
Ein offenes Ohr
Mitarbeitende der Telefonseelsorge treffen sich zum Jahresgespräch / Tiefgreifende Transformation als Antwort auf den wachsenden Bedarf seelischer Unterstützung.
Einsamkeit, akute Notlagen, psychische Belastungen: Wenngleich sich immer mehr Menschen mit ihren Sorgen an künstliche Intelligenzen wenden, ist es noch immer der Rat echter Menschen, der wirklich tröstet. Hinhören, begleiten, Verständnis und Mut zusprechen – das sind die Aufgaben der Telefonseelsorge im Erzbistum Paderborn. Die Nachfrage ist ungebrochen. Seit dem vergangenen Treffen der Vertreterinnen und Vertreter im Sommer 2024 haben die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonseelsorge nahezu 60.000 Telefongespräche geführt. Das sind mehr als 160 Gespräche am Tag. Von den 521 Ehrenamtlichen begleiten 122 Mitarbeitende Hilfesuchende in der Chatbegleitung und 71 per E-Mail. Auch hier bleibt das Bedürfnis nach Hilfe weiterhin deutlich sichtbar. So hat es im Laufe eines Jahres rund 4.600 Kontaktaufnahmen per Chat und mehr als 7000 Erst-E-Mails gegeben, in denen Menschen um Unterstützung gebeten haben.
Vor allem junge Menschen nutzen die erweiterten, digitalen Kontaktwege. Diese seien Teil der Antwort auf die tiefgreifenden gesellschaftlichen Entwicklungen, erklärt Dr. Stefan Schumacher. „Wir verstehen Digitalisierung nicht als Bedrohung unserer seelsorgerischen Arbeit, sondern als Erweiterung unserer Möglichkeiten. Wir wollen dort sein, wo Menschen uns brauchen – ob am Telefon oder im Internet“, so der Diözesanbeauftragte für die Telefonseelsorge im Erzbistum Paderborn weiter.
Telefonseelsorge im Wandel
Organisatorisch befindet sich die Telefonseelsorge analog zum Bistumsprozess im Wandel. In einer Zeit, in der die Nachfrage nach niedrigschwelliger Hilfe zunimmt, richtet sich das traditionsreiche Angebot strategisch und inhaltlich neu aus: Unter dem Schlagwort „Transformation“ gestalten die westfälischen Stellen einen tiefgreifenden Veränderungsprozess – mit klarer Vision und starker Basis.
Ein zentrales Element ist die engere Vernetzung der regionalen Standorte. Schulungen, Supervisionen und Ausbildungsformate – etwa für neue Onlineberaterinnen und -berater – werden zunehmend gemeinsam organisiert. Auch die Personalentwicklung und Qualitätsstandards sollen zukünftig überregional abgestimmt werden. Ziel ist es, Ressourcen zu bündeln und voneinander zu lernen, ohne die lokale Verankerung zu verlieren.
Beim Jahrestreffen, das Thomas Klöter, Bereichsleiter der Pastoralen Dienste im Erzbistum Paderborn, stellvertretend für Generalvikar Dr. Michael Bredeck begleitet hatte, sei man sich einig gewesen, berichtet Dr. Stefan Schumacher: „Wir bleiben, was wir sind – ein Ort für Gespräche im Verborgenen, aber wir öffnen neue Türen – damit mehr Menschen sie finden. Die Kraft der Telefonseelsorge liegt in ihren Menschen.“ In der Transformation gehe es auch darum, Ehrenamtliche gut zu qualifizieren, ihre Erfahrungen zu wahren und gleichzeitig neue Zielgruppen für das Ehrenamt zu gewinnen – etwa digital affine, berufstätige, jüngere Menschen und Menschen mit Migrationshintergrund. Dazu gehörten moderne Fortbildungsformate, flexible Einsatzmöglichkeiten und gezielte Ansprache über soziale Netzwerke, weiß Dr. Schumacher: „Die Seelsorge wird vielfältiger – und damit auch zukunftsfähiger.“
Überregionale Zusammenarbeit
Erste Effekte der Entwicklungen seien bereits spürbar: „In der telefonischen Krisenbegleitung gibt es inzwischen eine überregionale Zusammenarbeit, mit dem Ziel, die telefonische Erreichbarkeit zu verbessern.“ Weiterhin hätten sich die Standorte in Westfalen erstmals dazu verabredet, eine gemeinsame Ausbildung für ehrenamtliche Mailberaterinnen und -berater zu realisieren. „Das Projekt stärkt nicht nur die fachliche Qualität, sondern auch die Zusammenarbeit über Regionen hinweg – ganz im Sinne moderner Seelsorge“, ist sich Dr. Schumacher sicher.
„Im Unterschied zum Gespräch am Telefon oder Chat bietet die Mailberatung einen Raum für reflektierte Gedanken. Ratsuchende schreiben oft lange und sehr persönliche Nachrichten – oft nachts, oft in Momenten tiefer Krise. Die Antwort braucht Fingerspitzengefühl, Empathie und ein gutes Gespür für Zwischentöne“, erklärt Diözesanbeauftragte für die Telefonseelsorge weiter. Die Mailberatung sei keine Notfallhilfe, sondern ein langsamerer, aber intensiverer Prozess, sind sich die Hauptamtlichen der TelefonSeelsorge im Erzbistum Paderborn sicher. „Deshalb brauchen unsere Ehrenamtlichen eine spezielle Schulung – und davon profitieren wir alle, wenn wir sie gemeinsam anbieten“, so die übereinstimmende Meinung.
Digitaler Krisencoach im Krisenkompass
Auch der „KrisenKompass“, eine App für Smartphones, die 2018-2020 in Westfalen entwickelt wurde, habe 2024 ein wichtiges Update erhalten. „Die ‚KrisenKompass-App‘ ist eine Art Notfallkoffer für Krisensituationen. In den Koffer können Sie positive Gedanken oder Fotos, Erinnerungen oder Lieder packen – Ihr persönliches Rüstzeug für schlechte Momente. Dazu dienen etwa die Tagebuchfunktion und die persönlichen Archive.
Darüber hinaus gibt es Materialien, die in Krisensituationen hilfreich sind, Hinweise zu beruhigenden Techniken, sowie direkte Kontaktmöglichkeiten zur TelefonSeelsorge und anderen professionellen Anlaufstellen“, erklärt Dr. Schumacher. Neu sei nun eine deutliche Erweiterung des Krisenmanagements, ein digitaler Krisencoach wurde hinzugefügt und viele weitere Hilfe-Tools, die im Umgang mit Krisensituationen helfen.
Kontakt
Die Telefonseelsorge ist bundesweit unter 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222 erreichbar. Mail- und Chatberatung findet anonym über www.telefonseelsorge.de statt und auch der Krisenkompass kann unter der Webseite der Telefonseelsorge heruntergeladen werden.