Hilfe, die dringend gebraucht wird

Sylvia Wawrzi­nek (links) koordiniert das SprachCafé der Pfarrei St. Clara, bei dem auch viel gesungen wird. (Foto: Wolfgang Maas)

„Wir sind froh über jede Seele, die herkommt“, betont Sylvia Wawrzinek. Sie und ihr Team laden ­Menschen aus der Ukraine immer dienstags zum SprachCafé der Pfarrei St. Clara ein. Und es kommen viele Seelen. Sie tauschen sich aus, singen, können in ungezwungener Atmosphäre Deutsch sprechen.

Dortmund-Höchsten. Die Situation wirkt paradox. Es ist nur eine gute Woche vor dem Tag, an dem vor zwei Jahren der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine begann. Und es ist auch Veilchendienstag, der Saal der Gemeinde Kaiser Heinrich ist dezent, aber unübersehbar geschmückt.

Für Sylvia Wawrzinek ist das kein Widerspruch. Der Krieg werde zwar wieder häufiger das Gesprächsthema während der SprachCafés. Auf der anderen Seite ist dem Team um Sylvia ­Wawrzinek der kulturelle Austausch wichtig. „Karneval ist auch in Dortmund ein Thema. Das greifen wir auf.“

Heute, gegen 16.00 Uhr, sind noch recht wenige Besucherinnen und Besucher – überwiegend sind es Frauen – dabei. Das wundert Sylvia Wawrzinek wenig. „Viele besuchen Angehörige in Deutschland an einem langen Wochenende.“ Doch wer hier ist, der nehme auch lange Anfahrtswege innerhalb der Stadt auf sich. „Die Menschen kennen sich gut mit Bussen und Bahnen aus.“

Plötzlich geht ein Jubel durch die Runde. ­Wakako ­Yamanaga hat es trotz engem Terminplan zum SprachCafé geschafft. Das bedeutet: Es gibt Musik. Denn ­Wakako ­Yamanaga ist Kantorin und geht zielstrebig auf das Klavier im Gemeindesaal zu. „Singen ist unglaublich wichtig“, ist die Musikerin überzeugt.

Lernen durch Rhythmus

Nicht nur das Gemeinschaftserlebnis sei entscheidend oder der Umstand, dass Musik entspanne. „Durch den Rhythmus, die Melodien lernt man leichter Deutsch. Die Aussprache wird besser.“ Und so erklingt „Danke für diesen guten Morgen“ mit nur leichtem Akzent. Zudem gehört das Lied „­Dona ­nobis ­pacem“ fest zum Programm.

Die Tische füllen sich inzwischen immer mehr. Rund 50 Personen verschiedener Generationen, darunter auch zwei Kinder, haben Platz genommen. „An jedem Tisch sitzt ein Deutscher“, erklärt Sylvia Wawrzi­nek. Sie ist zwar die Koordinatorin des Projektes, doch die Idee und das Engagement komme von den Gemeindemitgliedern.

Die Gespräche drehen sich um Alltagsthemen, aber auch die Angst vor der Zukunft. Was ist, wenn ich den Sprachtest bestanden habe? Muss ich wieder zurück? Finde ich Arbeit und wenn ja, zu welchen Bedingungen? Präsent ist das Beispiel einer Ukrai­nerin, die als Pflegerin in einem Haushalt arbeiten wollte. Sie wurde ausgerechnet an eine russisch-­stämmige Familie vermittelt – überzeugte Putin-­Anhänger.

Unter den Gästen des Sprach­Cafés ist auch ­Kateryna ­Kasapchuk. Sie leitet die Kleiderkammer Weiße Taube der Gemeinde St. Georg in Hörde. Stolz zeigt sie auf ihrem Handy ein Video. Textilien aller Art liegen akribisch gefaltet im Schrank. Es gibt zudem Alltagswaren wie Gläser oder Spielzeug. „Wir haben auch Kinderwagen und Bücher“, sagt ­Kateryna ­Kasapchuk.

Die Nachfrage sei nach wie vor groß. Viele Menschen kommen aus der Ukrai­ne und haben keine Koffer dabei, besitzen nur, was sie am Körper tragen. Das Team der Kleiderkammer, das derzeit aus 15 Frauen besteht, ermöglicht aber auch Transporte in die Ukrai­ne.

Dinge weiter nutzen

Für ­Kateryna ­Kasapchuk geht es nicht nur darum, Dingen „eine zweite Chance zu geben“, wie sie es ausdrückt, Es geht auch um praktische Hilfe. Wer hilft bei Behördengängen? Was ist wichtig beim Kinderarzt? Die ­Kleiderkammer ist eine erste Anlaufstelle.

Im SprachCafé ist jetzt das Sprechen an der Reihe, dazu gibt es Berliner. Die Menschen haben sich viel zu erzählen, es wird gelacht – der zweite Jahrestag scheint für einige Stunden weit weg. Sylvia Wawrzinek und ihr Team sind überzeugt davon, dass dies genau die richtige ­Atmosphäre ist. In einem reinen Sprachkurs bestünden mehr Hemmungen, Deutsch zu ­sprechen. Hier ist das nicht der Fall.

Wolfgang Maas

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