Orgelmuseum Borgentreich – Wenn es tutet, pfeift und flötet
Die Miniaturwerkstatt ist eine der neuen Attraktionen im Orgelmuseum. Alle Orgelpfeifen und Werkzeuge sind funktionstüchtig. (Foto: Flüter)
Borgentreich ist wegen seiner Barockorgel und des Orgelmuseums international bekannt. Nach einem Umbau ist die Dauerausstellung dort noch anschaulicher geworden. Die Besucher können Register ziehen, Pedale treten, Tasten drücken und dabei merken, welch sinnliches Instrument die Orgel ist.
Kaum ein Besucher geht vorbei, ohne auf das Pedal zu treten – und dann fasziniert auf den tiefen Ton zu lauschen. Dieser scheint direkt aus dem Erdboden zu kommen. Dessen langsame, starke Schwingungen sind körperlich sogar zu spüren. Es kribbelt und die Härchen auf dem Arm stellen sich auf, lose Metallteile klappern, auf dem Schreibtisch des nahen Empfangsbereiches im Borgentreicher Orgelmuseum vibrieren die Kugelschreiber. Der Ton kommt aus einer Orgelpfeife, die vom Eingangsbereich bis unters Dach des Museums reicht. 32 Fuß oder ungefähr 9,60 Meter hoch ist der klangerzeugende Holzkörper, der leise bebt, wenn der Ton erklingt.
Wer es vorher noch nicht gewusst hat, dem ist es nach einem Besuch im Borgentreicher Orgelmuseum klar: Orgeln sind sinnliche Instrumente. Sie können ohrenbetäubend laut sein, aber auch leise wie eine Flöte, ihr Klang füllt große Kirchen, ihre Pfeifen türmen sich wie Gebirge auf. Orgeln sind Wunder der Technik. Jahrhundertelang gehörten sie zu den kompliziertesten Geräten, die Menschen sich ausdenken konnten. Immer noch sind sie Beispiele herausragender Handwerkskunst. Und Orgeln sind Instrumente, die unvergleichbare Klangmöglichkeiten bieten und ein ganzes Orchester ersetzen.
Orgelwerkstatt im Kleinen
„Das war ein Subcontra-C“, sagt Jörg Kraemer über den Klang, den zu Beginn der Führung jeder Besucher mit einem Pedaldruck auslösen kann. Jörg Kraemer ist seit 1993 Museumsleiter, Museumsführer und Pressechef in einer Person. Zusammen mit ausgewiesenen Ausstellungsmachern hat er das Borgentreicher Museum erneuert und modernisiert. Die Chance eröffnete sich durch die Pandemie, denn während der Lockdowns war auch das Orgelmuseum geschlossen. Der Weg für die Handwerker war frei.
Seit 1980 ist das Orgelmuseum in einem klassizistischen Gebäude, dem ehemaligen Rathaus, beheimatet. Auf der anderen Straßenseite, in der Kirche St.Johannes Baptist, steht die größte Barockorgel Westfalens, ein Nationaldenkmal und ein Anziehungspunkt für Orgelfreunde aus vielen Ländern. Diese Attraktivität wollte Borgentreich, die kleine Gemeinde in der Warburger Börde, nutzen, als es vor 40 Jahren das Orgelmuseum gründete.
„Eigentlich“ ist Jörg Kraemer Kirchenmusiker im Dekanat Höxter und Organist der Borgentreicher Orgel. Aber er ist auch Orgelbeauftragter im Erzbistum Paderborn und zuständig für das Orgelmuseum. Ein versierter Fachmann, der trotzdem erstaunlich locker und unkompliziert über Orgeln und Orgelmusik reden kann.
Orgelgeschichte von der Antike bis in die Gegenwart
So ist es nicht überraschend, wie unterhaltsam die von ihm konzipierte Ausstellung ist. Überall pfeift, flötet und tutet es, man darf Register ziehen und Tasten drücken. Nach der Modernisierung in den vergangenen Monaten ist das alles noch anschaulicher geworden. Es fängt schon im Eingangsbereich an, und das nicht nur wegen des Tieftons Subcontra-C. Vom Erdgeschoss führt eine aufsteigende Zeitleiste im Treppenhaus Besucher durch die Orgelgeschichte, von der Antike bis in die Gegenwart.
Ein paar Räume weiter hängt jetzt ein neuer, großer Bildschirm zwischen den Spieltischen und Holzmodellen. Dort läuft ein sechsminütiger Film über die Herstellung einer Orgel, aufgenommen in der Bautzener Orgelwerkstatt „Herrmann Eule“, die seit 140 Jahren Orgeln baut. Am Ende der Ausstellung wartet seit der Überarbeitung eine Hörstation auf die Gäste. Dort kann man sich auf bequemen Bänken niederlassen und über Kopfhörer Orgelwerken der Komponisten lauschen, die während der Bauzeit der Borgentreicher Orgel komponiert haben. Das sind nicht wenige, denn das ursprünglich im Kloster Dalheim beheimatete Instrument wurde über zwei Jahrhunderte ständig erweitert und immer wieder an neue Moden des Musikgeschmacks angepasst.
Orgelmuseum zu alter Handwerkstradition
Ein wahres Kleinod der Ausstellung haben die Besucher vorher erlebt. Es ist eine etwa zwei Meter breite Puppenstube, eine Orgelwerkstatt im Miniaturformat, geplant und gebaut von Helmut Klöpping. Der Kölner Orgelbauer hat als Rentner sein früheres Arbeitsumfeld und sein Arbeitsleben mit bewundernswerter Akribie und viel Fantasie im Kleinen nachgebildet. Jedes der kleinen Werkzeuge ist gebrauchsfähig, jede der kleinen Orgelpfeifen in der Puppen-Orgel-Werkstatt tönt, pfeift oder tutet, wenn man Luft durch sie leiten würde.
Ist das möglich, fragt sich der verblüffte Zuschauer vor dem Glaskasten, der die Werkstatt birgt. Natürlich ist das möglich. Vor dem Hintergrund einer Handwerkstradition, der wir über Jahrhunderte Wunderwerke wie die Borgentreicher Orgel zu verdanken haben, ist auch eine funktionierende Orgelwerkstatt im Mikroformat eigentlich nur normal.