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27.09.2025
Die Kirche St. Kilian ist das älteste Gotteshaus im Pastoralen Raum.
Foto / Quelle: Erzbistum Paderborn

„Bevor nichts läuft, nehmen wir es selbst in die Hand“

Der Pastorale Raum Südlippe-­Pyrmont ist für die katholische Kirche tiefste Diaspora. Das hat das Leben in den Kirchengemeinden zwischen Horn-Bad Meinberg und Bad Pyrmont geprägt. Das Ehrenamt spielt dabei eine wichtige Rolle.

Von Karl-Martin Flüter

Lange Autofahrten gehören zum Alltag von Pfarrer Stefan Schiller. Er ist der Leiter des Pastoralen Raumes Südlippe-­Pyrmont mit sechs Kirchengemeinden zwischen dem Weserbergland und dem Eggegebirge. 32 Kilometer liegen zwischen Bad Pyrmont und Horn-Bad Meinberg. Bis zum äußersten westlichen Ort Feldrom sind es sogar 38 Kilometer. Zudem erstreckt sich der Pastorale Raum über zwei Bundesländer, Nordrhein-­Westfalen und Niedersachsen.

Auch wenn es im Erzbistum nach der Errichtung von Pastoralen Räumen in den vergangenen Jahren vergleichbar große oder sogar größere Einheiten gibt: „Südlippe und Bad Pyrmont sind historisch von den großen Entfernungen geprägt und davon, dass in den einzelnen, weit voneinander liegenden Gemeinden die Zahl der Katholiken gering ist“, sagt Pfarrer Schiller – eine „Mangelsituation“, die das Leben in den Kirchengemeinden geprägt hat. Die einzige Ausnahme ist die Stadt Lügde, Sitz der Pfarrleitung. Auf einem Hügel am westlichen Rand der Stand steht die älteste Kirche Südlippes: St. Kilian ist etwa 900 Jahre alt. In den Wirren der Reformation war die kleine Ackerbürgerstadt wie die umliegenden Städte evangelisch geworden, um im Zuge des Dreißigjährigen Krieges zur katholischen Konfession zurückzukehren.

Die Reformation prägte auch Falkenhagen, heute ein Teil der Kommune Lügde. Als das im Mittelalter gegründete Kloster Falkenhagen vor 500 Jahren aufgelöst wurde, behielt der Paderborner Erzbischof den südlichen Teil des Dorfes als Besitz. Dort richteten die Jesuiten in einem ehemaligen Wirtschaftsgebäude ein Kloster ein. Heute ist das lang gestreckte Gebäude die katholische Kirche St. Michael.

Die Widerständigkeit, die sich in dieser Geschichte spiegelt, prägt bis heute die Kirchengemeinde. Als im Pastoralen Raum Südlippe-­Pyrmont wie überall im Erzbistum nach Einsparpotenzialen im Immobilienbereich gesucht wurde, stand auch die Falkenhagener Kirche zur Disposition. Die Mitglieder der Gemeinde setzten sich erfolgreich für einen Fortbestand ein. Aktive Ehrenamtliche kauften der Kirchengemeinde sogar einen ehemaligen Versammlungsraum ab und bauten das historische Gemäuer zu einem Gemeindetreff um.

Immobilienprozess ist abgeschlossen

Der Immobilienprozess, der den gesamten Pastoralen Raum jahrelang beschäftigt hat, ist abgeschlossen. Die Gremien haben sich zu einer Reduzierung des Immobilienbestandes um mehr als die Hälfte, genau 52 Prozent, entschlossen. Das ist ein auffällig gutes Ergebnis, die Vorgabe des Erzbistums lag bei einem Drittel.

Unter den Gebäuden, die aufgegeben werden, befindet sich die Kirche Heilig Kreuz in Horn – ein echter Verlust. „Wenn es möglich wäre, die Kirche an einen anderen Ort zu transportieren, würden wir das machen“, sagt Pfarrer Schiller. 2004 wurden Kirche und Pfarrheim in Horn im Zuge einer gründlichen baulichen Erneuerung zusammengelegt. Seitdem galt das Gebäude bistumsweit als Modellprojekt dafür, wie Gotteshäuser in Zeiten kleiner werdender Gemeinden umgestaltet werden könnten. Doch Heilig Kreuz steht am falschen Platz. Die Besucherzahlen ließen zu wünschen übrig. Die Kirche wird geschlossen und soll veräußert werden.

Abgegeben werden soll auch das Franziskanerkloster in Lügde. In diesem Wahrzeichen des katholischen Lebens der Region sind der katholische Kindergarten und die Bibliothek untergebracht. Die Kolpingsfamilie nutzt den großen Saal des Barockgebäudes für die überregional bekannte Kulturreihe „Kultur im Kloster“. Doch die laufenden Kosten für das Gebäude sind so hoch, dass sie die Kirchengemeinde überfordern.

Der Immobilienprozess bedeutete im Pastoralen Raum nicht nur Reduzierungen, sondern auch einen Aufbruch in die Zukunft, weil er die Konzentration auf neue geistliche Schwerpunkte erleichtert. So zeigte sich, dass der Neubau der Kirche St. Joseph und St. Laurentius in Schieder-­Schwalenberg ein Zentrum im Pastoralen Raum werden könnte. Bei der Planung der 2020 geweihten Kirche stand Heilig Kreuz in Horn Pate. Wie dort sind Kirche und Gemeindezentrum in Schieder unter einem Dach vereint. Für das multifunktionale Gebäude fiel das Gemeindezentrum in Schwalenberg weg.

