28.01.2022

Nach dem Münchner Gutachten – Und jetzt?

Ein schwarzer Tag für die katholische Kirche.

Ähm, also … übrigens: Am vergangenen Donnerstag gab es im Dritten eine Dokumentation über die Erde. Haben Sie jemals von Stumpfnasenaffen gehört, die im Himalaya leben? Echt ­süße ­Tiere…

Das war eine der behaglicheren Neuigkeiten jenes Donnerstags. Ansonsten war es für die katholische Welt ein schwarzer Tag, wie er kaum schwärzer hätte sein können. Und man weiß wirklich nicht, worüber man mehr entsetzt sein soll: über das jahrzehntelange Ignorieren von Kinderleid zum Wohle der heiligen Mutter Kirche, über die noch immer fehlende Bereitschaft, Schuld einzugestehen oder über die fortgesetzte Taktik, erst bei öffentlicher Empörung zu reagieren. Am Montag dieser Woche korrigierte Papst em. Benedikt XVI. seine wochenlang aufrechterhaltene Aussage, dass er nicht an einer Sitzung teilgenommen habe, bei der über einen priesterlichen Missbrauchstäter gesprochen wurde. Jetzt heißt es: Er war doch dabei.

Ermüdend detailliert haben die drei noch lebenden Kardinäle Ratzinger, Wetter und Marx die ihnen gestellten Fragen der Gutachter beantwortet. Das war gewiss ein Kraftakt für alle drei. Was man aber nirgends findet, ist so ein Satz wie: „Ich bekenne, dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe.“ Benedikt etwa betont einleitend, es gehe ihm darum, die Bewertungen historisch einzuordnen nach „damals herrschenden Moralvorstellungen“. Kardinal Wetter schreibt, bis 2010 habe man nicht gewusst, welcher Schaden den Opfern zugefügt wurde. 

Warum fällt es so schwer zu sagen: „Ja, ich habe falsch gehandelt“

Womöglich waren die Zeiten damals andere, hat man diese entsetzlichen Vorgänge anders bewertet, ein anderes Bild von Kirche gehabt, das mag ja alles sein. Aber heute? Heute weiß man es doch besser! Herrjemine! Warum fällt es so schwer zu sagen: „Ja, ich habe falsch gehandelt, ich bereue es.“?

Und was machen wir, die normalsterblichen Gläubigen jetzt? Die wir vor den Trümmern unseres Kirchenbildes stehen und vielleicht auch nicht ganz unschuldig an alldem sind? 

Die Stumpfnasenaffen leben auf 4.000 Meter Höhe. Wenn der Winter kommt, ziehen alle anderen Tiere in tiefere Regionen. Die Affen bleiben dort, wo es dann also kalt und einsam wird. Und was Gescheites zu fressen gibt es auch nicht. Warum bleiben sie? Weil die geologischen Gegebenheiten so sind, dass der Frühling schneller dorthin kommt als anderswo. 

Könnte das auch für die Kirche eine Möglichkeit sein? Anders als der Himalaya unterliegt die Kirche nicht geologischen Gegebenheiten, sondern selbst gemachten. Mit anderen Worten: Der Winter ist hausgemacht. Wir könnten also selbst für den Frühling sorgen. „Wir“ meint alle Getauften und Gefirmten, alle, denen einmal persönlich gesagt worden ist: Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.

Ihre
Claudia Auffenberg

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