Missionsgeschichte ist Ausgangspunkt für Bildung
Erzbischöflicher Stuhl zu Paderborn fördert Bildungskonzept mit 670.000 Euro / Künstlerisches Forschungsvorhaben der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) zu katholischen Missionssammlungen am Beispiel der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut.
Mit 670.000 Euro bezuschusst die Stiftung Bischof Meinwerk des Erzbischöfliches Stuhls zu Paderborn die Initiative „Räume öffnen. Ein internationales Kunstvermittlungsprojekt einer Missionssammlung im Erzbistum Paderborn“. Im Zentrum des vom Erzbischöflichen Stuhl Paderborn in Höhe von 87 Prozent der Gesamtkosten geförderten, international ausgerichteten und auf drei Jahre hin angelegten künstlerischen und kunstpädagogischen Pilotprojekts der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho am Standort Paderborn) steht die Entwicklung eines Bildungskonzepts zu den Ausstellungsstücken einer missionsgeschichtlichen Sammlung. Das von Professorin für Kulturpädagogik Maren Ziese gemeinsam mit internationalen Partnern, Kindern und Jugendlichen vor Ort, Künstlern sowie Studierenden und Angehörigen der katho des Fachbereichs Sozialwesen entwickelte und sowohl in Deutsch und Englisch umgesetzte Bildungskonzept wird den interkulturellen, globalen Wert von Kulturgütern einer in der Vergangenheit und Gegenwart entstandenen Missionssammlung eines katholischen Frauenordens einer breiten Öffentlichkeit erschließen.
Missionarisches Bildungsprojekt
„Ich bin Frau Professorin Dr. Maren Ziese sowie der Leitung der katho sehr dankbar für die profilierte Projektidee“, erklärt Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz. Das geplante Forschungsprojekt zu den missionsgeschichtlichen Sammlungen von Ordensgemeinschaften sei ein zukunftsweisendes Bildungsprojekt. Es entspreche vollumfänglich dem Zweck der Stiftung Bischof Meinwerk des Erzbischöflichen Stuhles zu Paderborn, die Bildung, Forschung und Wissenschaft fördere, insbesondere der Unterstützung von Schul- und Hochschulprojekten diene. „Als Kirche wollen wir mit dem Projekt erfahren, wie interkulturelles Lernen nach heutigen Standards gelingen kann. Das Projekt ist auch ein Beitrag kritischer Auseinandersetzung mit den kolonialen Verflechtungen und hilft, das Handeln der Kolonialisatoren und das Wirken der Missionsorden klarer auszudifferenzieren. Allein schon wegen der Partner aus verschiedenen Kontinenten, die unmittelbar beteiligt sind, wird das Projekt selbst Teil des interkulturellen Lernens sein“, zeigt sich Erzbischof Dr. Bentz gewiss.
„Mission“ sei lange Zeit von einem „christlichen Eurozentrismus“ geprägt gewesen und als „Einbahnstraße“ verstanden worden, auf der kulturelle Normen und Denkweisen, Bildung, Glaube, „Zivilisation“ aus Europa in andere Weltregionen und Gebiete gebracht werden, vertieft der Paderborner Erzbischof. Dass die vorhandenen Missionssammlungen von Orden mit dem heutigen Verständnis von Mission eine Neubewertung erhalten, sei ein richtiger Schritt. „Es ist gut, dass dieser erweiterte und eigentlich auch neue Bedeutungs- und Sinnhorizont von Missionssammlungen durch das Bildungsprojekt der katho erschlossen wird. So besteht die Chance, dass aus der missionarischen Einbahnstraße eine gute und bereichernde Erfahrungs- und Lernstraße für die Menschen heute wird.“ Der Austausch zwischen Beteiligten helfe, Begegnungsgeschichten – auch Missionsgeschichte – besser zu verstehen, einen gemeinsamen Weg des Umgangs und auf diese Weise auch der Wahrhaftigkeit und Annäherung zu finden.