Pfarrer Stefan Schiller, Leiter des Pastoralen Raums Südlippe-Pyrmont.
Foto / Quelle: Karl-Martin Flüter

In Schieder-­Schwalenberg ist zu beobachten, wie ein gut geplanter Kirchenneubau vorhandene Gemeindestrukturen belebt. Schon immer war das Ehrenamt in dem Doppelort stark. Die Caritas-­Konferenz hat 80 Mitglieder. „Viele sind regelmäßig aktiv“, sagt Karola Durgeloh, die CKD-­Vorsitzende. Der Mittagstisch ist ein typisches Projekt. Immer mittwochs folgen bis zu 25 Menschen der Einladung in das Gemeindezentrum.

Als 2014 die ersten syrischen Flüchtlinge ins Lipperland kamen, entstand in Schieder-­Schwalenberg die Initiative „Aktion Miteinander“ als Teilgruppe der Caritas-­Konferenz. Schon bald weitete sich die Klientel, in den Blick gerieten vor allem ältere und einsame Menschen.

„Aktion Miteinander“ 2020

Als die „Aktion Miteinander“ 2020 mehrere Fahrrad-­Rikschas anschaffte, fand sie schon bald über die Grenzen der Region hinaus Nachahmer. „Aktion Miteinander“ hat für das Rikscha-­Projekt zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhalten. Zu verdanken war das auch dem Mitglied Bernd Munko, der sich durch die anfängliche Zurückhaltung potenzieller Sponsoren nicht bremsen ließ. In Schieder-­Schwalenberg fahren mittlerweile acht Rikschas.

Karola Durgeloh ist eine der Pilotinnen, die mit Fahrgästen, die sonst kaum aus dem Haus kämen, durch die Felder und rund um den Stausee in Schieder fährt. Die CKD-­Vorsitzende kann nur vermuten, warum die CKD in Schieder-­Schwalenberg so aktiv ist. „Man kennt sich untereinander“, sagt sie. Auch in Schieder sind die Katholiken deutlich in der Unterzahl. 1 100 Mitglieder zählt die Gemeinde. Eine überschaubare Größe, die den Zusammenhalt fördert.

Die Diaspora hat das Glaubensleben geprägt. In der Minderheitssituation sind die Mitglieder der Gemeinden oft auf sich gestellt. Entsprechend hat das Ehrenamt eine größere Bedeutung. Das, was den Kirchen­gemeinden auch in katholischen Gebieten droht – immer kleinere Gemeinden, immer weniger Priester – ist in der ­Diaspora schon lange Routine. Heute können Diaspora-­Regionen wie Südlippe als Modell für die gesamte Kirche dienen. Die Tatsache, dass in Südlippe die ­hauptamtlichen Strukturen weniger dicht als anderswo sind, befördert das Ehrenamt, hat Pfarrer Schiller beobachtet. „Dann entwickeln sich von selbst ehrenamtliche Initiativen, die weitere Ehrenamtliche inspirieren.“

Ehrenamtliches Engagement

Die Gemeinde St. Georg im niedersächsischen Bad Pyrmont ist solch ein Fall. Dort kam 2021 mangels Bewerbern kein neuer Pfarrgemeinderat zustande. Damit wollten sich einige Frauen aus der Gemeinde nicht zufriedengeben. Sie gründeten „Tea & Talk“, ein regelmäßiges Treffen von Ehrenamtlichen, das teilweise die Aufgaben des Pfarrgemeinderates übernahm. „Bevor gar nichts läuft, wollten wir selbst etwas unternehmen“, sagt Huberta Türich, die von Anfang an dabei ist. Es gibt keine verpflichtende Teilnahme, kein Protokoll bei den Sitzungen und auch keine verbindlichen Aufgaben.

Dennoch steht „Tea & Talk“ hinter einigen wichtigen Projekten in Bad Pyrmont. So managt die Gruppe das Kirchencafé an jedem ersten Sonntag im Monat und zwei Mal im Monat das „Inca-­Café“, das generationenübergreifend Bad Pyrmonter einlädt. Auch das „Reparatur-­Café“ ist eng mit „Tea & Talk“ verbunden. „Das ist entstanden ohne Initiative von oben“, sagt der Pfarrer. „Man hat uns gefragt, ob das unter dem Dach der katholischen Kirche möglich ist, und wir haben ja gesagt.“

Im Nachbarort Lügde hat die Kolpingjugend einen Aufschwung aus eigenem Antrieb erlebt. „Die stellte bislang immer die Tanzgarden für den Kolpingsball. Da hat sich eine Gruppe entwickelt, die einen offenen Jugendtreff eröffnet hat“, freut sich der Pfarrer. Ein weiterer Schwerpunkt im Pastoralen Raum Südlippe-­Pyrmont ist die Kirche Christkönig in Bad Meinberg.

Auch das gehört dazu: „Tea & Talk“ in Bad Pyrmont.
Foto / Quelle: Karl-Martin Flüter

Ähnlich wie die Kirche St. Georg in Bad Pyrmont wird sie von vielen Kurgästen besucht. Darauf reagierte man beim Umbau. Nach der Wiedereröffnung 2024 ist die Christkönigkirche eine Lichterkirche. Besucher können auf einem Tablet bestimmte Lichtstimmungen abrufen als Impuls für Gebete oder Meditationen im Kirchenraum.

Die Entwicklung geht weiter. Das in die Jahre gekommene Pfarrhaus in Bad Meinberg soll abgerissen werden. Angedacht ist dort eine weitere Aufwertung der Kirche durch eine integrierte Pfarrsaallösung und die ­Zusammenarbeit mit der evangelischen Kirchen­gemeinde. Auch die Ökumene hat in Südlippe schon eine lange Geschichte. Wenn die Mittel fehlen, hilft Flexibilität. In Südlippe und Bad Pyrmont hat man das früh gelernt.

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