Friedensort – Vergessen im Sand der Senne

Es ist still bis auf das Plätschern des Baches, der am Rand der ­moosigen, mit Kiefern bestandenen Fläche fließt. Plötzlich ist das Grollen von großen Motoren zu hören und das Rattern von Panzerketten.

Den Krieg, und sei es nur das Training für eine mögliche kriegerische Auseinandersetzung, werden die Menschen auf dem Ausländerfriedhof in der Senne nicht los. Mindestens 660 Opfer des Ersten und Zweiten ­Weltkrieges wurden an diesem einsamen Ort bestattet, der in der Gegend auch als Dörenfriedhof oder Franzosenfriedhof bekannt ist.

Die Bezeichnung Ausländerfriedhof passt nicht. Die hier beerdigten Männer, Frauen und Kinder sind zwar fern der Heimat gestorben, aber ihr Tod war Folge von Krieg und Gewalt. Sie sind verhungert, an Ruhr gestorben, wurden erschossen.

400 Kriegsgefangene auf 5.000 Quadratmeter

Jetzt liegen sie im Sand der Senne und scheinen vergessen zu sein – obwohl der Ausländerfriedhof Paderborns zweitgrößte Kriegsgräberstätte ist und mehr Gräber zählt als der Soldatenfriedhof in Böddeken. Der Zugang des Ausländerfriedhofs ist offiziell gesperrt, weil der Friedhof auf dem Gelände des Truppenübungsplatzes liegt.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts entstanden in der Heidelandschaft Kasernen. Dann kamen die Kriegsgefangenenlager. Auch die toten Kriegsgefangenen brauchten einen Ort. Auf dem Ausländerfriedhof stammen die ersten Gräber aus dem Jahr 1914. Die Menschen waren in den Baracken des Kriegsgefangenenlagers im nahegelegenen Staumühle gestorben.

Auf dem 5.000 Quadratmeter großen Gelände wurden 400 Kriegsgefangene beerdigt. In der Mitte entstand eine Holzkapelle. Einige Jahre später wurde sie abgebaut und in der Paderborner Stadtheide wieder errichtet. Ein Gedenkstein erinnert in Russisch, Englisch, Französisch und Flämisch an die Toten. Nach 2018 wurden viele Verstorbene auf andere Friedhöfe umgebettet. Es blieben 205 Gräber.

Friedensort in stiller Abgeschiedenheit

Ende des Zweiten Weltkrieges und in den Nachkriegsjahren fanden auf dem Ausländerfriedhof vor allem Zwangsarbeiter ihre letzte Ruhestätte. Unbekannt ist, ob hier Häftlinge aus dem KZ Buchenwald, Außenstelle Sennelager, liegen. Nach dem Krieg wurden alle ausländischen Kriegstoten aus dem Regierungsbezirk Detmold hierhin überführt, insgesamt 270, darunter 80 Kinder. Unter den Toten sind ausländische Soldaten, die in der Wehrmacht gekämpft hatten.

Der Friedhof steht unter Denkmalschutz. In seiner stillen Abgeschiedenheit ist er tatsächlich ein Denkmal für den Frieden – auch wenn das Militär in der Nachbarschaft immer dominanter wird. Zuletzt trainierten in der Senne 3.500 Soldaten. Name des Manövers: Zerberus, der Höllenhund.

Info

Der Ausländerfriedhof in Sennelager liegt an der Trothastraße. Kontakt: Markus Wieczorek-­Schlüter (Tel.: 0 52 54/78 40, E-Mail: m.wieczorek-­schlueter@­paderborn.de; Sprechzeiten: Montag bis Donnerstag, 14.30 bis 16.00 Uhr)

Karl-Martin Flüter

Weitere Friedensorte unter www.derdom.de

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