23.01.2022

Hoffnung?

Hoffnung – Zum Editorial von Claudia Auffenberg. (Foto: pixabay)

Wenn Sie die aktuelle Dom-­Ausgabe lesen, dann wissen Sie mehr als ich zu dem Zeitpunkt, da diese Zeilen entstehen. Das ist zwar jede Woche so, aber jetzt ist es von besonderer Brisanz. Denn an dem Tag, an dem Sie den Dom erhalten, wird in München das Missbrauchsgutachten veröffentlicht, das so oder so dramatische Auswirkungen auf die katholische Kirche haben wird. Leichte und mittelschwere Vorbeben waren in den vergangenen Tagen schon zu spüren. Es geht um die Verantwortung der Münchner Kardinäle Marx, Wetter und Ratzinger. Besonderes öffentliches Inte­resse findet seit Jahren der Fall des Priesters Peter H. aus der Amtszeit Ratzingers. Wir haben in der vergangenen Ausgabe darüber berichtet. Die einen sagen, Ratzinger habe die Geschichte des Priesters gekannt, andere, darunter sein Privatsekretär Georg Gänswein, widersprechen dem.

Nach allem, was bislang zu dem Thema insgesamt öffentlich bekannt ist, kann man sagen: Es gab in früheren Jahren und Jahrzehnten kaum einen Bischof, der das Thema Missbrauch offensiv und konsequent angegangen ist, der sich ohne öffentlichen Druck um die Opfer gekümmert und der Missbrauchstäter nicht in Schutz genommen hat. Jetzt aber kommen die Dinge ans Licht und mit jedem Fall werden das Erschrecken und das Entsetzen bei den Gläubigen größer. Denn das eigene Bild von Kirche, ja, die eigene Biografie in und mit dieser Kirche brechen krachend zusammen. Wenn selbst der Kölner Weihbischof Steinhäuser, der während der Auszeit von Kardinal Woelki derzeit das Erzbistum leitet, von der Kirche als „Täterorganisation“ spricht, muss man sich ja die Frage stellen, ob man noch dazugehören möchte.

„Haben Sie noch Mut und Hoffnung?“

„Haben Sie noch Mut?“: Diese Frage erreicht mich in der letzten Zeit öfter. Manche von Ihnen fragen das, wenn sie anrufen, auch Freunde fragen in diesem Sinne. Und ich selbst frage mich das auch. Habe ich noch Mut oder Hoffnung? Die Antwort lautet: Ja – und das nicht, weil die Chefredakteurin des Dom so antworten muss. Dieses ist ja eine Art Fan-­Zeitung, man arbeitet hier nicht nur, um Geld zu verdienen. Also, ja, ich habe noch Mut, denn erstens ist das Entsetzen auch in der Kirche riesig. Zweitens sehe ich viele Aufbrüche, teils wegen Corona, aber das ist egal. Laien nehmen vor Ort die Sache in die Hand, weil sie von der Sache Jesu ergriffen sind, und laden zu Gottesdiensten, werden kreativ. Gut so! Und drittens reicht mein Vorrat an guten Erfahrungen in Kindheit und Jugend noch aus. Sicher, auch wir, die wir keinen Missbrauch erfahren haben, müssen uns fragen, ob wir den Klerikalismus befördert haben, etwa, indem wir uns zu viel haben gefallen lassen.

Wir erleben bittere Zeiten, die noch lange nicht vorbei sind. Wir vom Dom werden das Thema auch weiterhin nicht verschweigen. Ja, es tut weh, aber die Wahrheit ist wichtig. Lebenswichtig!

Ihre
Claudia Auffenberg

Weitere Editorials wie dieses zum Thema Hoffnung finden Sie von Claudia Auffenberg unter diesem Link

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen