Der Patient ist mehr als eine Krankheit
Ärztetag im Erzbistum Paderborn mit 180 Teilnehmenden.
Einmal jährlich lädt das Erzbistum Paderborn zum Ärztetag. Dieses Austauschforum für Angehörige der Heilberufe hat sich bestens entwickelt. Und so musste Dr. Werner Sosna als Koordinator der Veranstaltung in diesem Jahr eine entsprechende Räumlichkeit für rund 180 Gäste finden. „Für das Audimax der Theologischen Fakultät ist es eine Premiere, für mich ein Abschied“, begrüßte Sosna die Gäste – er befindet sich bereits im beruflichen Ruhestand und hat den Ärztetag jetzt letztmalig federführend als Kopf einer Projektgruppe organisiert.
Großes Lob gab es dafür von Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz, der die Teilnehmenden des Ärztetages begrüßte und dabei auch den weiteren Kooperationspartnern der Veranstaltung – die Akademie für medizinische Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL), die Kassenärztliche Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) und die Theologische Fakultät Paderborn – dankte. Inhaltlich leitete der Erzbischof zum Thema „Ärztliche Seelsorge – Der Patient ist mehr als seine Krankheit“ ein und bildete die Klammer zu den folgenden Fachvorträgen.
„Als Kirche von Paderborn ist der Ärztetag immer ein Angebot, sich mit Fragen des Menschenbildes auseinandersetzen zu können, die uns in konkreten Situationen begegnen und herausfordern“, sagte Dr. Udo Markus Bentz. „Von Ihrer Seite sind dabei Perspektiven aus den unterschiedlichen Fachgebieten der ärztlichen Praxis einzubringen, von unserer Seite Perspektiven der theologischen Ethik oder der Pastoralpsychologie. Immer geht es dabei darum, den Menschen als Person im Blick zu behalten, was angesichts der vielfältigen Herausforderungen im ärztlichen Berufsalltag sicher ein zentrales und gemeinsames ethisches Ziel darstellt.“ Es sei keine Grenzüberschreitung, mit dem Begriff „ärztliche Seelsorge“ auf das ärztliche Selbstverständnis und die Beziehung zum Patienten einzugehen.
„Seelsorge mag in vielen Gesprächen mit Patienten nur rudimentär möglich sein, aber unser Eingehen auf die konkreten und manchmal nur ansatzweise ausgesprochenen Ängste und Sorgen der Patienten eröffnet eine neue Dimension der gegenseitigen Wahrnehmung und Wertschätzung“, machte der Erzbischof deutlich.
Mensch als Individuum muss im Blickpunkt stehen
Diesen Faden nahm Prof. Dr. theol. Lic. psych. Klaus Baumann, Universität Freiburg, Lehrstuhl für Caritaswissenschaften und Christliche Sozialarbeit, in seinem Vortrag „Was brauchen kranke Menschen? Ärztliche Seelsorge als Alternative, Notnagel oder Konkurrenz für kirchliche Seelsorge?“ auf. Bei jeglicher Betrachtung müsse der Mensch als Individuum im Blickpunkt stehen, denn Jede und Jeder habe eine eigene Lebens- und Krankheitsgeschichte. „Ärztliche Seelsorge bedeutet die Unterstützung der Patientinnen und Patienten bei der Annahme der Sinnhaftigkeit ihres Leidens“, sagte der Wissenschaftler. Gleichwohl biete die Medizin keine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Hoffnung geben sei die zentrale Botschaft – auch bei Schwersterkrankten.
Prof.in Dr. med. Dipl. Psych. Franziska Geiser, Universitätsklinikum Bonn, Klinik und Poliklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, hatte ihren Vortrag „Integrierte Psychosomatik – Wie verändert ein modernes bio-psycho-soziales Modell das ärztliche Gespräch?“ aufgrund einer kurzfristigen privaten Terminüberschneidung als Video zu Verfügung gestellt.
Sie thematisierte die historische Entwicklung von Krankheitsmodellen bis hin zum bio-psycho-sozialen Modell, das aktuell häufig Grundlage des medizinischen Handelns sei. Ihr Appell: „Wir brauchen ein neues Modell, das die Symptomwahrnehmung inkludiert. Denn je mehr Systemelemente beachtet werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, die Dysfunktion zu verstehen.“ Sie plädierte für die Etablierung von Praxisteams und Stationseinheiten, in denen das multimodale Denken bewährt sei.
Prof. Dr. med. Arndt Büssing, Universität Witten-Herdecke, Lehrstuhl für Lebensqualität, Spiritualität und Coping richtete ebenso den Blick auf den Alltag in Praxen und Kliniken. In seinem Vortrag „Ist die Seele im Lot? Spirituelle und existentielle Kommunikation in der ärztlichen Berufspraxis“ machte er deutlich, dass „die spirituellen Bedürfnisse der Patienten im Klinikalltag zumeist unbeachtet bleiben“. Gründe dafür seien die professionelle Neutralität und der Zeitmangel. Letzterer sei ohnehin eine der größten Herausforderungen bei der angemessenen Behandlung von Patientinnen und Patienten. „Maßgeblich ist existenzielle Kommunikation, also die Begegnung zwischen Menschen, bei der das eigene Sein zum Ausdruck kommt“, so Büssing. Er warnte vor einer „sozialräumlichen Lücke“ und meinte damit, dass Patientinnen und Patienten mit ihren spirituellen Bedürfnissen allein gelassen werden.
Diskussion und Musik
Im Rahmen einer anschließenden Diskussionsrunde, die von Dr. Ulrich Polenz, Leiter der KVWL-Bezirksstelle Paderborn und Mitglied der Planungsgruppe, moderiert wurde und an der in Vertretung von Prof.in Dr. med. Dipl. Psych. Franziska Geiser noch Dr. med. Katrin Imbierowicz, Leitende Oberärztin und Mitglied im Leitungsteam „Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“ am Universitätsklinikum Bonn, teilnahm, wurden noch einmal wesentliche Aspekte der vorangegangenen Vorträge aufgegriffen und thematisiert.
Ein feierlicher Sonder-Programmteil folgte vor der Mittagspause: Dr. Werner Sosna und Dr. Ulrich Polenz wurden zum Abschied für ihr langjähriges Engagement für den Ärztetag von Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz und Thomas Klöter, Bereichsleiter Pastorale Dienste im Erzbistum Paderborn, mit Präsenten bedacht.
Der Ärztetag endete traditionell mit einem musikalischen Beitrag. „Klangräume – Musik für die Seele“ vereinte Robert Kusiolek am Akkordeon, Anton Sjarov an Violine und Klangobjekten sowie Elena Chekanova an Live Elektronik und Klavier.