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23.04.2024
In vielen Regionen Deutschlands werden riesige Maibäume auf Markt- und Dorfplätzen errichtet. Die Bäume gelten als Symbole des Frühlings, des neu erwachten Lebens und der Fruchtbarkeit.
Foto / Quelle: Jörg Loeffke/KNA

Viele Traditionen ranken sich um den 1. Mai

Der 1. Mai symbolisiert den Aufbruch nach der langen Winterstarre. Der Tag steckt voller Traditionen und Gebräuche.

Bonn

Kein Monat wird wohl von so vielen Festen und Bräuchen begleitet wie der Mai. Oft steht der Maibaum im Mittelpunkt. Auch die Hexen tanzen. Die Gewerkschaften rufen am Tag der Arbeit zu Demonstrationen auf. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Fakten zum Feiertag.

Warum ist der 1. Mai der Tag der Arbeit?

Für Gewerkschaften und Sozialisten ist der 1. Mai ein ganz besonderes Datum. Erstmals 1890 wurde er als „Protest- und Gedenktag“ mit Massenstreiks und Massendemonstrationen international begangen. Ein Jahr zuvor hatten Gewerkschaften und Arbeiterparteien auf dem Zweiten Internationalen Arbeiterkongress in Paris beschlossen, zum Gedenken an die Opfer eines großen Arbeiteraufstandes in den USA 1886 am 1. Mai zu einer internationalen Demonstration aufzurufen. Zentrale Forderungen waren der Acht-Stunden-Tag, außerdem höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen. Der 1. Mai entwickelte sich seitdem zum Symboltag des Klassenkampfes.

Seit wann gibt es den „Tag der Arbeit“ in Deutschland?

Im Oktober 1890 beschloss die SPD, den 1. Mai auch im Deutschen Reich zum Tag der Arbeiterbewegung zu machen. Fortan kam es alljährlich an diesem Datum zu Streiks und Demonstrationen. Arbeitgeber reagierten darauf mit Aussperrungen und Entlassungen. 1919 entschied die Weimarer Nationalversammlung, den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag der Arbeiterbewegung zu erheben – allerdings nur einmalig. Für einen dauerhaften Feiertag gab es keine Mehrheit. Das änderten die Nationalsozialisten 1933: Um die Gewerkschaften zu entmachten und die Arbeiter für den neuen Staat zu gewinnen, machten sie den 1. Mai zum gesetzlichen Feiertag – der allerdings nicht die internationale Solidarität der Arbeiter feierte, sondern zum „Tag der nationalen Arbeit“ umgedeutet wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg bestätigte der Alliierte Kontrollrat 1946 den Tag als Feiertag: Sehr schnell dominierten aber in Ost- und Westdeutschland sehr unterschiedliche Inhalte. Während sie im Osten staatlich organisiert und mit militärischen Paraden inszeniert wurden, nutzten im Westen vor allem die Gewerkschaften den 1. Mai für politische Kundgebungen, die häufig mit kulturellen Veranstaltungen kombiniert wurden.

In manchen Städten gibt es am 1. Mai gewaltsame Ausschreitungen. Warum?

Bei diesen Ausschreitungen verbinden sich die Traditionen des Protests von Links und das im Volksbrauchtum verhaftete Anarchische dieses Datums. Seit 1987 gibt es in Berlin teilweise gewaltsame Proteste und Demonstrationen, die sich gegen Kapitalismus, Rassismus und soziale Ausgrenzung richten, zuletzt vor allem gegen Gentrifizierung, für bezahlbaren Wohnraum und Enteignungen. Auch in Hamburg kommt es immer wieder zu Krawallen.

Zum volkstümlichen Brauchtum am 1. Mai gehören vielerorts Maibäume. Was hat es damit auf sich?

