Rätsel Mensch – Ein Editorial von Claudia Auffenberg

Im letzten ist der Mensch ein Rätsel (Foto: Pixabay/ Gerd Altmann)

Was ist der Mensch, fragt der Beter des 8. Psalms, und beantwortet sich die Frage mit staunender Begeisterung: Du hast ihn nur wenig geringer gemacht als Gott, du hast ihn gekrönt mit Pracht und Herrlichkeit. 

Was ist der Mensch, fragt man sich angesichts der Tragödie in Freudenberg und es bleibt eine Frage. Die Antwort des Psalms jedenfalls kommt einem nicht über die Lippen. Alle Experten, die man in den vergangenen Tagen auf sämtlichen Kanälen sehen und hören und nachlesen konnte, sagen im Grunde nur dies: Im letzten ist der Mensch ein Rätsel, weil er zu unglaublich Großartigem und zu unglaublich Bösartigem fähig ist. Und alle Fakten, nach denen wir jetzt so gieren, werden am Ende doch nicht wirklich erklären können, was geschehen ist.

Kinder sind zumeist Opfer, nicht Täter

Das Erschrecken darüber, dass Kinder Kinder töten, ist riesig, aber anders als Erwachsene können Kinder die Tragweite ihres Handelns wohl kaum abschätzen. Erschreckender also ist es, wenn Erwachsene Kinder töten oder ihnen Gewalt antun. Das geschieht viel öfter. Kinder sind zumeist Opfer, nicht Täter. Aktuelles Beispiel: Der Internationale Strafgerichtshof hat nicht nur gegen Wladimir Putin Haftbefehl erlassen, sondern gegen eine Frau, die sich Kinderrechtskommissarin nennt und als solche offenbar ukrai­nische Kinder aus ihren Familien raubt. 

Was ist der Mensch? Der 8. Psalm feiert die Gottähnlichkeit des Menschen. Wenn man ihm in umgekehrter Richtung folgt, kann man zu dem Schluss kommen, dass Gott das viel größere Rätsel ist. Das Rätsel Mensch sozusagen als die kleinere Ausgabe des großen Rätsels Gott. 

Womöglich ist es das, was die Ereignisse so beunruhigend macht. Weil man wieder am Abgrund einer Frage steht, die man kaum formulieren, sondern nur mit mehreren Fragen einkreisen kann: Warum ist das so? Wie hängt das alles zusammen? Welchen Kräften sind wir ausgeliefert?

In der ersten Lesung des dritten Fastensonntags wurde vom murrenden Volk Israel erzählt, das in seiner Not Zweifel an Gott bekommt und Streit mit Mose anfängt. Mose, so heißt es, nannte den Ort Massa und Meriba, Probe und Streit. Er gab der Krise einen Ort, so wie es Menschen seit jeher tun, um sich zu erinnern. An die Krise, an die Zweifel und die Not. Wenn es keine Antworten gibt, brauchen die Fragen wenigstens einen Ort. In Freudenberg haben sie die Kirchen geöffnet. Gotteshäuser nennt man Kirchen gemeinhin und als solche waren und sind sie immer auch Zweifelhäuser. Hier kann man mit anderen – und das ist doch schon mal was – fragen: Was ist der Mensch?

Ihre
Claudia Auffenberg

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