Missionsgeschichtliche Sammlung mit Botschaft
„Die Artefakte der Sammlung der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut in Neuenbeken entstammen dem globalen Süden und tragen transnationale Botschaften in sich“, erklärt Professorin Dr. Maren Ziese als Projektverantwortliche. Die Schwestern der Ordensgemeinschaft waren und sind seit 1885 als internationale Frauengemeinschaft in Afrika, Amerika und Asien aktiv und haben Andenken und Geschenke, Lehrmaterialien und Funde aus vielen Jahrzehnten gesammelt und zeigen diese in einer eigenen missionsgeschichtlichen Sammlung in ihrem Kloster in Neuenbeken. „Insgesamt gibt es 50 Missionssammlungen in Deutschland, deren Zukunft, Verbleib und Instandhaltung aufgrund des Alters der Ordensmitglieder und der Menge an gesammelten Werken ungewiss ist“, ordnet Professorin Maren Ziese ihre Projektidee ein. „In Neuenbeken handelt es sich jedoch um eine lebendige Sammlung, die seit vielen Jahren besteht und seit 2016 neu konzipiert an einem speziellen Ort zusammengeführt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Damit kann sie Vorbild sein für andere Ausstellungs- und Vermittlungskonzepte im Kontext von Kirche und Mission.“
Ansätze und Wege
Die Missionsschwestern vom Kostbaren Blut in Neuenbeken seien als „sammelnde Frauen“ eine Besonderheit, erklärt Professorin Maren Ziese weiter. Im Hinblick auf das geplante Bildungsprojekt ermögliche dies, dass sowohl die Ordensschwestern aus dem globalen Süden als auch jene aus Deutschland mit ihren Biografien und den Narrativen zu den für sie bedeutsamen Artefakte durch „Storytelling“ eine Säule des Forschungsvorhabens bilden. „Zudem ist der künstlerische Zugang zur wissenschaftlichen Kontextualisierung und Erschließung von Missionsbeständen bislang eine Leerstelle“, entfaltet Professorin Ziese. In dem von ihr mit ihren Studierenden geplanten Projekt diene Kunstvermittlung als Medium, um die transkulturelle Verwobenheit der Sammlung erfahrbar zu machen. „Ansätze wie das kritische Kartographieren, Mapping, biographisch-dokumentarisches Theater, Klang und Performance, Malerei, Fotografie, Installationen und Methoden wie das Reisen der Kulturgüter selbst (‚travelling objects‘) kommen dabei zum Einsatz.“ Zudem erproben die Studierenden im Gesamtprojekt die Praxis des „Ausstellungsmachens“, das Kuratieren.
„Mit eingeladenen Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt und aus dem Erzbistum Paderborn sollen die Kulturgüter in Neuenbeken partizipatorisch weiter aktiviert und aus ihrem interpretativen Schlaf geweckt werden“, beschreibt Professorin Ziese das Projekt tiefer. Sie denkt dabei an Projekte mit Kindern und Jugendlichen, beispielsweise in Korea, Tansania, Südafrika, Kenia und Paderborn, denn aus diesen Ländern kommen die Werke der Missionssammlung in Neuenbeken. Dabei sollen Trommeln, Teegeschirr, Kleidung, Schmuck und Kalebassen ästhetisch befragt werden, eine Annäherung vollzogen und neue Deutungsansätze sowie Deutungsperspektiven der Kulturgüter im Sinne des globalen Lernens entwickelt werden. „Hierfür ist geplant, ein mobiles Kunstvermittlungslabor im Paderborner Innenstadtbereich im Herbst 2025 und Frühjahr 2026 zu eröffnen sowie mit Kindertagesstätten, Schulen und Jugendtreffs zu kooperieren“, erläutert Professorin Ziese ihre Ziele.
