Viele sind das Gesicht der Kirche – Interview mit Michaela Labudda

Wenn im März die letzte Vollversammlung des Synodalen Weges stattgefunden hat, soll es mit einem „Synodalen Ausschuss“ weitergehen. Aus dem Erzbistum Paderborn wird neben den ­Bischöfen Michaela Labudda dort mitarbeiten. Doch wie geht es nach dem Brief aus Rom jetzt weiter?

Frau Labudda, ist der Synodale Weg jetzt abrupt zu Ende?

Michaela Labudda: „Nein!“

Aber welchen Sinn hat er noch? Es gibt zum einen den Brief aus Rom, zum anderen eine negative Einschätzung des Papstes, die er in einem Interview gegeben hat. 

Michaela Labudda: „Die Befürchtungen des Papstes und der Kardinäle sind meiner Meinung nach unbegründet. In dem Brief heißt es, dass sich die Entscheidungen des geplanten ‚Synodalen Rates‘ über die Entscheidungen der Bischöfe stellen könnten. Aber das ist nicht vorgesehen. Vorgesehen ist, dass wir innerhalb des Kirchenrechts bleiben. Der Brief bezieht sich also nicht auf den Syno­dalen Weg selbst oder auf die Einrichtung eines ‚Syno­dalen Ausschusses‘, sondern bezieht sich nur auf den „Syno­dalen Rat“. Und für den gibt es noch keine definierten Rahmenbedingungen. Dazu soll es ja den „Syno­dalen Ausschuss“ als Zwischengremium geben, weil viele kirchenrechtliche Fragen unbeantwortet sind.“

Rom reagiert allerdings auf den Beschluss der Synodalversammlung, nachdem der „Synodale Rat“ sehr wohl „Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung“ treffen soll. Sind also die Sorgen in Rom nicht doch berechtigt?

Michaela Labudda: „Dass die Befürchtungen jetzt formuliert sind, ist ein Vorteil. Dann weiß man, worauf man bei der Einrichtung des ‚Syno­dalen Rates‘ Rücksicht nehmen muss. Dennoch ist die Idee, dass man ein gemeinsames Entscheidungs- und Beschlussgremium bildet und zwar im Sinne einer erweiterten Synodalität. Syno­dalität kann sich doch nicht nur im Hören erschöpfen, sondern man muss im Hören, im Austausch der Argumente ei­nander näher- und dann auch zu Entscheidungen kommen. Das ist die Idee des ‚Synodalen Rates‘: gemeinsames Hören, gemeinsames Beraten und dann gemeinsame Entscheidungen, an die sich die Bischöfe dann selbst binden können – aber kirchenrechtlich nicht müssen. Und wenn das in einer guten Weise geschieht, dann stärkt es das Bischofsamt, wie Bischof Bätzing sagt. Doch die letzte Entscheidung liegt beim Diözesanbischof.“

Und damit hängt es vom guten Willen des Bischofs ab, was ja eine gewisse Willkür ermöglicht. Bei den Auseinandersetzungen um das kirchliche Arbeitsrecht war es doch gerade ein Anliegen, das zu verhindern.

Michaela Labudda: „Das ist die Schwachstelle des Konstruktes. Mit der Entscheidung, katholisch und im Rahmen des Kirchenrechts zu bleiben, gibt es diese Achillesverse. Wir haben von Anfang an gewusst, dass die Selbstbindung eines Diözesanbischofs nicht einforderbar ist. Das ist dem Syno­dalen Weg von manchen schon immer vorgeworfen worden, der Kirchenrechtler Thomas Schüller etwa spricht vom ‚kirchenrechtlichen Nullum‘.“

Wenn aber die Autorität des Bischofs nicht angezweifelt werden soll, was ist dann das Pro­blem der Römer?

Michaela Labudda: „Die Frage der Zukunft wird sein, wie jemand sein Bischofsamt versteht. Im Forum ‚Priesterliche Existenz‘ haben wir oft da­rüber gesprochen, dass das Priesteramt in der Krise ist. Auch das Bischofsamt ist in der Krise. Wir müssen unsere Kirche so entwickeln, dass wir ungeachtet der Hirtensorge ein Miteinander finden, das paritätische Beteiligungsformen umsetzt. Wenn ich ein Bischofsamt so verstehe, dass ich die Taufberufung der Laien ernst nehme, dann werde ich doch ein solches Mitei­nander pflegen und gemeinsame Beratungen und Entscheidungen befördern. Das meinen die Bischöfe, die sagen, syno­dale Beratung sei eine Stärkung des Bischofsamtes. Aber rein aus der Autoritätsperspektive geht es um Machtsicherung und da muss man natürlich gegen die Idee sein, dass der ‚Syno­dale Rat‘ etwas entscheidet, was über der Autorität des Bischofs steht. Aber noch mal: Das ist gar nicht angestrebt, weil das gegen das Kirchenrecht verstieße. Angestrebt ist eine Verhaltensänderung und eine neue Interpretation des bischöflichen Amtes. Viele praktizieren das ja längst so.“

