums in einem Vorort von Kairo informierte sich Erzbischof Heße über die herausfordernde Arbeit des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen. Da im sudanesisch-ägyptischen Grenzgebiet keine entsprechende Einrichtung betrieben werden darf, stellt bereits der Weg zum einzigen Registrierungszentrum des Landes eine große Hürde für die Geflüchteten dar: „Die Situation vor und im Zentrum habe ich als bedrückend wahrgenommen. Täglich warten und hoffen Hunderte von Menschen darauf, sich registrieren lassen zu können. Aus den Blicken der Schutzsuchenden sprach oft Erschöpfung, Perspektivlosigkeit und die Last der ungewissen Zukunft. Viele haben auf ihrer Flucht durch Kriegsgebiete und Wüsten Traumatisches erlebt. Manche haben sichtbare, andere unsichtbare Wunden. Die Mitarbeiter der UN und weiterer Hilfsorganisationen sind überaus engagiert, wissen aber auch um ihre begrenzten Möglichkeiten. Ich kann nur an Europa und die Weltgemeinschaft appellieren: Richten wir unseren Blick auf die Bedürfnisse der sudanesischen Flüchtlinge!“
Eindrücke in die Situation der christlichen Minderheit im Land erhielt Erzbischof Heße in Gesprächen mit dem Oberhaupt der koptischen Kirche, Papst Tawadros II., dem koptisch-katholischen Patriarchen Ibrahim Isaac Sidrak, dem römisch-katholischen Bischof Claudio Lurati MCCJ (Apostolischer Vikar von Alexandrien in Ägypten) und dem Chargé d’Affaires der Apostolischen Nuntiatur. In Gesprächen mit den Comboni-Missionaren und Franziskanern ging es vor allem um die pastorale Begleitung sudanesischer Geflüchteter: „Das tatkräftige Engagement für Geflüchtete in den katholischen Pfarreien hat mich tief beeindruckt. Zugleich bin ich berührt, wie stark sudanesische Flüchtlinge sich in kirchlichen Initiativen engagieren und die Gemeinden mit Leben erfüllen. Besonders bewegt hat mich die Begegnung mit einer jungen Frau, die mir von ihrer Verzweiflung auf der Flucht erzählt hat. Neuen Mut konnte sie in einer katholischen Gemeinde finden, wo sich die Menschen gegenseitig unterstützen. Es ist wichtig, dass wir Geflüchtete nicht nur als Empfänger von Hilfe sehen. Es sind Menschen mit großer Stärke und Resilienz, die ihre Zukunft eigenständig gestalten wollen.“
Als zweite Station reiste Erzbischof Heße nach Assuan, rund 300 Kilometer von der sudanesischen Grenze entfernt. Schätzungen zufolge leben dort mehr als 100.000 sudanesische Geflüchtete ohne Registrierung. „Die Situation der Geflüchteten im Süden des Landes ist besonders prekär. Da sie sich vor Ort nicht registrieren lassen können, haben sie keinen Zugang zum staatlichen Gesundheitsweisen, zu Bildung oder Arbeit.“ In Assuan konnte der Erzbischof Projekte der Catholic Relief Services (CRS) und der Caritas Ägypten kennenlernen, darunter eine „community school“ für sudanesische Kinder und ein Gesundheitszentrum. „Für viele der Geflüchteten ist die kleine Caritas-Klinik hier die einzige Möglichkeit, im Notfall medizinisch versorgt zu werden oder dringend benötigte Medikamente zu erhalten. Auch die Arbeit der mit kirchlichen Mitteln unterstützten Bildungseinrichtung in Assuan ist unverzichtbar. Die Eltern, mit denen ich sprach, betonten: Bildung ist das Beste, was wir unseren Kindern mitgeben können. Ich bin dankbar für die wichtige Arbeit kirchlicher und zivilgesellschaftlicher Organisationen. Ohne ihr Engagement wäre die Lage vieler Geflüchteter noch viel schwieriger.“
Während seiner Reise feierte Erzbischof Heße mehrere Gottesdienste mit Geflüchteten: „Die Menschen, die aus dem Sudan flüchten mussten, wurden in ihrer Würde akut bedroht. Kraft und Hoffnung schöpfen sie aus dem festen Vertrauen, dass ihnen als Kinder Gottes niemand ihre Würde nehmen kann. Den tiefen und lebendigen Glauben der sudanesischen Schutzsuchenden nehme ich als bleibenden Eindruck nach Deutschland mit. Ihre eindringliche Bitte hallt weiter nach: ‚Betet für uns – vergesst uns nicht!‘“