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27.10.2025
Der angebliche Kelch, mit dem Jesus das letzte Abendmahl gefeiert haben soll.
Foto / Quelle: Manuel Meyer/KNA

Valencia feiert den Heiligen Kelch

Ein Relikt des Letzten Abendmahls? Sogar SS-Chef Himmler war hinter ihm her.

Valencia

Am 30. Oktober beginnt das dritte Jubiläumsjahr rund um den „Santo Cáliz“ – den Heiligen Kelch, mit dem Jesus angeblich das letzte Abendmahl feierte. Das Gefäß im spanischen Valencia hat eine bewegte Geschichte.

Domherr Álvaro Almenar führt in eine kleine, dunkle Seitenkapelle der Kathedrale von Valencia. In dem sakralen Gewölbebau aus dem 14. Jahrhundert fallen neben dem prachtvollen Altar sofort dicke Eisenketten an den Steinmauern auf. König Alfons der Großmütige ließ sie hier 1424 aufhängen. Es sind Ketten aus dem Hafen von Marseille. Alfons brachte sie von seinem Sieg über die französische Adelsfamilie der Anjou mit, die Ansprüche auf Teile des spanischen Königreichs Aragon erhob, zu dem auch Valencia gehörte.

Sie hier aufzuhängen, hatte also eine hohe symbolische Bedeutung und gab dem militärischen Triumph eine Art göttliche Legitimation, erklärt Almenar. Denn es ist nicht irgendeine Kapelle. Es ist die Kapelle des Heiligen Kelchs, mit dem Jesus Christus der Überlieferung nach mit seinen Jüngern das Letzte Abendmahl feierte. Hier wird er aufbewahrt, hinter dickem Panzerglas in einer prächtig umbauten Nische.

"Hüter des Heiligen Kelchs"

Almenar spricht mit leiser Stimme, da sich eine Pilgergruppe gerade auf eine private Messe in der Kapelle vorbereitet. Er ist nicht nur der Domherr, sondern trägt auch offiziell den fast filmreifen Titel „Hüter des Heiligen Kelchs“. Er ist neben dem Papst die einzige Person, die den Kelch berühren darf. „Und dabei zittern mir nicht selten die Hände. Die Vorstellung, in dasselbe Gefäß zu schauen, das Jesus mit seinen Lippen berührte, macht mich zutiefst ehrfürchtig“, sagt Almenar.

Natürlich sei es eine Glaubensfrage meint der Domherr, da es keinen wissenschaftlichen Beweis dafür gibt, dass es sich bei der im Mittelalter mit Perlen, Edelsteinen und Goldfassungen verzierten, 17,5 Zentimeter hohen Schale aus Achatstein tatsächlich um den Kelch des Letzten Abendmahls handelt. Doch selbst der Vatikan scheint davon überzeugt zu sein. Deshalb gewährte Papst Franziskus der Kathedrale in der spanischen Mittelmeermetropole 2015 sogar das seltene Privileg, alle fünf Jahre ein „Heiliges Jahr“ zu feiern. Ab dem 30. Oktober ist es wieder soweit.

Gottesdienst in der Seitenkapelle des Heiligen Kelchs in der Kathedrale von Valencia.
Foto / Quelle: Manuel Meyer/KNA

Aber wie soll der Abendmahlskelch überhaupt nach Valencia gekommen sein? Der Legende nach brachte der heilige Petrus den Kelch des Letzten Abendmahls von Jerusalem nach Rom. Im 3. Jahrhundert beauftragte Papst Sixtus II. seinen Diakon Lorenzo, das Gefäß vor Kaiser Valerius in Sicherheit zu bringen. Lorenzo versteckte ihn in seiner Heimat, den nordspanischen Pyrenäen in Aragon. „Seit dem 11. Jahrhundert befand er sich dort nachweislich im Felsenkloster San Juan de la Peña, bis ihn die Mönche 1399 an Aragons König Martin übergaben, dessen Nachfolger Alfons V. ihn 1424 nach Valencia an seinen Hof überführte“, erklärt Historikerin Ana Mafé, die seit Jahren über den Heiligen Kelch forscht.

Es war der renommierte spanische Archäologe Antonio Beltrán, der 1983 als erster bestätigte, dass es sich tatsächlich um ein jüdisches Ritualgefäß aus Palästina aus der Zeit Jesu handelte. Damit ist es der einzige Kelch unter den zahlreichen, die im Laufe der Zeit als Heiliger Kelch vermutet wurden, der tatsächlich aus der Zeit Jesu stammte. Ob er der Kelch des Letzten Abendmahls sei, bleibe eine Frage des Glaubens, meint auch der Archäologe.

Spuren reichen weit zurück

Ana Mafé hat keine Zweifel: „Ich konnte den Kelch von Valencia ikonografisch bis ins 4. Jahrhundert in die römischen Katakomben zurückverfolgen.“ Doch auch die Spuren des Kelchs in Valencia selber reichen weit zurück. In der Kathedrale befindet er sich seit 1437, wie ein Registerbuch zeigt. König Alfons V. habe der Kathedrale den Kelch und andere Reliquien als Pfand für das Geld gegeben, das er sich von der Kirche für seine Kriege in Neapel lieh, und nie zurückgefordert, erklärt Kathedralen-Archivar Vicente Pons.

In Valencia wird der Kelch seit Jahrhunderten verehrt. Im Museo de Bellas Artes hängen Abbildungen der Schale von Joan Ribalta und Juan de Juanes aus dem 16. Jahrhundert. Neben dem Museum befinden sich die Ruinen des ehemaligen Königspalastes, in dem der angebliche Abendmahlskelch über Jahre in der Schatzkammer lag. Im Refektorium des imposanten Priesterseminars El Patriarca zeigt Direktor Miguel Navarro das Abendmahl-Gemälde von Juan de Juanes. Der Seminargründer, Erzbischof Juan de Ribera, stellte den Kelch bereits im 16. Jahrhundert ins Zentrum des eucharistischen Kultes, erklärt Navarro.

Die Seidenbörse, in der der Heilige Kelch 1939 nach dem Spanischen Bürgerkrieg vorläufig aufbewahrt wurde.
Foto / Quelle: Manuel Meyer/KNA

Doch warum ging die Kenntnis darüber nicht über die Landesgrenzen hinaus? „Aus Angst vor Plünderungen“, meint Navarro. Sogar SS-Führer Heinrich Himmler suchte den Kelch. Die Nazis vermuteten ihn aber im Kloster von Montserrat bei Barcelona. „Kurz zuvor wäre der Kelch im spanischen Bürgerkrieg 1936 sogar fast zerstört worden, als republikanische Truppen die Kathedrale in Brand steckten. Er konnte aber rechtzeitig in Sicherheit gebracht werden“, erklärt Alicia Palazón von der Stiftung des Heiligen Kelchs auf dem Weg zum neuen Grals-Pilgerzentrum Almudín, das in einem mittelalterlichen Getreidespeicher in der Altstadt untergebracht ist.

Nach dem Bürgerkrieg wurde der „Santo Cáliz“ 1939 zunächst in der Seidenbörse aus dem 15. Jahrhundert aufbewahrt. Doch seit dem Wiederaufbau der Kathedrale leuchtet er dort wieder in seinen bräunlichen Farben, so Domherr Álvaro Almenar leise in der Kapelle, in der die Pilgergruppe mittlerweile mit ihrem Gottesdienst begonnen hat.

KNA
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