Ein Kreuz für den Weißen Berg

Zwei rostige Stahlbalken für das Leiden und die Welt, ein titanblauer Balken für die Hoffnung und den Himmel. Foto: Flüter

Königsmünster. Am 8. November 1620 trafen am Weißen Berg, einem Bergrücken in der Nähe von Prag, 25 000 Soldaten der katholisch- kaiserlichen Liga auf etwa 23 000 Mann der protestantischen Stände Böhmens. Zwei Stunden dauerte die Schlacht, am Ende waren 1 600 Menschen tot, viele weitere verstümmelt und verletzt. Nach diesem Sieg konnte der österreichische Kaiser Ferdinand II. seinen Machtanspruch auf die Krone Böhmens durchsetzen. Die Rekatholisierung Böhmens begann mit aller Härte. 27 Anführer des Aufstandes gegen den Kaiser, der 1618 zum Prager Fenstersturz geführt hatte, wurden im Juni 1621 hingerichtet.

Von Meschede nach Prag

400 Jahre später steht auf einem Hof der Abtei Königsmünster im westfälischen Meschede ein 3,30 Meter hohes und breites Kreuz. In wenigen Tagen soll es nach Prag transportiert werden. Wie ist wegen Corona noch nicht ganz klar. Sicher ist, dass das Kreuz Anfang November auf dem Weißen Berg Mittelpunkt einer Gedenkfeier für die Opfer der Schlacht vor 400 Jahren ist. 

Theologe und Meister der Metallgestaltung

Es ist ein besonderes Kreuz, das Pater Abraham Fischer OSB entworfen hat. Der Benediktiner ist Theologe und Meister der Metallgestaltung. Seit 2002 leitet er die Schmiede in der Abtei Königsmünster. Der Betrieb hat in kirchlichen Kreisen und darüber hinaus einen guten Namen. Auch das Versöhnungskreuz, das im Jahr 2017 im Mittelpunkt des Gedenkens an 500 Jahre Reformation in Europa stand, kommt aus der Mescheder Werkstatt. 

Vier Querarme

Die Grundidee von damals hat Pater Abraham in den Entwurf des Kreuzes für den Weißen Berg übernommen. Schon das Versöhnungskreuz hat nicht zwei, sondern vier Querarme, die im Winkel von 90 Grad zueinanderstehen. Für das aktuelle Kreuz hat Pater Abraham drei stählerne Balken je Himmelsrichtung übereinandergelegt, insgesamt also zwölf. Die beiden unteren sind jeweils aus Cortenstahl, der bereits Rost angesetzt hat. Die oberen Querbalken sind genauso wie die senkrecht stehende Metallsäule des Kreuzes in einem intensiven Blau gehalten.

Transzendenz, Zukunft und Hoffnung

Die einzelnen Elemente wurden aus Titanblech gearbeitet, das je nach Lichteinfall mal tiefblau, dann milchig- weiß leuchtet, als spiegelten sich Wolken darin. Das Kreuz der blauen Titanbalken holt das leuchtende Blau des Himmels hinunter: Zeichen für Transzendenz, die Zukunft und die Hoffnung. Die unteren rost überzogenen Balken stehen für die Endlichkeit und das Blut der Vergangenheit. „Schon Joseph Beuys hat angemerkt, dass Rost und Blut sich farblich und in der chemischen Zusammensetzung ähneln“, sagt Pater Abra ham. Den Auftrag für das Kreuz hat das ökumenische Sekretariat der Tschechischen Bischofskonferenz vergeben.

Unübersehbar auf dem Weißen Berg

Auf dem Weißen Berg wird das auf einem Podest stehende Kreuz mit einer Gesamthöhe von 4,50 Metern Höhe unübersehbar sein. Wie ein Wegkreuz soll es in die vier Himmelsrichtungen weisen und an die Menschen erinnern, die hier an einem Novembertag vor 400 Jahren gewaltsam gestorben sind oder aber andere getötet haben – für die Machtinteressen anderer und in der vermeintlichen Sicherheit, im und für den richtigen Glauben zu handeln. 

Erste Schlacht im Krieg

Die Schlacht am Weißen Berg war die erste militärische Auseinandersetzung des Dreißigjährigen Krieges. Mit der gleichen Unerbittlichkeit sollten Katholiken und Protestanten nach 1620 noch weitere 28 Jahre Krieg führen. Bis zum Westfälischen Frieden 1648 starben Millionen Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten. Auch daran wird das Kreuz auf dem Weißen Berg erinnern.

Gott steht nicht bei den Siegern

„In jedem gewalttätigen Konflikt wird Christus aufs Neue ans Kreuz geschlagen“, sagt Pater Abraham. Es sei eines der Geheimnisse des Christentums, „dass Gott nicht bei den Siegern steht, sondern unter den Opfern zu finden ist“. So gesehen wird das Kreuz auf dem Weißen Berg zum Zeichen der Versöhnung für alle, die sich im Netz der Gewalt verfangen haben: „Gott bietet seinen Frieden allen Menschen an.“

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