Den Grundstein fürs Leben legen

Ob Hausaufgaben-­Hilfe oder in der Freizeitgestaltung: Die Erzieherinnen und Erzieher des Don-Bosco-Hauses sind dabei. (Fotos: Markus Nowak)

In der Wohngruppe „Start ins Leben“ wachsen junge Menschen heran, die aus ­schwierigen familiären Verhältnissen kommen. Sie gehört zu den Einrichtungen, die das Bonifatiuswerk mit den Gaben der Erstkommunionkinder unterstützt.

Limbach-Oberfrohna. Wenn sie in einem Team sind, dann schaut er konzentriert, sie dagegen lächelt breit. Der zwölfjährige Markus steht vorn im Sturm und selbst, wenn er ein Tor erzielt, zuckt er nur kurz mit dem Mundwinkel, so sehr hat er sein „Poker­face“ unter Kontrolle. „Tor“, jubelt dagegen Marcella. Die Zehnjährige steht in der Verteidigung und freut sich lautstark. „Weiter so, Markus!“, feuert sie ihren Bruder an.

Markus (l.) und Marcella (r.) beim Tischfußballspiel.

„Wir wollen einen guten Grundstein für den Start ins Leben legen“, sagt Lisa ­Glagowski, Leiterin der Wohngruppe. 16 Kinder- und Jugendliche von 8 bis 21 Jahren wohnen in zwei WGs, hinzu kommen drei weitere junge Menschen, die in einer sogenannten Verselbstständigungsgruppe auf das Leben „draußen“ vorbereitet werden, zählt die Päda­gogin auf. Das Don-Bosco-­Haus will, heißt es in seinem Leitbild, Kinder und junge Menschen mit ihren ­Familien, unabhängig von Herkunft oder Weltanschauung, begleiten, fördern und ihnen „zu einem ­gelingenden Leben“ verhelfen.

Die Wohngruppe orientiert sich am Leben in Familien: Die beiden WGs verfügen über eine eigene Küche, der Garten bietet viel Platz und Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung und die Bewohner leben in Einzelzimmern oder teilen sich einen Raum mit einem anderen Kind. Das Wort „Kinderheim“ nutzt Leiterin ­Glagowski daher nur ungern, um die Einrichtung zu beschreiben. Zu sehr erinnere es an ein negatives Image, das solche Häuser in der DDR-­Zeit hatten. „Hier haben früher 60 Kinder gewohnt und in Schlafsälen mit Doppelstockbetten geschlafen.“ Auch, weil manche Kinder in der Schule oder im Kindergarten Hänseleien ausgesetzt werden, „ist es Zeit, sich von dem Wort Heim zu verabschieden“.

Fußball, Graffiti und Schule

Manch unangenehmen Spruch von den „Kindern draußen“ musste sich auch schon Markus anhören. „Ich versuche das zu ignorieren“, sagt der Zwölfjährige. Manchmal diskutiert er mit den Kindern und versucht ihnen zu erklären, wie das Leben in der Wohngruppe abläuft. Er und seine Schwester leben seit drei Jahren in der Don-Bosco-­Einrichtung, auch die 15-­jährige Schwester der beiden, Michelle, wohnt hier. Marcella, die eine Förderschule besucht und beim Lesen noch sehr langsam ist, kickt gerne in ihrer Freizeit. Einmal in der Woche geht sie zum Fußballtraining. „Manchmal stehe ich im Tor, manchmal spiele ich außen“, sagt die stets gut gelaunte Marcella. 

Die Don-Bosco-­Wohngruppe „Start ins Leben“ im sächsischen Limbach-­Oberfrohna hat einen großen Garten, in dem sich die ­Kinder austoben können.

Zwar tobt sich Markus auch mal beim Fußball im Garten aus, derzeit wecken vor allem Graffiti sein Interesse. Er ist nicht mit der Spraydose anzutreffen, sondern sitzt oft lange über einem Blatt Papier, zeichnet einen Schriftzug und hängt ihn in seinem Zimmer auf. „Mir gefällt es, mit den verschiedenen Schriftarten zu variieren“, sagt er. Schade sei, dass Graffiti nicht im Kunstunterricht behandelt wird. Anders als andere Kinder in seinem Alter geht er gern zur Schule. „Für mich wäre es eine Strafe, wenn wir nur vier Stunden hätten, eine Belohnung sind sieben Stunden“, sagt er. „So lerne ich einfach viel mehr.“

Sätze wie diese hört Lisa ­Glagowski selten. Ihr Haus nimmt Kinder auf, die „über das Jugendamt kommen“. Kinder aus Familien, in denen massive Probleme festgestellt und die Eltern als erziehungsunfähig betrachtet werden. Etwa wegen übermäßigen Alkoholkonsums oder Gewalt. Bei jüngeren Kindern werde häufig versucht, mit den Eltern zu arbeiten, damit die Kinder wieder zu ihrer Familie zurückkehren können. Bei Teenagern zielt das Konzept des Don-Bosco-­Hauses auf die ­Verselbstständigung der Jugendlichen, damit sie als Volljährige ihren Alltag allein meistern können.

Ort der Geborgenheit und Wärme

Oft fehlen den jungen Bewohnern der Einrichtung Geborgenheit und Wärme, hat Pädagogin ­Glagowski beobachtet. „Die Folge sind massive Bindungsstörungen, weil sie als Kleinstkinder keine Liebe, keine Zuneigung, sondern Verwahrlosung und Vernachlässigung erfahren haben“, berichtet sie. Zusammen mit ihren Mitarbeitern versucht sie, den Kindern „das Gefühl und Wissen zu vermitteln, dass es Menschen gibt, auf die man sich verlassen kann“. So können sich die Bewohner an die ­Erzieher wenden, wenn sie ­traurig sind, aber auch wenn sie ein Erfolgserlebnis – etwa eine gute Note in der Schule – hatten.„Wir sind ein sicherer Ort, die Kinder wissen, im Nebenzimmer schreien sich keine Eltern an oder man wird nicht verprügelt, was sie von zu Hause kennen.“


Marcella und Markus haben derweil ihr Kickerspiel beendet und gewonnen. „Ich würde gerne nach Hause, aber das geht gerade nicht“, sagt die zehnjährige Marcella. Ihr Zuhause, das ist die Mutter. Nach einem nachdenklichen Moment setzt Marcella wieder ihr Lächeln auf. Dann geht die Tür zum Aufenthaltsraum auf und jemand ruft: „Fußballspielen!“ Marcella und ihr Bruder schauen sich erfreut an, nicken sich zu und laufen zum Flur, um sich dort Schuhe und eine Jacke anzuziehen. Markus sagt beiläufig, unter einem Dach mit so vielen Kindern zu leben, bedeute wenig Langeweile. Ein solch spontanes Fußballspiel „ist schon angenehm!“, freut er sich schüchtern lächelnd. Und, fügt er im Weggehen noch hinzu, Geburtstage in der Wohngruppe werden schnell zur Riesenparty: „Da kommen schnell mal 17 Gäste zusammen!“

Markus Nowak

Info

Mit den Gaben der Erstkommuni­onkinder in Deutschland kann das Bonifatiuswerk jährlich etwa 1,6 Millionen Euro für Glaubensprojekte sowie für hilfsbedürftige Kinder und Jugendliche in Deutschland, Nordeuropa sowie in Estland und Lettland zur Verfügung stellen.

In Gebieten, in denen katholische Christen in der Minderheit leben, stellt die Glaubensweitergabe an junge Menschen eine Herausforderung dar. Dort fördert das Bonifatiuswerk mit seiner Kinder- und Jugendhilfe pastorale sowie diakonisch-­karitative Projekte und ermöglicht auf vielfältige Weise eine Begegnung im Glauben. Auch Religiöse Kinderwochen (RKW), religiöse Vorschulerziehung und Projekte der Schulpastoral sowie katholische Kindertages­einrichtungen, Kinderhospizdienste und Jugend­einrichtungen werden unterstützt.

Durch diese Einrichtungen und Angebote erfahren junge Menschen ganz konkret und unmittelbar christliche Werte und was es heißt, füreinander da zu sein.
Mehr Informationen zur Erstkommunionaktion unter: https://www.bonifatiuswerk.de/de/aktionen/erstkommunion/

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