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03.12.2025
Kathedrale Notre-Dame in Paris.
Foto / Quelle: Corinne Simon/KNA

Paris hat seine Kathedrale wieder

Schon elf Millionen Besucher. Aber: Ging die Restaurierung von Notre-Dame womöglich zu schnell?

Paris

Sie ist wieder da! Ein Jahr ist es nun her, dass die Pariser Kathedrale Notre-Dame höchst feierlich wiedereröffnet wurde. So sauber, glatt und leuchtend, wie man sie seit vielen Jahrhunderten nicht gesehen hat. Geradezu magnetisch, noch magnetischer als vor dem verheerenden Großbrand von 2019 zieht das Pariser Wahrzeichen seither die Massen an. Mehr als elf Millionen Besucher zählte die Kathedralverwaltung in den zwölf Monaten seit dem Festakt vom 7. Dezember 2024, der wohl in die Kategorie „große Geschichte“ eingehen wird.

So viele beeindruckende Bilder lieferten die Zeremonien vor einem Jahr: Wie Erzbischof Laurent Ulrich am Samstagabend bei Regen und Sturm vor dem Hauptportal stand und mit einem überdimensionierten, eines Gandalf würdigen Bischofsstab anklopfte, um jene Türen wieder aufzustoßen, die seit über fünf Jahren verschlossen waren. Die atemberaubenden Kamerafahrten durch das helle, so endlos wie makellos erscheinende Gotteshaus. Die clownesk bunten liturgischen Design-Gewänder der Zelebranten. Der anrührende Dank an die Feuerwehrleute und Handwerker. Schließlich die Weihe des neuen Bronzealtars durch den Erzbischof – mit einer ganzen Menge geweihten Chrisam-Öls.

Macrons Oderflut

Eines aber misslang an diesem pompös und minutiös geplanten Riesen-Event: das Meeting von Staatspräsident Emmanuel Macron mit den Geschichtsbüchern. Als Notre-Dame im April 2019 brannte und die Grande Nation in Schockstarre verfallen war, da schien es für den glücklosen Präsidenten wie einst 2002 die Oderflut für den fast schon abgewählten Kanzler Gerhard Schröder: Das Blatt wendete sich.

Ein grimmig entschlossener Vater der Nation war das, der da nach vorne trat und ankündigte, in fünf Jahren werde Notre-Dame wiedererstanden sein, schöner und prächtiger als je zuvor! Und Macron blieb dran, trieb an über seinen Baubeauftragten, General Jean-Louis Georgelin, der im August 2023 tödlich verunglückte. Und fast, ja fast blieb man in dem wahnwitzigen Zeitplan. 60 Staats- und Regierungschefs fanden sich schließlich zur Wiedereröffnung ein – doch es war einer zuviel.

War es Macrons Eitelkeit, den gerade erneut zum US-Präsidenten gewählten Donald Trump als erster Europäer an seiner Seite präsentieren zu wollen? Er hätte es nicht tun müssen. Schließlich war Trump zu diesem Zeitpunkt noch ein verurteilter Straftäter ohne politisches Amt. Jedenfalls sorgten allein Trumps physische Auffälligkeit, sein typisches Trump-Gesicht und seine leuchtend gelbe Krawatte dafür, dass neben ihm Macron – bei seinem allergrößten Moment – ganz klein, fast unscheinbar wirkte.

Menschen stehen an, um Zutritt zur Kathedrale Notre-Dame zu bekommen und Papst Franziskus zu gedenken.
Foto / Quelle: Corinne Simon/KNA

Seither ist weltpolitisch viel geschehen: Macron bekommt bei den Franzosen kein Bein mehr auf die Erde; Trump stellt die Welt und quasi jede Nachrichtensendung auf den Kopf – aber Notre-Dame ist das, was es immer schon war und ja wieder sein sollte: der Zentralpunkt, der Kilometer null eines ganzen Landes. Alle anderen Orte Frankreichs werden als Entfernung von diesem Punkt aus gemessen. Seit der Wiedereröffnung kamen täglich 30.000 bis 35.000 Besucher, kamen 650 Wallfahrten, fast 600 Staatsführer und offizielle Delegationen. Es fanden 1.600 religiöse Feiern und Gottesdienste statt. Ein Team aus neun Geistlichen, 45 Angestellten und 310 Freiwilligen bemüht sich, ein ruhiges Gleichgewicht zwischen dem streng regulierten Touristenstrom und den geistlichen Bedürfnissen des Gotteshauses zu finden.

Im Juni kehrten dann auch 16 Kupferstatuen des 19. Jahrhunderts in den Turmsockel an der Fassade zurück; die Turmgerüste verschwanden. Und neu in diesen Tagen: die wöchentliche Ausstellung der Dornenkrone Christi; einer Reliquie, die seit 1239 in Paris verehrt wird – künftig jeden Freitagnachmittag ab 15 Uhr.

Alles viel zu schnell!

Soweit scheint also alles gut, alles auf dem Weg. Gäbe es da nicht dieses Raunen; diese Warnung von Experten hinter vorgehaltener Hand: Das ging doch alles viel zu schnell! Das Eichenholz für den Dachstuhl sei längst noch nicht abgelagert, um Jahrhunderte ohne Verformungen zu überstehen. Und der Putz zu rasch aufgetragen, um nicht mit der Zeit rissig zu werden und womöglich in gar nicht allzu langer Zeit wieder abzufallen.

„Turlututu!“, so sagt der Franzose, wenn er Unsinn hört; auf deutsch etwa: „papperlapapp!“ – „Turlututu!“, so würde wohl auch Emmanuel Macron sagen, würde er auf solche Sorgen angesprochen. Denn noch ist es schließlich nicht so weit. Noch ist seine Kathedrale fertig.

KNA
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