Poetry-Slam – „Mach dein Leben und den Glauben bunt“
Schüler der Klasse 9c mit Workshop-Leiter Alex Paul (Foto: Maira Stork)
Was glaubst du? Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9c am Gymnasium auf der Brede in Brakel haben sich in einem Poetry-Slam mit dieser Frage auseinandergesetzt. Ihre Antworten haben sie in einem Text formuliert, der Aufschluss über ihre Gedanken, Sorgen und Erwartungen gibt – auch in Bezug auf die Kirche.
Brakel. Poetry-Slam ist ein moderner Dichterwettstreit, bei dem selbst geschriebene Texte aller Art vorgetragen werden. Diese literarische Form stellt keinen exklusiven Kunstanspruch. Jeder kann mitmachen. Allerdings haben sich die Poetry-Slammer auf eine einigende Formel verständigt, und die lautet: Respekt – Respekt für die Kunst, Respekt für die Darbietung der eigenen Gedanken und Respekt für das Publikum, dessen Aufgabe es ist, zuzuhören und die Texte zu bewerten – es handelt sich ja um einen literarischen Wettbewerb.
Die Idee kam aus dem Team des Pastoralen Raums „Brakeler Land“. Die Redaktion der lokalen Kirchenzeitung „Geh mit“ hatte die Idee. Schulseelsorgerin Christine Sosna half entscheidend bei der Realisation.
„Dieser Workshop war etwas Besonderes“
Ohne die gute Zusammenarbeit mit dem Schulleiter Dr. Matthias Koch und der Religionslehrerin Kathrin Mattern wäre dieser Workshop nicht zustande gekommen. Geleitet wurde das Projekt von Alex Paul, Student aus Paderborn, der schon seit Jahren als Poetry-Slammer auftritt.
„Workshops sind immer spannend, aber dieser Workshops war etwas Besonderes“, sagt er. „Zum einen sollte die ganze Klasse einen gemeinsamen Text erstellen, was auch für geübte Poetry-Slammer keine alltägliche Übung ist. Zum anderen ist das Thema Glaube schwierig.“
Schnell zeigt sich: „Das wird gut“
Doch es zeigte sich, dass die Befürchtungen unbegründet waren. „Dieser Workshop hat mir einiges mitgegeben und hat Spaß gemacht. Und das liegt vor allem an der Klasse 9c“, sagt Alex Paul. Vom ersten Moment in der Klasse, in dem er sich vorstellte und erklärte, dass er kein Lehrer sei und die Arbeit der nächsten Stunden nicht in irgendeine Note einfließen würde, war ihm klar: „Das wird gut.“
Die Schülerinnen und Schüler beim Workshop in Brakel teilten sich in fünf Gruppen auf, die jeweils einen Teil des Textes schreiben sollten. Jeder Textbaustein sollte einen eigenen Gedanken als Schwerpunkt haben, aber auch an die Gedanken der anderen Gruppen anknüpfen. Dieses Verfahren zwingt dazu, der oder dem anderen zuzuhören – eine Vielfalt, die durch eine Idee zusammengehalten wird.
Diese Art, an das Thema heranzugehen, hat den Schülerinnen und Schülern gefallen. „Ich fand den Workshop sehr cool, und er hat einen zum Nachdenken über das Thema Glauben angeregt“, bewerte die 14-jährige Leonie den außergewöhnlichen Unterricht. „Allgemein hat das Wort Glaube einen neuen Stellenwert in meinem Wortschatz bekommen, und der Workshop hat mich wirklich weitergebracht.“
„Mich persönlich hat der Workshop noch mal zum Nachdenken gebracht, weil ich vorher gar nicht genau wusste, woran ich glaube, und er hat mir ganz andere Ansichten zum Thema Glaube gezeigt, also dass Glaube nicht nur etwas mit der Kirche zu tun haben muss“, gibt Anna (15) als Feedback zu Protokoll.
Diese beiden Bewertungen des Workshops geben die allgemeine Stimmung in der Klasse 9c wieder. In einer Sache waren sich alle einig: Glaube ist überall und in jedem. Glaube ist ein wichtiges Thema, zu dem alle eine differenzierte Meinung haben. Niemand hat das Recht, einem den eigenen Glauben streitig zu machen. Zu glauben bietet ihnen Schutz und Vertrauen, der Glaube ist eine Stütze. Eine Textgruppe formulierte das so: „Mach dein Leben und deinen Glauben bunt.“
Respekt ist eine zentrale Forderung dieser Generation
Respekt. Das war es, was die Schülerinnen und Schüler einforderten. Respekt für den Glauben, Respekt für ihre Stimme, Respekt für sie selbst. Dabei spielte es für sie keine Rolle, ob es einen Gott gibt, ob man im religiösen Zusammenhang glaubt oder ob man vielleicht gar nicht glaubt. Das Einzige, was zählte, war, nicht wegen des eigenen Standpunkts oder des eigenen Glaubens diskriminiert zu werden.
Die Suche nach Transzendenz prägt uns alle
Der Workshop hat gezeigt, dass die Suche nach einem transzendenten, den Alltag überschreitenden Sinn viele Menschen prägt, auch die, die Religion und Kirche fernstehen. Auch für die 14- und 15-Jährigen, die mehr als alle Generationen vor ihnen in einer säkularisierten, „unreligiösen“ Welt aufgewachsen sind, ist Spiritualität wichtig, auch wenn von den Religionen in dem Poetry-Slam-Workshop bewusst nicht die Rede war.
Um für diese Gruppen interessant zu werden, müssen Religionen und Kirchen sich verändern. Die Schüler wünschen sich einen Glauben, der nahe an ihrer Lebenswelt ist. Ihr Glaube soll „bunt“ sein.
Das soll nicht heißen, dass sie sich Religionsvertreter wünschen, die sich anbiedern. Bunter, offener, lebensnäher werden, das ja, dabei aber authentisch die eigenen Überzeugungen vertreten: Darum geht es.
Karl-Martin Flüter