Umfassende Verbindung
Schwester Dr. Magdalena Mikus CPS vom Provinzrat der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut in Neuenbeken freut sich über das an der katho angesiedelte Bildungsprojekt, das die ordenseigene Missionssammlung in den Blick nimmt. Das Missionsverständnis habe sich in den letzten Jahren stark verändert, heute sei klar, „jeder Mensch, der getauft ist, ist Missionar“, sagt die Ordensfrau. Aus der ordenseigenen missionsgeschichtlichen Sammlung ist der Ärztin und Ordensschwester ein sogenannter „Lebensbaum“ wichtig. Das aus Tansania kommende Kunstwerk ist für sie ein Symbol der umfassenden Verbindung untereinander, Menschen, Generationen aber auch Gottes Schöpfung bilden eine große Gemeinschaft – „wir können uns gegenseitig bereichern“. Die Bestände in der Sammlung seien Erinnerungsstücke, die den einzelnen Schwestern helfen, ihre Identität immer neu zu beschreiben und zu reflektieren und ins Heute zu transportieren. „Das künstlerische Forschungsprojekt würdigt die Lebensleistung unserer Schwestern, die sich mutig für diesen biographischen Weg entschieden haben und bis heute internationale Kontakte in viele Länder pflegen. Uns gefällt an dem Ansatz auch, dass es einen wertschätzenden Blick auf die Sammlungsgeschichte unseres Ordens gibt und die Kulturgüter neu und auch kritisch definiert werden. Nur so kann eine (im)materielle Kultur für immer neue Generationen verständlich bleiben.“
Praxisnähe, die ausstrahlt
Professorin Dr. Barbara Schermaier-Stöckl ist Rektorin der katho. Sie ist stolz auf das praxisnahe Bildungsprojekt, das nicht nur in die Stadt Paderborn, vielmehr in das Erzbistum Paderborn ausstrahle und Bedeutung für alle Missionssammlungen habe. „Wir als katho sind der Stiftung Bischof Meinwerk sehr dankbar für die großzügige Förderung dieses für uns so wichtigen Forschungs- und Transferprojekts. Mit über 60 Partnerhochschulen sind wir weltweit vernetzt und insbesondere der globale Süden liegt uns sehr am Herzen. Es freut mich sehr, dass mit diesem Projekt unsere Studierenden, aber auch Weiterbildungsteilnehmende der katho unmittelbar die transnationale Bedeutung künstlerischer Werke erfahren und sie in die Arbeit mit den internationalen Partner*innen sowie Künstler*innen einbezogen werden. In der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vor Ort erfolgt durch die Studierenden gemeinsam mit den Partner*innen ein unmittelbarer Transfer der Erkenntnisse in die Praxis. Das Projekt bietet daher unseren Studierenden außergewöhnliche Lernerfahrungen über den Studienalltag hinaus.“
Neue Zuwege zu missionsgeschichtlicher Sammlung
Dr. Rolf Mertens ist die Missionssammlung der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut ans Herz gewachsen. Er hat diese zusammen mit Schwester Marie Benedikte Schildkamp CPS neu zusammengestellt. Er kennt die Missionssammlung und die einzelnen Ausstellungsstücke gut und kann diverse Geschichten dazu erzählen. Dass jetzt Studierende der katho zunehmend Interesse daran haben und durch das Projekt auch vermehrt Schulklassen und Jugendgruppen sowie internationale Gäste in die Ausstellung kommen werden, freut ihn und eröffnet auch eine Zukunftsperspektive für die Sammlung. „Die Kulturgüter durch künstlerische Forschung zu aktivieren und neue Lesarten zu ergänzen, stellt eine große Chance für eine nachhaltige Strahlkraft der Ausstellung dar.“
Ausblick
Eine internationale Tagung mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Kunstschaffenden, Museumsakteuren und Vertreterinnen und Vertreter der Kirche ist für den 12. bis 14. Januar 2026 an der katho am Standort Paderborn und in Neuenbeken angesetzt. Partnerschaften mit den Städtischen Museen Paderborns, der Stadtbibliothek und dem Erzbischöflichen Diözesanmuseum sowie bundesweiten Kultur- und Forschungseinrichtungen sind anvisiert.
Zum Abschluss des Projekts wird es ein Handbuch und einen Kunstkatalog geben, die als Anleitungspublikation für eine museumspädagogische Vermittlung von Missionssammlungen beispielhaft genutzt werden kann. Das Vorhaben endet mit einer Weiterbildungs- und Schulungsreihe für Kulturvermittelnde, Pädagogen, Museumsleuten und anderen Orden und Bistümern, um Nachhaltigkeit und Zukunftsperspektive zu sichern.