Das hat vermutlich wesentlich mit der Kultur zu tun, in der man lebt. In Deutschland wird es ein anderes Verständnis des Bischofsamtes und seiner Ausübung geben als etwa in Lateinamerika. Kann man das überhaupt weltweit einheitlich interpretieren bzw. regeln?

Michaela Labudda: „Unbedingt! Seit eineinhalb Jahren führen wir verstärkt weltkirchliche Diskussionen und bringen Stimmen aus anderen Ländern ein. Wenn man die Vorbereitungen zur Weltsyno­de anschaut und die Rückmeldungen dazu aus den Bischofskonferenzen, dann findet man dort alle Themen des Syno­dalen Weges und überall Ansprüche auf das Einbringen des eigenen Taufbewusstseins. In der Ausgestaltung mag das in den Kulturen unterschiedlich sein, aber entscheidend ist, dass wir mitei­nander Kirche sein wollen und zwar auf allen Ebenen.“

Kann es sein, dass die Römer genervt sind von der deutschen Art? Es wird über Strukturen geredet und es werden neue Gremien erfunden, die ähnlich heißen: Synodaler Weg, „Syno­daler Ausschuss“, „Synodaler Rat“ …

Michaela Labudda: „Uns Deutschen wird gerne vorgeworfen, dass es bei uns nur um Strukturen gehe. Vielleicht ist das ein Problem, aber vielleicht ist das auch ein Vorteil. Dass wir drei Jahre Vorerfahrungen auf dem Synodalen Weg gemacht haben, bezeichnen viele internationale Beobachter als großen Gewinn. Außerhalb von Deutschland gibt es nirgendwo so eine Parallelstruktur der Laien wie bei uns durch das ZdK. Eine solche Organisation bringt mit sich, dass man viele Menschen mit Erfahrung in den Gremien und Verbänden auf allen Ebenen vernetzen kann.“

Der Papst sagt, die deutschen Erfahrungen seien nicht hilfreich.

Michaela Labudda: „Und er sagt, wir seien elitär. Da ist er unfair, weil er die Leiden und die Leidenschaften der Menschen vor Ort unterschätzt. So zu reden, ignoriert die bitteren Erfahrungen von Frauen in den Beichtstühlen. Er wird den Mitarbeitenden in der Kirche nicht gerecht, deren Beziehungen gescheitert sind. Er wird der queeren Community nicht gerecht. Und er ist nicht fair gegenüber all den Anstrengungen der vielen Menschen, die sich um Vernetzungen gekümmert haben und das in den Syno­dalen Weg einspeisen. Und er wird nicht gerecht den Laien und den Bischöfen, die sich miteinander um ein zukunftsfähiges Gesicht unserer Kirche in Deutschland bemühen.“

Wäre dafür nicht mehr Evangelisierung nötig?

Michaela Labudda: „Wir tragen auf dem Syno­dalen Weg die Leiden der vielen, die in dieser Kirche sexualisierte Gewalt erfahren haben, als Auftrag mit uns. Und wenn wir der Botschaft Jesu da einen Raum geben wollen, dann müssen wir die missbrauchsbegünstigenden Strukturen verändern. Denn die bisherigen Strukturen sind identifiziert worden als Hindernisse eines Lebens in Fülle und einer Hinwendung zu Jesus. Wenn wir die also verändern, werden wir evangelisieren. Für mich jedenfalls gehört das zusammen.“

Aber es werden jetzt Strukturen geschaffen, die es im Prinzip schon gibt. Es gibt bereits einen gemeinsamen Ausschuss von Bischofskonferenz und ZdK. Warum dann noch ein „Syno­daler Rat“?

