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22.03.2024

Machtmissbrauch ist omnipräsent

Mit der MHG-Missbrauchsstudie ist das Thema Machtmissbrauch in der Kirche omnipräsent. Lässt sich dieser vermeiden oder ist er durch das hierarchische System Kirche bedingt? Darüber diskutierten ­Verantwortliche und Entscheidungsträger aus dem gesamten Erzbistum.

Foto / Quelle: Patrick Kleibold
Patrick Kleibold

Grundtext„Das ganze System der katholischen Kirche ist machtmissbräuchlich“, sagt Gemeindereferentin Regina Nagel. Als Mitherausgeberin des Buches „Machtmissbrauch im pastoralen Dienst – Erfahrungen von Gemeinde- und ­Pastoralreferent­:­innen“ hat sie bundesweit 30 Männer und Frauen nach ihren Erfahrungen gefragt. Ein Ergebnis dieser Befragungen ist, dass sehr viele da­runter leiden, dass sie das System katholische Kirche in ihren Möglichkeiten ausbremst. Gerade für Frauen sei dieses Problem besonders greifbar, weil sie von vorn­herein gar nicht die Chance ­hätten, sich in die Gruppe der Kleriker hineinzubegeben. ­Regina Nagel ist überzeugt, dass das ­System Kirche eine Geschlechtergerechtigkeit nicht kennt und dass die Schilderungen im Buch nur die Spitze des Eisberges sind.

In ihrem Eröffnungsvortrag schilderte sie die Entstehung des Buches und gab einen Einblick in die Ergebnisse der Umfrage, an einigen Stellen mit einem sehr konkreten Blick auf Situationen im Erzbistum Paderborn. Machtmissbrauch im pastoralen Dienst könne völlig unterschiedliche Formen haben, schilderte Nagel: 68,8 Prozent der Befragten beklagten die Missachtung ihrer Kompetenzen, 51,7 Prozent die Abwertung ihrer Person aufgrund des fehlenden Weiheamtes und 41,3 Prozent nannten Bossing als eine zentrale Form des Machtmissbrauchs. Bossing bedeutet „Mobbing von oben“ und heißt, dass das Schikanieren vom Vorgesetzten bzw. von einer in der betrieblichen ­Hierarchie höher platzierten Person ausgeht.

Weitere genannte Formen sind spirituelle Bevormundung, Abwertung des Geschlechts, Unterbinden der freien Meinungsäußerung, Mobbing, Beschimpfung oder auch die Abwertung von Lebensformen. Sexuelle Gewalt und körperliche Gewalt nehmen im Kontext dieser Befragung zum Machtmissbrauch mit jeweils 0,8 Prozent nur eine untergeordnete Rolle ein. Insgesamt wurden 15 Varianten des Machtmissbrauchs abgefragt.

Machtmissbrauchs nicht nur durch Priester

Diskutiert wurde an diesem Tag im Liborianum auch, ob es diese Form des Machtmissbrauchs nur durch Priester gibt. Die Verantwortlichen und Entscheidungsträger aus dem gesamten Erzbistum sowie viele anwesende Gemeindereferentinnen und -referenten verneinten dies. Machtmissbrauch betreffe nicht nur die Laien. Auch Priester selbst würden oftmals unter Kolleginnen und Kollegen, ihrem Bischof oder eben dem Gesamtsystem Kirche leiden. Im Mittelpunkt der Diskussionen an diesem Tag standen dennoch mehr die Laien.

Ein Teilnehmer des Tages war Monsignore Michael Bredeck in seiner damaligen Funktion als Diözesanadministrator des Erzbistums. Er sprach von einem „systemischen Problem“. Dieses würde in der „offenkundigen Dissonanz zwischen dem Evangelium und der eigentlichen Organisationsstruktur“ liegen und lasse sich leider nicht so einfach auflösen. Er sieht einen deutlichen Widerspruch zwischen den Themen Liebe, Barmherzigkeit und auf der anderen Seite den Regeln und Ordnungen des Systems Kirche. In einem nächsten Schritt sprach er auch ein Problem an, das durch den jeweiligen Charakter einiger Priester begründet sei: „Es gibt leider Pfarrer, die nicht in der Lage sind, so zu leiten, dass es andere nicht krank macht“, sagte Bredeck. Diese Personen aus dem Amt zu entfernen, sei ein sehr schwieriges Unterfangen. In seiner Zeit als Administrator seien zwei Pfarrer aus dem Dienst genommen worden.

Ebenfalls teilgenommen hat die Ordensreferentin Dr. Rosel Oehmen-­Vieregge. Sie ging auf kirchenrechtliche Aspekte und die Arbeitshilfe der Deutschen Bischofskonferenz „Machtmissbrauch geistlicher Autorität – Zum Umgang mit Geistlichem Missbrauch“ ein. Sie sagte, dass die rechtliche Einordnung eines Vorfalls ein sehr wichtiger Schritt sei: „Denn bei vielen Betroffenen ist das Rechtsempfinden durch erlebtes Unrecht stark belastet. Für diese Betroffenen ist im Prozess der Aufarbeitung die Wiederherstellung der ethischen Balance – das heißt, das Bemühen um ausgleichende Gerechtigkeit – ein wesentliches ­Element“, sagte Oehmen-Vieregge.

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