Caritas-­Beratungszentrum – Hilfebedarf ist höher als je zuvor

Die Lebensbedingungen vieler Menschen sind schlechter ­geworden. Das macht sich an den gestiegenen Fallzahlen im Caritas-­Beratungszentrum bemerkbar: (unten, v. l.) Steffani Schröder-­Czornik und Adelheid Miß-­Litfin, (oben v. l.) Cornelia Wiemeyer-­Faulde und Naznine Soundarjee. (Foto: Flüter)

Die psychischen Folgen der Corona-­Pandemie haben die Jahre 2020 und 2021 maßgeblich ­beeinflusst. 2022 wurden sie verstärkt durch den Ukraine-­Krieg, Energie- und Wirtschaftskrise. Zunehmende Ängste, Depression und Gewalt prägen die Arbeit des Caritas-­Beratungszentrum für den Kreis Höxter.

Kreis Höxter. Diese pessimistische Bestandsaufnahme wurde bei einem Pressegespräch deutlich, zu dem das Beratungs­zentrum in Brakel eingeladen hatte, um den Jahresbericht 2021 vorzustellen. Schon im Jahr 2021 verzeichneten die psycho-­sozialen Dienste des Beratungs­zentrums zum ersten Mal mehr als 2.000 Klientinnen und Klienten. 2022 wird der Bedarf nach psycho-­sozialer Hilfestellung weiter ansteigen, so viel ist abzusehen. Auch die Dauer und die Zahl der Beratung nimmt zu, was auf größere Problem­lagen hinweisen könnte.

­Social ­Distancing und Zukunftsängste, zunehmender Konsum von Suchtmitteln, Passivität und Rückzug trafen vor allem Menschen, die keine mentalen Reserven hatten, um auf den zusätzlichen Stress und die fehlende Alltagsstruktur während der Pandemie zu reagieren, sagte die Leiterin des Caritas-­Beratungszentrums, Steffani Schröder-­Czornik.

Diese Situation hat sich 2022 noch verschlechtert – das ist im Kreis Höxter nicht anders als andernorts in Deutschland. Auch die steigende Zahl der suizidalen Lebenssituationen ist besorgniserregend. Das Ziel des Beratungszentrum ist es, dem „Dichtmachen“ vieler Menschen, ihrem sozialen und psychischen Rückzug entgegenzuwirken.

Grundversorgung für psychisch erkrankte Menschen

Steffani Schröder-­Czornik leitet in Personalunion die Caritas-Beratungsstelle und den Sozialpsychiatrischen Dienst, der dort angesiedelt ist. Der Sozialpsychiatrische Dienst übernimmt die Grundversorgung von psychisch erkrankten Menschen. Diese Begleitungen der Menschen dauern Jahre bis Jahrzehnte. Ihre oft extreme Isolierung hat sich während der Pandemie weiter verstärkt.

Es sei eine große und zeitintensive Aufgabe, Betroffene zu stabilisieren, beschrieb Leiterin Naznine Soundarjee die Aufgabe des Teams in der Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche. Weil soziale Institutionen wie Kindertagesstätten und Schulen lange Zeit ausfielen, wurden Anzeichen für Missstände später oder gar nicht erkannt. Prävention ist deshalb neben der Beratung Schwerpunkt der 2021 ins Leben gerufenen Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt, der ersten im Kreis Höxter. Sorge bereitet es Naznine Soundarjee, dass immer mehr Menschen mit Angstzuständen die Beratungsstelle aufsuchen. Wer unter einer aktuellen Panik­attacke leide, erhält innerhalb weniger Tage einen Termin.

Die Sucht- und Drogenberatung hat 2021 ebenfalls einen deutlich zunehmenden Konsum festgestellt, sagte Leiterin Adelheid Miß-­Litfin. Der Beratungsdienst entwickelte seine Angebote für Angehörige ­weiter. So entstand 2021 eine bis heute aktive Gruppe für Eltern von drogenkranken Menschen, eine weitere Gruppe für Partner von Betroffenen ist in Planung.

Caritas-­Beratungszentrum für Suchtkranke

Die geplante Legalisierung von Cannabis stößt bei Adelheid Miß-­Litfin auf Zustimmung, weil so die Stärke und Qualität der Droge kontrolliert werden könne und die Kriminalisierung vieler Nutzer ende. Noch immer dauere es bis zu zwanzig Jahre nach Beginn der Abhängigkeit, bis suchtkranke Menschen in der Beratungsstelle Hilfe suchten.

Dr. Cornelia Wiemeyer-­Faulde ist verantwortlich für die Ehe-, Familien- und Lebensberatung. Dieser Dienst wird als einziger Dienst im Brakeler Beratungs­zentrum nicht von der Caritas, sondern vom Erzbistum Paderborn und dem Land NRW getragen. Schwerpunkt ist die Arbeit mit Paaren, vor allem in der aktiven Elternphase zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Bei häuslicher Gewalt und ­einem polizeilichen Hausverweis macht die Ehe-, Familien- und Lebens­beratung innerhalb einer Woche ein Beratungsangebot. 

Die Statistiken o, Caritas-­Beratungszentrum beweisen, dass sich die psychische Lebenslage der Menschen im ländlichen Kreis Höxter nicht grundlegend von der in Städten unterscheidet. Um dem wachsenden Beratungsdruck auf Dauer zu begegnen, fehlen jedoch Mitarbeitende. „Wir kommen an unsere Belastungsgrenzen“, sagt Steffani Schröder-­Czornik. Besser, so ist es zu befürchten, wird die Lage auf absehbare Zeit nicht.

Karl-Martin Flüter

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