4 Min.
06.07.2025
Frauen unterschiedlichster Länder und Kulturen sind Freundinnen geworden.
Foto / Quelle: Markus Jonas

Einfach kurz die Welt retten

Mit einem Theaterstück über selbst erlebten Rassismus im Alltag hat die internationale Frauengruppe beim Caritasverband Minden die Herzen berührt. Im Mai wurde sie dafür mit einer bundesweiten Auszeichnung der Deutschen Bischofskonferenz und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken geehrt. Ein Besuch bei den 20 Frauen aus 13 Ländern im Caritashaus und ein Gespräch mit ihrer Leiterin Magdalena Stoentcheva.

Von Markus Jonas
Minden

Fröhliches Lachen ertönt aus dem Gruppenraum 1 beim Caritasverband Minden. Eine bunte Gruppe von rund 20 Frauen sitzt an Tischen zusammen, tauscht sich aus über die Bilder, die sie gemalt haben. „Welche Rolle würdest du in einem Film spielen?“, hat Kunsttherapeutin Monika Höning die Frauen gefragt und sie gebeten, sich selbst zu malen. Schirin Acam aus Syrien hat sich selbst als „Wonder Woman“ gemalt, als Superfrau. „Ich würde gegen den Krieg kämpfen, für den Frieden, und so die Welt retten“, sagt sie fröhlich. Die anderen lachen, etwas skeptisch, ob das so einfach machbar wäre. Wünschen würden sie es sich, denn viele der Frauen, die sich bei der Caritas in der internationalen Frauengruppe versammelt haben, stammen aus Kriegsgebieten und sind auf der Suche nach Frieden und Sicherheit nach Deutschland gekommen.

Geleitet wird die Gruppe von Magdalena Stoentcheva. Seit 2014 ist sie bei der Caritas tätig. „Diese Gruppe war von Anfang an Teil meiner Stelle – das ist sie bis heute“, erzählt sie im Gespräch. Was anfangs nur eine Arbeit war, entwickelte sich zu einer Passion. Die internationale Frauengruppe wurde für Magdalena Stoentcheva ein Herzensanliegen. „Was mich persönlich bis heute motiviert, ist, dass ich im Laufe der Jahre viele Frauen kennengelernt habe, deren Lebensgeschichten mich tief beeindruckt haben“, sagt sie. „Viele dieser Frauen sind allein mit ihren Kindern aus Kriegsgebieten nach Deutschland gekommen. Einige durften in ihren Heimatländern nicht einmal zur Schule gehen, geschweige denn sich ausbilden lassen. Diese Frauen wurden in vielen Hinsichten benachteiligt.“

Magdalena Stoentcheva leitet seit 2013 die internationale Frauengruppe in Minden.
Foto / Quelle: Markus Jonas

Das Schicksal der ihr anvertrauten Frauen ergriff sie. „Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich das erzähle. Ich habe für mich persönlich entschieden: Ich muss mich für diese Frauen einsetzen und ihnen zeigen, dass es auch anders geht. In Deutschland ist vieles möglich. Das ist meine persönliche Motivation, die Frauengruppe weiterzuführen.“ Dabei setzt sie sich über ihre Arbeitsstunden hinaus ein und engagiert sich auch ehrenamtlich für die Gruppe, die aus rund 20 Frauen aus 13 Ländern besteht, „mit einem festen Kern von etwa zehn Frauen, die anderen kommen und gehen“, erklärt Stoentcheva.

Ihr Engagement wurde nun auch mit einer bundesweiten Auszeichnung geehrt. Im Mai wurde die internationale Frauengruppe der Caritas Minden in Berlin mit dem Katholischen Preis gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ausgezeichnet. Magdalena Stoentcheva reiste dazu mit vier Frauen aus ihrer Gruppe nach Berlin. „Das war für uns etwas ganz Neues, aber auf jeden Fall eine großartige Anerkennung und Würdigung unserer Arbeit“, sagt sie. „Wir wurden sehr herzlich aufgenommen.“

Den Preis bekamen sie von Erzbischof Stefan Heße und Irme Stetter-­Karp überreicht, der eine Vorsitzender der Migrationskommission der Deutschen Bischofskonferenz, die andere Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK). „Rassismus ist ein Virus, das leicht mutiert und eine ständig im Verborgenen lauernde Gefahr darstellt“, zitierte der Erzbischof den verstorbenen Papst Franziskus. „Dieser Entwicklung stellen wir Katholiken uns entschieden entgegen. Als Christen setzen wir uns für die Würde jedes Menschen und ein gutes Miteinander ein. Die Preisträger erheben ihre Stimme für diejenigen, deren Stimmen nicht gehört werden.“ Und Dr. Irme Stetter-­Karp sagte: „Die Preisträger liefern herausragende Beispiele einer aktiven Zivilgesellschaft – auch in der Kirche. Sie widersprechen, wo Rassismus salonfähig zu werden droht. Das müssen wir alle im Alltag tun – und können es von den Ausgezeichneten lernen.“