Im Rheinland und anderen Regionen Deutschlands stellen junge Männer – in Schaltjahren auch junge Frauen – am Haus ihrer Angebeteten bunt verzierte Birkenstämme auf. Damit verbunden werden teilweise anarchische Streiche. In vielen Regionen Deutschlands werden außerdem riesige Maibäume auf Markt- und Dorfplätzen errichtet. Die Bäume gelten als Symbole des Frühlings, des neu erwachten Lebens und der Fruchtbarkeit. Seit dem 17. Jahrhundert wurde das Maibaumstellen Teil einer dörflichen Partnervermittlung. Dabei wurden die unverheirateten jungen Frauen des Ortes den Junggesellen für eine bestimmte Zeit als „Leihgabe“ übergeben.

Warum wird die Nacht zum 1. Mai auch als Walpurgisnacht bezeichnet?

Das hängt mit der in der katholischen Kirche als heilig verehrten Nonne Walburga zusammen. Die aus England stammende und 779 oder 780 gestorbene Heidenheimer Äbtissin, deren Gebeine in Eichstätt bestattet sind, wurde durch Papst Hadrian II. (867 bis 872) heiliggesprochen. Ihre Gebeine wurden an einem 1. Mai nach Eichstätt gebracht. Walburga gilt auch als Patronin für das Gedeihen der Feldfrüchte; sie wird gegen Hungersnot und Missernte, Hundebiss, Tollwut, Pest, Seuchen, Husten, Augenleiden und Sturm angerufen.

Auf dem Besen hinaus in die Nacht - Hexen, Teufel und Dämonen toben in der Walpurgisnacht auf dem Harzer Brocken. Als Hexen und Hexer verkleidet ziehen die Bewohner mit bunten Kostümen durch die Stadt.
Foto / Quelle: KNA

Was hat Walburga mit dem Hexenbrauchtum zu tun?

Eigentlich gar nichts. Beide Traditionen haben sich irgendwann verbunden. Seine Wurzel hat das Hexenbrauchtum in vorchristlichen Frühjahrsbräuchen, bei denen die Ankunft des Frühlings mit nächtlichen Freudenfeuern gefeiert wurde. Nach altem Volksglauben vertreiben in dieser Nacht die germanischen Götter Wotan und Freya die Winter-Dämonen und zeugen den Frühling.

Goethe hat diesem Brauchtum ein literarisches Denkmal gesetzt.

Richtig populär wurde die Walpurgisnacht durch Goethes „Faust“. Darin überredet Mephisto Faust, an einer Hexenfeier auf dem Brocken im Harz teilzunehmen. „Dort strömt die Menge zu dem Bösen; da muss sich manches Rätsel lösen“, hofft der verzweifelte Forscher. Die erste organisierte Walpurgisfeier auf dem Brocken ist aus dem Jahr 1896 überliefert. Aber auch in Sachsen und anderen Regionen ist das Brauchtum lebendig. Hunderte Hexenfeuer lodern traditionell etwa in der sorbischen Oberlausitz. Tatsächlich war die vermeintliche Teilnahme an solch einem „Hexensabbat“ ein Hauptanklagepunkt bei zahlreichen Hexenprozessen der frühen Neuzeit. Nach heutigen Schätzungen fielen dem Hexenwahn bis zu 60.000 Frauen, Männer, sogar Kinder zum Opfer, fast die Hälfte davon in Deutschland.

Manche Volkskundler schreiben dem Brauchtum am 1. Mai noch eine andere Wurzel zu. Welche?

Die Volkskundler des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) sind sich sicher, dass die Walpurgisnacht ursprünglich nichts mit Hexen zu tun hatte. Nach ihren Erkenntnissen wurde der 1. Mai seit dem 8. Jahrhundert als Tag der Waffenschau der Wehrfähigen begangen. Mit diesem Musterungstermin könnte das Recht zusammenhängen, vor dem Eintritt in den Militärdienst noch einmal ausgiebig „über die Stränge zu schlagen“.

Von Christoph Arens (KNA)
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