Da sein bei Fragen, Sorgen und Nöten
Im Interview spricht der Diözesanbeauftragte für Krankenhausseelsorge, Pastor Frank Wecker, darüber, warum nicht alle traurig sind, wenn sie das Fest im Krankenhaus verbringen müssen.
Was bringt ein Krankenhausseelsorger Patienten zu Weihnachten – gute Worte, Schokolade, Zeit?
Grundsätzlich ist es gut, wenn man an den Feiertagen den Patienten etwas bringt, denn Weihnachten ist die Zeit der Geschenke und der Erinnerungen; an Feste, die die Patienten im Kreis der Familie verbracht haben – vor allen Dingen, weil sie das aktuelle Fest eben nicht dort verbringen können.
Wer liegt eigentlich Weihnachten im Krankenhaus?
Es sind nur die Patienten, für die es wirklich nötig ist, bei denen es aus medizinischen Gründen nicht möglich ist, sie nach Hause zu entlassen über die Feiertage. Diejenigen, die bleiben müssen, sind also unter Umständen schwer krank – zumindest ist die Pflege zu Hause nicht gewährleistet. Hinzu kommt die Einsamkeit. Deshalb ist es wichtig, ihnen erst einmal Zeit mitzubringen. Das ist in diesem Moment das wichtigste Geschenk. Für diejenigen, die der Kirche nahestehen, kommt noch gerade an Heiligabend der Gottesdienst dazu. Auch wenn sie ihn nicht direkt mitfeiern können, gibt es die Möglichkeit der Übertragung ans Krankenbett.
Sie haben die Einsamkeit gerade schon angesprochen, welche Rolle spielt sie?
Das ist ein wenig zwiespältig: Es gibt Patienten, die froh sind, dass sie über die Feiertage im Krankenhaus bleiben können, weil zu Hause niemand auf sie wartet. Die Zahl derjenigen, die allein leben, nimmt zu – gerade bei älteren Menschen. Sie sind froh, dass man sich um sie kümmert, dass sie jemand haben, mit dem sie reden können. Für diejenigen, die eine Familie haben, ist es genau umgekehrt, weil sie nicht mit ihren Angehörigen feiern können. Das ist eine schwierige Situation, selbst wenn sie Besuch bekommen. Man erlebt als Seelsorger beides.
Weihnachten ist sehr stark mit Emotionen verbunden – unabhängig davon, ob Menschen religiös sind. Hinzu kommt die Krankheit. Was macht das mit den Patienten?
Wenn Menschen krank sind, sind sie sensibler, sie werden dünnhäutiger. Das, was vielleicht im Unterbewussten geschlummert hat, tritt offener zutage – gerade an Weihnachten. Und das sind nicht immer nur schöne Erinnerungen! In dieser Situation – Weihnachten im Krankenhaus – kommen häufig die grundlegenden Themen im Leben auf den Tisch. Das kann mit religiösen oder Fragen des Glaubens verbunden sein, ist es aber in den meisten Fällen nicht.
Ist denn die Nachfrage nach Seelsorge an den Feiertagen größer?
Man wird nicht unbedingt direkt mehr angefragt. Deshalb ist es wichtig, präsent zu sein, ans Krankenbett zu gehen und zu zeigen, dass man da ist, ansprechbar ist bei allen Fragen, Sorgen und Nöten. Denn viele Menschen leiden gerade an diesen Tagen eher still vor sich hin. Wenn Patienten ein Gespräch direkt verlangen, muss die Krise schon sehr groß sein nach meiner Erfahrung.
Ansprechbar sein – wie setzt man das als Seelsorger im Krankenhaus praktisch um?
Da sind wir wieder bei der Frage nach dem Geschenk: Es ist gut, wenn man an den Feiertagen oder den Tagen davor bei den Patienten vorbeischaut und ihnen etwas mitbringt – eine Karte, einen Weihnachtsbrief. Darauf können neben guten Wünschen die Kontaktdaten und die Angebote über die Feiertage vermerkt sein.
Wie ist man als Seelsorger präsent, ohne aufdringlich zu sein?
Zuerst einmal kann man sich bei einem unverbindlichen Besuch im Krankenzimmer kurz vorstellen. Dazu kann man beim Pflegepersonal nachfragen, ob Schwestern oder Pfleger den Eindruck haben, dass Patienten akut Gesprächsbedarf haben. Sie sind näher an den Patienten und bekommen das unter Umständen ganz direkt mit. Darüber laufen viele Kontakte.
