Weltdokumentenerbe – Wendepunkte und Weichenstellungen

Der Behaim-­Globus zeigt die erste Etappe der europäischen Unterwerfung und Aufteilung der Welt. (Foto: Pixabay)

Weitere Kulturgüter aus Deutschland sind in das Weltdokumentenerbe aufgenommen worden. ­Darunter auch das Kinderbuch „Heidi“ von Johanna Spyri. Neben „Heidi“ wurden auch der Codex Manesse und der Behaim-­Globus, die älteste Darstellung der Welt als Kugel, aufgenommen.

Bonn (KNA). Was haben das Heidi-Archiv in Zürich, der Codex Manesse der Unibiblio­thek Heidelberg und der Behaim-­Globus des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg gemeinsam? Sie gehören seit Neuestem zum Weltdokumentenerbe der ­UNESCO.

Die Weltkulturorganisation hat mehrere Werkzeuge, um bedeutende Errungenschaften der Menschheit zu dokumentieren und möglichst zu bewahren. Es ist gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten: Denn es gibt mehr als 1 150 Welterbestätten – also herausragende Bauwerke und Naturstätten mit dem Gütesiegel der ­UNESCO. Außerdem sind mehr als 600 Bräuche, Handwerke und Traditionen in der Liste des „Immateriellen Kulturerbes“ der Menschheit versammelt.

Sichern von außergewöhnlichen Werken

Und dann sind da noch die weltweit 496 Schriften und Dokumente, die Eingang ins Weltdokumentenerbe gefunden haben – ein 1992 eingerichtetes digitales Netzwerk mit herausragenden Buchbeständen, Handschriften, Partituren sowie Bild-, Ton- und Filmdokumenten. Ziel des Registers ist es, Zeugnisse von außergewöhnlichem Wert in Archiven, Bibliotheken und Museen zu sichern und zugänglich zu machen.

Am Himmelfahrtstag wurde dieses „Gedächtnis der Menschheit“ ergänzt: um 64 neue Dokumente. Aus Deutschland sind der Codex Manesse und der Behaim-­Globus neu aufgenommen worden. Der Codex Manesse ist die umfangreichste deutsche Liederhandschrift des Mittelalters. Beim 1492 entstandenen Behaim-­Globus handelt es sich um die älteste erhaltene Darstellung der Erde in Kugelform, auf der Europa, Afrika und Asien mit der japanischen Inselgruppe zu sehen sind. Weil Amerika fehlt, war der Globus bei seiner Fertigstellung bereits überholt. Zugleich dokumentiert die Darstellung, wie die Europäer an der Zeitenwende vom Mittelalter zur Neuzeit auf die Welt schauten.

Neu in das Register eingeschrieben wurden auch Dokumente zur Geschichte der Hanse, die unter anderem in Lübeck aufbewahrt werden. Ebenfalls zu hohen Ehren kommen Handschriften aus der Hofschule Kaiser Karls des Großen, die unter anderem aus der Staatsbiblio­thek Trier stammen.

Darüber hinaus wurde der Dokumentarfilm „Shoah“ von ­Claude Lanzmann in das Weltdokumentenerbe aufgenommen. An der Nominierung beteiligte sich das Jüdische Museum Berlin, das 120 Kassetten mit Zeitzeugen-­Interviews in seinen Sammlungen führt. Ebenfalls Teil des Registers sind nun Mawlanas Kulliyat, die gesammelten Werke des Sufi-­Meisters Rumi. Sie wurden von der Türkei unter Beteiligung von Bulgarien, Deutschland, dem Iran, Tadschikistan und Usbekistan nominiert. Schriften Rumis befinden sich auch in der Bayeri­schen Staatsbiblio­thek München und der Staatsbiblio­thek zu Berlin.

Deutschland mit 28 Einträgen vertreten

Deutschland beteiligt sich seit 1999 am „­Memory of the World“-­Programm und ist jetzt mit 28 Einträgen vertreten. Da­runter etwa die Unterlagen und Tonbandaufnahmen des ersten Frankfurter Auschwitz-­Prozesses, Goethes literarischer Nachlass, das Patent von Carl Benz für das Automobil, Beethovens 9. Sinfonie, die Himmelsscheibe von ­Nebra, die frühen Schriften von Reformator Martin Luther (1483–1546) und die Partitur der ­h-Moll-­Messe von Johann ­Sebastian Bach (1685–1750).

Von der Schweiz eingereicht, aber auch in Deutschland lange äußerst populär, haben die Heidi-­Romane von Johanna Spyri Eingang in das Dokumentenerbe gefunden. Das Kinderbuch, 1880 und 1881 in zwei Teilen erschienen, ist eines der meistgelesenen Bücher der Welt. Zum globalen Medienphänomen gehören auch zwei wertvolle Sammlungen in Zürich: das Johanna-Spyri-­Archiv sowie das Heidi-­Archiv des ­Heidiseums. Wissenschaftlich werden beide Archive durch die Universität Zürich, die auch einen Forschungsschwerpunkt zur Zürcher Autorin Johanna Spyri (1827–1901) hat.

Insgesamt dürfte das Welt­dokumentenerbe weniger bekannt sein als die Welt­erbestätten. „Dokumente sind schwerer zu greifen als bauliche Monumente, die für jeden zugänglich und auch fotografisch leicht erfassbar sind“, heißt es bei der Deutschen UNESCO-­Kommission in Bonn. Aufgenommen werden Dokumente, die für Wendepunkte und Weichenstellungen der Geschichte der Menschheit stehen, einzigartig und unersetzbar sind. Wie die Gutenberg-­Bibel, die für die Epoche des Buchdrucks und für die Alphabetisierung der Menschheit steht.

Christoph Arens

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