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20.11.2025
Die deutsche Sprache kann auch melodisch sein.
Foto / Quelle: Harald Oppitz/KNA

Von wegen hart und unmelodisch

Plädoyer für die deutsche Sprache: Wenn Worte zu klingen beginnen.

Bonn

Hart, schwerfällig, sperrig – die deutsche Sprache hat keinen leichten Stand. Sie gilt vielen als präzise, aber spröde; als korrekt, doch wenig klangvoll. Voll scharfer Konsonanten, endloser Komposita und grammatischer Fallstricke. Schon Friedrich II. fand sie so unmelodisch, dass er vorschlug, an alle Verben ein „a“ anzuhängen – freilich ohne Erfolg. „Von wegen hart und unmelodisch“, widerspricht der Literaturwissenschaftler Roland Kaehlbrandt. In seinem neuen Buch „Von der Schönheit der deutschen Sprache“ will er mit diesen Vorurteilen aufräumen. „Viele Beispiele zeigen, dass das Deutsche jede Menge Möglichkeiten bietet, sich schön und ästhetisch auszudrücken“, sagt er.

Ein besonderer Reiz liege etwa im Satzbau: Er zwinge die Wörter nicht in eine starre Reihenfolge nach dem Schema Subjekt-Prädikat-Objekt, sondern erlaube eine flexible Anordnung – je nachdem, worauf das Augenmerk fallen soll. Besonders die Anfangsposition habe Gewicht. „Silbern im Mondlicht schimmerte die Straße“, nennt Kaehlbrandt als Beispiel. „Durch die beiden Umstandsbestimmungen zu Beginn entsteht ein Bild, eine Stimmung – der Leser sieht zuerst das Licht, nicht die Straße.“ Wie im Film könnten Autorinnen und Sprecher Dinge in Szene setzen, allein durch die Stellung der Wörter.

Wörter bauen wie beim Lego

Auch in der Wortbildung offenbare sich die schöpferische Kraft des Deutschen, argumentiert der Autor: Nach dem „Lego-Prinzip“ ließen sich Begriffe fast unbegrenzt zusammensetzen. So entstehen poetische Neuschöpfungen wie Goethes „Abendsonnenblick“, der „Weltschmerz“, „Nebelglanz“ oder „Handschmeichler“.

„Anders als willkürlich erfundene Wörter, die wir mühsam lernen müssen, können solche Zusammensetzungen intuitiv erschlossen werden. Sie lassen Bilder im Kopf entstehen – und bereichern unser Empfinden für Schönheit“, erläutert Kaehlbrandt. Selbst wenn viele davon – wie das Tischbein oder der Gedankenblitz – längst zu alltäglichen Metaphern geworden sind, bleibe ihre Bildkraft spürbar.

Leichtigkeit beweise das Deutsche zudem bei der Verwandlung einer Wortart in eine andere. Wie war der Einstieg in Grimms „Froschkönig“? „In alten Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, …“ Vom Verb wünschen zum träumerischen Wünschen ist es, wie Kaehlbrandt erklärt, nur ein kleiner, doch wirkungsvoller Schritt. Auch das von den Grimms geprägte anäugeln illustriert diese Sprachkunst.

Der Literaturwissenschaftler und Autor Roland Kaehlbrandt.
Foto / Quelle: Philipp Kaehlbrandt/KNA

„Wie freundlich ist die Vorstellung, von jemandem angeäugelt statt gemustert oder gar angeglotzt zu werden“, findet der Sprachforscher. Die Sanftheit des Wortes entstehe aus der verkleinerten Ableitung vom Auge und der Vorsilbe an-, die eine leise Annäherung ausdrücke. Dass solche Wortspiele auch heute noch lebendig sind, zeigt für ihn etwa die Lyrikerin Safiye Can: „Sträucher fliedern ihren Duft in die Luft“, schreibt sie in einem ihrer Gedichte. Kreativ verwandle sie den Flieder in ein neues Verb – und lasse die Sprache selbst erblühen.

Zum Repertoire an Klangschönheiten zählt Kaehlbrandt die warmen, dunklen Vokale des Deutschen. Sie sind etwa in Herbert Grönemeyers Lied „Der Weg“ zu hören – „heillos versunken, trunken…“ – oder in Fußballstadien, wenn Tom Schillings „Völlig losgelöst von der Erde“ ertöne. Auch Richard Wagner habe seine Kompositionen am Klangbild der Sprache orientiert. „Die Sprache hat ihre Sangbarkeit in einer einzigartigen Liedtradition bewiesen,“ so das Fazit des Wissenschaftlers.

Deutsch mit Witz und Wortkunst

Wer den Humor liebt, kommt Kaehlbrandt zufolge im Deutschen ebenfalls auf seine Kosten und muss „nicht zum Lachen in den Keller gehen“, wie er schmunzelnd anmerkt. Die deutsche Sprache biete unzählige Möglichkeiten für Wortspiele und Missverständnisse mit komischer Wirkung. Heinz Erhardt etwa kultivierte die „Lust am Wortverdrehen“, und die Reihe der Sprachwitzigen zieht sich über Jahrhunderte – von Sebastian Brant über Wilhelm Busch und Christian Morgenstern bis zu Loriot. Und wie sagte Harald Schmidt? – „Der Klügere kippt nach.“ Ein schönes Beispiel für doppelte Bedeutung liefere auch dieser Witz: In einer Bahnhofshalle ruft ein Verkäufer: „Heiße Würstchen!“ – worauf ein Eiliger entgegnet: „Ist mir doch egal, wie Sie heißen!“

„Leider ist all das kaum noch im Bewusstsein“, bedauert Kaehlbrandt. Heute würden in den Debatten meist Streitpunkte wie das Gendern oder die Rechtschreibreform thematisiert. „Ich gehe da andere Wege“, sagt er. Sein Ziel: die Schönheiten der deutschen Sprache wiederentdecken – ohne andere Sprachen herabzusetzen.

KNA
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