Kunstkurse gehören ebenso zur Frauengruppe wie auch das Tanzen.
Foto / Quelle: Markus Jonas

Konkreter Anlass für den Preis sind Theaterstücke, die die Frauen in Minden seit 2019 selbst entwickelt haben. „In unseren Gesprächen wurde klar, wie sehr Alltagsrassismus das Leben der Frauen prägt“, erzählt Magdalena Stoentcheva. „Ich fragte sie, ob wir dem etwas entgegensetzen wollen – viele waren erst unsicher, denn es ist ein sensibles Thema, aber sie sagten Ja.“

Das dabei entstandene Theaterstück „Fremde, Frauen, Freundinnen“ basiert auf biografischen Interviews. Es entstanden Szenen aus dem Leben: Erfahrungen mit Behörden, Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt, Einsamkeit, Sprachbarrieren. „Aber auch Hoffnung, Zusammenhalt, Mut und Stolz“, ergänzt Stoentcheva, die die gesammelten Erfahrungen in Worte fasste und zu dem Theaterstück verarbeitete. „Damit werden die Erfahrungen der Frauen in Deutschland aufgearbeitet und einem deutschen Publikum zum Nachdenken mitgegeben: Wie ist das Zusammenleben im bunten Deutschland? Wie werde ich hier aufgenommen?“, berichtet Stoentcheva. Die Rückmeldungen des Publikums sind emotional: „Einige Zuschauerinnen verließen weinend den Saal. Viele sagen: ‚Ich hätte nie gedacht, dass so etwas hier passiert.‘ Aber nichts ist ausgedacht – es sind echte Geschichten.“

In der Gruppe werden übrigens nicht nur Frauen unterschiedlichster Länder und Kulturen zusammengebracht, auch Frauen mit Behinderung sind dabei. So spielt beim Theaterstück eine Frau mit Trisomie 21, Bogomila Mihaylova, am Klavier das Lied „Anders als du“. „Das haben wir bewusst so gemacht, um zu zeigen, dass Deutschland bunt ist – diese Vielfalt gehört dazu“, erklärt Stoentcheva. Weil viele Teilnehmerinnen anfangs kaum Deutsch sprachen, wurde das Malen zu einer zweiten künstlerischen Ausdrucksform. „Über Farben konnten Emotionen verarbeitet werden, für die es keine Worte gab.“

Die eine oder andere diskriminierende Begegnung hat Magdalena Stoentcheva übrigens auch selbst erlebt. Denn sie kommt ursprünglich aus Bulgarien, hat Sozialwissenschaften und Europäische Integration an der Universität Hannover studiert. „Ich wurde früher oft gefragt: ‚Wann gehst du zurück?‘ Aber wir sind keine Besucher. Wir sind Teil dieser Gesellschaft. Wir wollen mitgestalten.“

Ihr Wunsch für die Zukunft: „Offene Begegnungen, Mut zu kritischen Gesprächen. Frauengruppe heißt nicht nur kochen und nähen – es heißt, sich mit gesellschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Ich wünsche mir Orte der Begegnung, die von Respekt geprägt sind.“

Das Mindener Engagement beeindruckte jedenfalls die Jury von Deutscher Bischofskonferenz und ZdK stark. „Die Geschichten über starke Frauen, die als Fremde und teilweise ganz allein aus den Kriegsgebieten nach Deutschland kamen, über deren Ankommen, ihre Schwierigkeiten, oft mangelnde Akzeptanz, Vorurteile, aber auch über schöne Momente im neuen Heimatland, haben das Publikum zutiefst berührt.“ So wird die Verleihung des ersten Preises an die internationale Caritas-Frauengruppe in Minden begründet. „Die internationale Frauengruppe leistet einen wichtigen Beitrag zur Förderung des interkulturellen Dialogs – das ist die richtige Antwort auf aktuelle Herausforderungen“, sagt auch Diözesan-­Caritasdirektor Ralf Nolte vom Caritasverband für das Erzbistum Paderborn, der das Projekt gefördert hat. „Wir freuen uns sehr, dass die Gruppe, die sich der Integration von Anfang an verschrieben hat, nun bundesweite Anerkennung erfährt.“

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen