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21.11.2025
Menschen an den weihnachtlich geschmückten Verkaufsständen in Bonn.
Foto / Quelle: Julia Steinbrecht/KNA

Wohlfühloasen und Wirtschaftsfaktor

Weihnachtsmarkt-Saison startet / Steigende Kosten sorgen für Probleme.

Bonn

„Glühwein, Pommes und Punsch / Pomp und Weihnachtszauber total“. Das deutsche A-cappella-Pop-Quartett Maybebop besingt in einem Song den jährlichen Wahnsinn der Vorweihnachtszeit. Weihnachtsmärkte gibt es mittlerweile in jeder Kommune, die etwas auf sich hält. Sie sind Image-Faktor für den Tourismus und auch Wirtschaftsfaktor. Von ADAC bis zu Reisemagazinen und Hotel-Websites: Überall werden Ranglisten der schönsten Weihnachtsmärkte veröffentlicht. Zugleich waren Märkte in den vergangenen Jahren Ziel für Terroristen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Daten und Fakten zu einer Tradition, die unter Veränderungsdruck steht.

Wie viele Weihnachtsmärkte gibt es in Deutschland?

Das kann man nur grob schätzen. Der Deutsche Schaustellerbund spricht von 3.250 (größeren) Weihnachtsmärkten mit rund 170 Millionen Besuchern. Nach Angaben der Bundesvereinigung der Musikveranstalter haben 2024 mehr als 7.000 Veranstalter von Weihnachtsmärkten deutschlandweit die Nutzung von Musik angemeldet. Die tatsächliche Zahl der Märkte dürfte aber deutlich höher liegen, da manche private Veranstalter, Vereine und Dörfer kleine und auf einzelne Tage beschränkte Märkte organisieren.

Seit wann gibt es Weihnachtsmärkte?

Vorweihnachtliche Märkte gibt es seit dem späten Mittelalter. Im 14. Jahrhundert kam der Brauch auf, Handwerkern wie Spielzeugmachern, Korbflechtern und Zuckerbäckern zu erlauben, Verkaufsstände für die Kleinigkeiten auf dem Markt zu errichten, die die Kinder zu Weihnachten geschenkt bekamen. 1310 wurde ein Nikolausmarkt in München erstmals urkundlich genannt, 1434 der Dresdner Striezelmarkt erstmals erwähnt. Und der Nürnberger Christkindlesmarkt lässt sich bis Mitte des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen.

Bunte Süßigkeiten, darunter Lebkuchenherzen und Zuckerwatte, an einem Verkaufsstand auf dem Weihnachtsmarkt in Bonn.
Foto / Quelle: Julia Steinbrecht/KNA

Wann finden die Weihnachtsmärkte statt?

Der Trend geht zu immer längeren Veranstaltungen – also zu Frühstarts und Verlängerungen in den Januar. Der Weihnachtsmarkt in Essen-Steele öffnet beispielsweise seit Jahren schon Anfang November – im bunten Herbstlaub. Umgekehrt gibt es in machen Städten Märkte, die auch über Weihnachten und Silvester hinaus öffnen. Sie nennen sich dann auch „Wintermarkt“ oder „Lichtermarkt“. Traditionell ist es allerdings so, dass die Weihnachtsmärkte am Tag nach dem evangelischen Totensonntag – also dem kommenden Sonntag – starten.

In den vergangenen Jahren sind Weihnachtsmärkte zum Ziel von Anschlägen geworden.

Am 19. Dezember 2016 fuhr der Tunesier Anis Amri mit einem gestohlenen Lkw auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin. Der Anschlag gilt als der schlimmste islamistische Angriff in Deutschland. Zwölf Menschen starben, viele wurden verletzt. Bei einem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt gab es im Dezember 2024 sechs Tote und mehr als 300 Verletzte. Gerade steht der Täter vor Gericht. Möglicherweise islamistisch motivierte Anschlagspläne von Jugendlichen wurden 2023 in Leverkusen und Anfang 2025 in Köln vorzeitig aufgedeckt.

Was macht das mit den Weihnachtsmärkten?

Veranstalter, Kommunen und Sicherheitsbehörden haben die Sicherheitsvorkehrungen für die Märkte massiv verstärkt. Es gibt Fahrzeugsperren, mehr Sicherheitspersonal und verstärkte Polizeikontrollen, die das Sicherheitsgefühl der Besucher erhöhen sollen. Mancherorts wurden die Märkte zu Waffenverbotszonen erklärt. Mancherorts wird die Kamera-Überwachung verstärkt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) sagte am Dienstag, es bedrücke ihn sehr, dass mittlerweile selbst in kleineren Städten Weihnachtsmärkte nicht ohne umfassendes Sicherheitskonzept durchgeführt werden könnten. Er sprach sich für die Erarbeitung von städteübergreifenden Standards aus, damit die Märkte einfacher und sicher stattfinden könnten.

Das führt allerdings auch zu stark steigenden Kosten.

In den vergangenen Wochen gab es Meldungen, dass Städte und Gemeinden ihre Märkte reihenweise absagten. Dem widersprach der Deutsche Schaustellerbund. „Uns liegen nach eigener Recherche im gesamten Bundesgebiet lediglich vereinzelte Absagen von kleinen Weihnachtsmärkten vor“, sagte Präsident Albert Ritter.

Abgeriegelter Weihnachtsmarkt in Magdeburg.
Foto / Quelle: Karin Wollschläger/KNA

Die öffentlichte Aufmerksamkeit lag zuletzt vor allem beim Magdeburger Weihnachtsmarkt…

Er stand lange auf der Kippe; wegen des Sicherheitskonzepts drohte den Veranstaltern die Absage. Am Dienstag teilte Oberbürgermeisterin Simone Borris mit, dass der Markt wie geplant am Donnerstag öffnen kann. Das Sicherheitskonzept sei nochmals verstärkt worden. In NRW haben die Veranstalter des Weihnachtsmarkts in Overath bei Köln den Markt abgesagt, weil die Kosten für Sicherheit und Terrorabwehr zu hoch seien.

Ist Sicherheit der einzige Grund für steigende Kosten?

Nein. Die Aktionsgemeinschaft, die den Weihnachtsmarkt in der Kolpingstadt Kerpen bei Köln veranstaltet, verzichtet wegen insgesamt stark steigender Kosten für Sicherheit und Energie auf einen Weihnachtsmarkt. Stattdessen gibt es allerdings einen „Genussmarkt“, für den geringere Auflagen bestehen. Der Hauptgeschäftsführer des Schaustellerbundes, Frank Hakelberg, sagte am Mittwoch auf Anfrage der KNA, steigende Kosten für Energie, Lebensmittel wie Öl und Schokolade, sowie Personalkosten schlügen sich inzwischen in der gesamten Branche nieder. Die Schausteller würden die Kostensteigerungen jedoch nicht eins zu eins an die Besucher weitergegeben.

Es gab einen langen Streit um gestiegene Musiklizenz-Rechnungen, weil die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Gema) die Berechnungsgrundlage verändert hatte, nach der Autoren und Komponisten Tantiemen für ihre Werke erhalten. Das führte dazu, dass viele Markt-Veranstalter Auftritte von Chören, Musik-Ensembles und Sängern absagten. Erst kürzlich haben sich die Bundesvereinigung der Musikveranstalter und die Gema mit Vertretern der drei kommunalen Spitzenverbände auf einen neuen, allgemein gültigen Weihnachtsmarkttarif verständigt, der für die Veranstalter günstiger ist. Die Einigung gilt zunächst für vier Jahre.

Täuscht der Eindruck, dass die christlichen Ursprünge auf den Märkten immer weniger eine Rolle spielt?

Der Regensburger Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder beklagt eine „Vermassung des Weihnachtsmarktes“ seit den 1960er Jahren. Weihnachtsmärkte würden immer lauter, bunter und globalisierter. „Aus Nikolaus wird der Weihnachtsmann, das russische Väterchen Frost oder gleich ein gemütlicher Bär mit Zipfelmütze. Christliche Symbole werden verdrängt.“

KNA
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