14.11.2021

Novemberiges – Editorial von Claudia Auffenberg

Heute mal was Melancholisches, nein, nicht wegen „Wetten, dass…?“, sondern wegen des Novembers und dieser Monat ist doch dazu da, sich der Melancholie hinzugeben. Also: Als neulich Gerd Ruge gestorben ist, waren in der Süddeutschen Zeitung neben der Todesanzeige seiner Familie fünf Nachrufe. Vereine, Institutionen und ein ziemlich umfangreicher Freundeskreis bedankten sich bei ihm für das, was er für sie getan hatte. Solche Nachrufe liest man gelegentlich in der heimischen Tageszeitung auch von weniger prominenten Leuten und da beschleicht unsereins dann gern mal die Frage: „Wer würde wohl für mich so einen Nachruf schalten?“ Oder mit einem etwas anderen Duktus: „Wer wird mal an meinem Grab stehen, wer wird eine Kerze oder auch eine Kanne Wasser bringen?“

Wenn man diese Frage mit anderen Menschen bespricht, hört man meistens: „Ach, das ist mir dann egal, das interessiert mich nicht mehr!“ Die Antwort ist grundsätzlich richtig: Dann interessiert es nicht mehr, weil man dann hoffentlich gut oben angekommen ist und sich am Wiedersehen mit all denen erfreuen darf, denen man gelegentlich selbst eine Kerze oder eine Kanne Wasser gebracht hat. Aber die Frage stellt sich eben jetzt und diejenigen, von denen man solche Dienste erhofft, müsste man jetzt schon kennen. Und es ist ja heutzutage nicht so, dass man sich selbstverständlich auf die nachfolgende Generation verlassen kann. Die gibt es vielleicht gar nicht oder wohnt ganz woanders oder hat (noch) kein Interesse. Der Traditionsabbruch, den wir kirchlich und gesellschaftlich erleben, ragt eben bis auf den Friedhof.

Was kann ich tun?

Wir brauchen also neue Lösungen, aber die Frage ist: Wie gehen wir es an? Man kann ja schlecht im Freundeskreis herumfragen: Hört mal, wer würde die Grabpflege übernehmen? Erstens soll man seine Freunde nicht unterschätzen, zweitens könnte man Abhängigkeiten schaffen, die man auch nicht will, und drittens geht es ja nur vordergründig um die Grabpflege, sondern in Wahrheit um das Beziehungsnetz, in dem man jetzt lebt. Die Grabpflege wäre sozusagen nur ein Kollateralnutzen.

Tatsächlich müsste die Frage wohl lauten: Wer sind meine Freunde, meine Familie? Wem bin ich Freund, Freundin, Familie? Bin ich es genug? Was kann ich tun? Und womöglich gibt es im eigenen Umfeld Menschen, die einsam sind– denn um Einsamkeit geht es hier ja letztlich– und denen man da heraushelfen könnte, ohne dass man sie gleich bei sich wohnen hat.

Na ja, für die Sache mit der Grabpflege könnte man vielleicht einen Verein gründen: „Grabpflege St.Dingenskirchen e.V.“ So würde man schon zu Lebzeiten Menschen kennenlernen. Früher nannte man so etwas Elendenbruderschaft. Gibt es die eigentlich noch?

Ihre
Claudia Auffenberg

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