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08.04.2024
Grigory Rabinovich (Zentralrat der Juden), Stephan Anpalagan, Anna Ben-­Shlomo, Elvedin Goljica, Josephine Ballon und BVB-­Präsident Dr. Reinhold Lunow (v. l.) diskutierten im Borusseum.
Foto / Quelle: Wolfgang Maas

Fluch und Segen zugleich

Über „Die sozialen Medien als Grenzbereich“ diskutierten Experten im Borusseum. Eingeladen hatte die „Denkfabrik Schalom Aleikum“ des Zentralrates der Juden in Deutschland.

Dortmund

Die kurzen Ausschnitte aus verschiedenen Nachrichtensendungen zu Beginn zeigten: Es herrscht Redebedarf. Von zunehmendem Antisemitismus und Übergriffen auf Muslime nach dem Angriff der Hamas auf Israel war da die Rede. Es hätte hitzig werden können im Museum des BVB am Stadion. Doch die Menschen, die sich hier trafen, wollten das genaue Gegenteil – miteinander reden, dem anderen zuhören und vor allem nicht vereinfachen. „Es ist krass, wie sehr pauschalisiert wird, wie schnell alle in einen Topf geworfen werden.“ So fasste Anna Ben-­Shlomo ihre Eindrücke aus den sozialen Medien nach dem 7. Oktober zusammen. Anna Ben-­Shlomo bietet unter anderem Führungen für Lehrkräfte durch die Dortmunder Syna­goge an und engagiert sich bei „Meet A Jew“.

Diese Einschätzung teilten auch die anderen beiden Teilnehmer auf dem Podium. Der Diplom-­Theologe, Berater und ­Influencer Stephan Anpalagan und Elvedin Goljica, stellvertretender Bundesvorsitzender des muslimischen Jugendwerkes in Dortmund, kennen ebenfalls abschreckende Beispiele. „Warum tut man sich das dann an?“, wollte die Moderatorin des Abends Josephine Ballon (­HateAid ­gGmbH) wissen. Die Antwort ist einfach und banal: Jugendliche sind mit Plattformen wie Facebook, X (ehemals Twitter) und ­TikTok sozialisiert. „Über klassische Medien erreichen wir sie nicht mehr“, betonte Elvedin Goljica.

Stephan Anpalagan wehrte sich jedoch „total dagegen, alles, was schiefläuft, auf ­Social ­Media zu schieben“. Ja, es gebe Diskriminierung – nicht nur gegen religiöse Gruppen – und der Ton verschärfe sich. Zu viele User hätten das Gefühl, sich in einem rechtsfreien Raum zu bewegen. Der ­Influencer forderte deshalb „klassische Polizeiarbeit“, um Grenzen zu ziehen. Letztlich sei ­Social ­Media „Fluch und Segen zugleich“. Viel früher möchte Anna Ben-­Shlomo ansetzen: „Medienkompetenz sollte genauso wie respektvolles Miteinander Teil des Lehrplans an Schulen werden.“

Problematisch sei es, dass hinter den Online-­Angeboten Konzerne stecken. „Mit politischer Bildung und Aufklärung macht man keine Profite“, so das Fazit. Dennoch sei der Dialog wichtig, das Schauen auf Gemeinsamkeiten. Diesem Ziel hat sich die Denkfabrik seit ihrer Gründung im September 2022 verschrieben. Sie ist hervorgegangen aus dem Projekt „Schalom Aleikum. Jüdisch-­muslimischer Dialog“.

Wolfgang Maas
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