Michaela Labudda: „Dieser Ausschuss besteht im Moment aus zehn Bischöfen und zehn Laien aus dem ZdK. Er tagt sehr selten und hat wenig Entscheidungsbefugnisse. Die Idee des „Syno­dalen Rates“ will Syno­dalität auf breite Füße stellen und mehr Syno­dalität ermöglichen. Dafür brauchen wir mehr Stimmen und mehr Vielfalt.“

Synodalität fordert der Papst ja auch immer ein, aber offenbar meint er etwas anderes als Sie. Sonst wäre er dem Syno­dalen Weg gegenüber nicht so skeptisch.

Michaela Labudda: „Der Papst hat nur eine vermittelte Sicht auf den Syno­dalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland, genauso wie wir eine vermittelte Sicht auf ihn haben. Ich kenne ihn ja nicht persönlich. Er lebt in einem Beratungssetting, in dem ihn eine andere Resonanz erreicht als uns hier in Deutschland. Und er hat seine eigenen Vorstellungen von Syno­dalität. Die große Kunst wird sein, das zusammenzubringen und das, was wir hier in Deutschland beschließen, auf die internationale Ebene zu heben. Es findet jetzt das kontinentale Treffen statt, an dem das Präsidium unseres Syno­dalen Weges gut vertreten sein wird. Wir machen hier also keine nationale Sonderkirche, ­sondern das ist unser Beitrag zum weltweiten syno­dalen Prozess.“

Anfang März findet die letzte Vollversammlung des Syno­dalen Weges statt. Mit welchen Erwartungen fahren Sie hin?

Michaela Labudda: „Puhh … Sicher wird es keine rauschende Jubelveranstaltung im Sinne von: „Wir haben es geschafft!“ Wir gehen jetzt in die nächste Phase. Der Syno­dale Weg war von Anfang an befristet, am Ende sollte es dann konkrete Beschlüsse geben, die man in der Gemeinde vor Ort und im eigenen Glaubensleben spüren kann. Das scheint mir gelungen, aber wir sind noch lange nicht am Ende. Es wird noch manche Bergstrecke geben, wenn es an Umsetzung in den einzelnen Diözesen geht. Dort muss jetzt dafür gesorgt werden, dass sie vor Ort spürbar werden, indem uns ein partizipativeres Mit­einander gelingt, eine wirkliche Geschlechtergerechtigkeit, ein befreiteres Schöpfungsbewusstsein den eigenen Körper betreffend, eine positivere Sicht der Sexualität. Diese Veränderungen geschehen nicht von alleine, sondern müssen aktiv angegangen werden und brauchen die Kraft vieler Menschen auf allen Ebenen.“

Paderborn hat derzeit keinen Bischof. Müssen wir warten, bis jemand ernannt ist?

Michaela Labudda: „Ich denke nicht. Ein konkretes Beispiel: Am 29. ­April findet die vierte Frauenkonferenz unseres Erzbistums statt. Dort wird zu überprüfen sein, wie die Forderungen des Syno­dalen Weges nach mehr Geschlechtergerechtigkeit in unserem Bistum angegangen bzw. umgesetzt werden können. Der Druck der Frauen ist sehr stark, jetzt konkreter zu werden. Sicher muss man abwarten, wer neuer Bischof wird, aber es ist auch ein Anliegen des Syno­dalen Weges, eben nicht mehr nur auf den zu gucken, der an der Spitze steht, sondern dass wir uns selbst ermächtigen, Christ bzw. Christin zu sein. Das Gesicht der Kirche ist ja nicht nur der Bischof, sondern auch das der vielen Menschen, die sich engagieren.“

Das heißt: Sie geben trotz allem die Hoffnung nicht auf?

Michaela Labudda: „Nein! Es muss und wird sich vieles wandeln in unserer Kirche, aber die Wandlung ist doch der Markenkern des Katholischen, oder nicht?“

Mit Michaela Labudda sprach Claudia Auffenberg

Michaela Labudda

Zur Person

Michaela Labudda ist Dekanatsreferentin im Dekanat Hellweg. Sie ist Mitglied der Synodal­versammlung und im Dezember vergangenen Jahres vom Zentral­komitee der deutschen Katholiken (ZdK) in den „Syno­dalen Ausschuss“ gewählt worden. Dieser Ausschuss soll die Einrichtung eines „Syno­dalen Rates“ vorbereiten, die für spätestens im März 2026 vorgesehen ist. Mit dem „Syno­dalen Rat“ wollen Bischöfe und Laien die Syno­dalität als Grundvollzug der Kirche „auf Dauer stellen“.

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