Häufig sind das wahrscheinlich Patienten, die nicht unbedingt mit der Kirche verbunden sind.
Das ist sicherlich sogar die Mehrheit! Wir treffen oft Menschen, die nicht mehr in der Kirche beheimatet sind oder es nie waren. Praktizierende Christen sind nur noch ein Bruchteil. Aber trotzdem hört man oft im Nachhinein, dass der Besuch des Krankenhausseelsorgers gutgetan hat – unabhängig von der religiösen Einstellung.
Sie werden also akzeptiert – auch von den Menschen, die keinen Kontakt zur Kirche haben?
Die Akzeptanz ist sehr groß – von Patienten, Mitarbeitern und der Geschäftsführung. Auf direkte Ablehnung trifft man nur selten.
Sie repräsentieren Kirche in einem Umfeld, wo nicht jeder es sofort erwartet. Was heißt das für Sie?
Herauszugehen und nicht zu wissen, auf welche Menschen man trifft, macht diese Aufgabe spannend und reizvoll. Es ist eine Möglichkeit, die Frohe Botschaft zur Sprache zu bringen außerhalb eines geschützten Raumes. Wir treffen auf Menschen, denen wir in der Kirche nicht begegnen würden. Und genau das hat Jesus gewollt: Hinauszugehen und da zu sein, wo man auf Menschen trifft!
Nicht zuletzt ist der Besuch von Kranken auch ein Werk der Barmherzigkeit.
Sicherlich treffen wir die Kranken in den Kliniken, aber – und das darf man nicht vergessen – auch woanders: in Pflegeeinrichtungen, in Privathaushalten. Diese Frage sollte uns auch mit Blick auf den Transformationsprozess im Erzbistum beschäftigen: Wie erreichen wir die kranken Menschen außerhalb der Einrichtungen; diejenigen, die zu Hause versorgt werden? Vielleicht könnte man in diesem Zusammenhang die Krankenhausseelsorge mehr einbinden. Denn die Krankenpastoral gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben, sozusagen zu unserem Kerngeschäft. Jesus hat uns das mehrfach ins Stammbuch geschrieben.
Warum ist das ins Hintertreffen geraten?
Vielleicht hängt es mit dem gesamtgesellschaftlichen Trend zusammen, bestimmte Aufgaben immer mehr an Experten und entsprechende Institutionen zu delegieren. So besteht die Gefahr, dass kranke Menschen außerhalb der Kliniken nicht gesehen werden. Dahinter steht kein böser Wille. Deshalb sollten wir die Chance, Seelsorge an den Kranken bei der Neustrukturierung des Erzbistums besonders zu berücksichtigen, nicht verpassen! Die Konferenz der Klinikseelsorge möchte dazu einen Beitrag leisten. Vergessen darf man in diesem Zusammenhang auch nicht, dass durch den Rückgang des pastoralen Personals ja auch die Klinikseelsorge nicht mehr flächendeckend gewährleistet sein wird.
Kann ehrenamtliches Engagement da unterstützen?
Das tun ja die Grünen Damen und Herren schon seit Langem! Sie sind für uns wichtige Partner, wir arbeiten Hand in Hand. Hinzu kommen die seelsorglichen Patientenbegleiter, die es in unserem Erzbistum seit einigen Jahren gibt und die ebenfalls hervorragende Arbeit leisten.
Gab es Begegnungen zu Weihnachten, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?
Während meiner Zeit in Dortmund hatte ich so ein Erlebnis: Wir waren gerade dabei, die Krippe aufzubauen, als ein Paar mit einem Neugeborenen in die Kapelle kam. Ich dachte im ersten Moment, es ginge um eine Taufe, aber der Grund war ein ganz anderer: Sie baten um eine Kindersegnung und wollten mit dem Kind zur Krippe. Am Heiligabend haben wir das Baby dann zu Jesus an die Krippe gelegt. Das war wirklich ein rührender und ganz starker Moment! So etwas kann man nicht planen, es ergibt sich einfach. So eine Begegnung hat man nur in diesem Kontext!
Was macht die Arbeit als Klinikseelsorger für Sie so reizvoll?
Ich kann direkt wirksam sein als Seelsorger – auch weil ich so viel Freiraum habe. Ich begegne so vielen Menschen, die ich im normalen kirchlichen Umfeld nie getroffen hätte! Und ich merke, dass ich wirklich gefragt bin.