Schuldenfalle Energiekosten

Die 23 Teilnehmer kamen aus Bielefeld, Minden oder Hagen nach Hamm. (Foto: Körtling)

Sozialer Sprengstoff (Schuldenfalle Energiekosten) wurde im Rahmen der bundesweiten „Aktionswoche Schuldnerberatung“ vom Diözesan-Caritasverband und dem Katholischen Sozialdienst (KSD) Hamm aufgegriffen. Kritik gab es von Expertenseite am aktuellen Entlastungspaket der Bundesregierung.

Hamm (pk). Die Verbände hatten einen Praxisworkshop an der SRH Hochschule Hamm organisiert, bei dem Fachleute aus den Bereichen der Schuldner- und Sozialberatungen unter dem Motto „Steigende Energiekosten … und plötzlich überschuldet?“ aus ganz NRW teilnahmen.

Die Referenten vermittelten das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln. Christian Stegemann, Leiter der Energiebeschaffung der Stadtwerke Hamm, Maria-Elisabeth Lang vom KSD Hamm sowie Margarethe Meyer, Fortbildungsexpertin aus Essen, boten einen umfassenden Ausblick über die stetig steigenden Energiekosten, bewährte Beratungsmethoden zur Energieeinsparung sowie die aktuellen gesetzlichen Änderungen und politischen Maßnahmen.

Nach Einsparpotenzial suchen

Stegemann warb dafür, dass die Berater den kurzen Dienstweg zu den örtlichen Versorgern, im Regelfall den Stadtwerken, pflegen sollten. Die meisten böten Verträge an, die wesentlich kostengünstiger als die jedem zustehende gesetzliche Grundversorgung seien. Das böte Einsparpotenzial. Wenn doch mal eine große Nachzahlung für Energiekosten anstünde, so könnten die Kunden, gerne mit den bewährten Beratern, ins Gespräch kommen und, noch bevor Mahnungen und Sperren drohten, eine Lösung finden.

Mittel- und langfristig werde sich keine anhaltende Preissenkung im Energiesektor zeigen, so der Experte. Neben dem aktuellen Ukraine-Krieg und den daraus resultierenden Lieferbeschränkungen aus Russland gebe es noch einige andere Preistreiber: Da das gesamte Gasnetz auf H-Gas umgestellt wird, ergeben sich daraus hohe Erneuerungskosten. Auch der beschlossene Ausstieg aus Kohleverstromung und Kernenergie werde noch lange brauchen, wie er anhand aktueller Grafiken nachwies. Das werde ebenfalls noch längere Zeit für hohe Kosten sorgen, die letztendlich alle Verbraucher träfen.

„Schnäppchen“-Warnung

„Es ist nicht damit getan, die Raumtemperatur etwas zu senken“, so Stegemann. Für die Herstellung nahezu aller Produkte und deren Transport sei Energie notwendig, und das werde sich in allen Bereichen wiederfinden. Trotz der aktuell stark gestiegenen Preise schlössen die Versorger derzeit mehrjährige Industrie­verträge ab, da sich auch die Einkäufer der Industrie keine sinkenden Preise versprechen. Die Endverbraucher warnte er davor, Verträge mit augenscheinlichen Schnäppchentarifen einzugehen. Oft sei man dann langfristig gebunden, und am Ende zahle man drauf.

Lang stellte den Beratern das beim KSD Hamm seit vielen Jahren erfolgreiche Beratungsmodell „Stromsparcheck aktiv“ vor. Wenn die Haushalte da­rum bitten, kommen speziell geschulte Kräfte in die Haushalte. Sie erfassen den vorhandenen Gerätebestand und den individuellen Verbrauch. Später werden der Istzustand im Büro genau analysiert und konkrete Maßnahmen zu einer sparsameren, effektiveren Energienutzung ausgearbeitet.

Bei einem zweiten Besuch bringen die Berater kostenlos Geräte mit, die direkt helfen, den Verbrauch zu senken. Das können abschaltbare Steckdosenleisten, LED-Leuchtmittel oder Sparduschen sein. Im Beratungsgespräch kann auf Verhaltensweisen oder Förderungen für den Austausch von Energiefressern hingewiesen werden. Christoph Eikenbusch vom Diözesan-Caritasverband erklärte am Rand der Veranstaltung, warum Hamm so geeignet für die gelungene Beratung sei: „Sowohl die Stadtwerke als auch das JobCenter sind hier in kommunaler Hand“, so der Caritas-Abteilungsleiter.

Steigende Betroffenenzahlen

Das helfe bei der guten Zusammenarbeit und gebe die Möglichkeit, auch die Experten, etwa der Energiewirtschaft, für solch eine Veranstaltung zu gewinnen. „Wir wollen ja schließlich darüber aufklären, was getan werden kann, um die Unterbrechung der Energieversorgung zu vermeiden“, so Eikenbusch. Er rechne fest damit, dass die Zahl der Klienten auf diesem Gebiet sprunghaft steigen werde und die zunehmende Preisspirale auch die Haushalte betreffen werde, die mit einem geringen Einkommen bislang noch gut ohne Hilfe ausgekommen seien.

Margarethe Meyer klärte die Beratungsprofis schließlich darüber auf, welche Mittel das Entlastungspaket der Bundesregierung bietet und welche Gesetze und deren Neuerungen im Konfliktfall zu beachten sind. Nach einem umfassenden Überblick über die Zahlen und die Anspruchsberechtigten zog sie jedoch ein ernüchterndes Fazit: So viel Wirbel das Entlastungspaket auch medial gemacht habe, erklärte Meyer, bleibe es dabei, dass es sich ausschließlich um Einmalzahlungen handele. Im Beratungsalltag seien daher eher die Neuerungen in Bezug auf die Strom- und Gasgrundversorgungsordnungen wichtig.

So müsse der Verbraucher auch im härtesten Konflikt zweimal angeschrieben werden, bevor eine Versorgungsunterbrechung erfolge. Dabei müsse auf örtliche Beratungsangebote verwiesen, eine Abwendungsvereinbarung zinslos unterbreitet werden und, wenn möglich, auf ein Vorauszahlungs- oder Prepaid-Verfahren hingewiesen werden.

Zudem können die Berater auf konkrete Gefahren für Leib und Leben der Betroffenen hinweisen. Diese beginnen, wenn die Nahrungszubereitung für Säuglinge betroffen ist, Kranke ein strombetriebenes Beatmungsgerät oder einen Elektrorollstuhl benötigen.

Die 23 Teilnehmer kamen aus Bielefeld, Minden oder Hagen nach Hamm.Foto: Körtling

Weitere Berichte zur katholischen Kirche im Erzbistum Paderborn finden Sie in der aktuellen DOM-Ausgabe. Schauen Sie mal rein, es lohnt sich bestimmt.

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen