Erste Papstreise der Moderne – Friedensmission im Heiligen Land

Papst Paul VI. am 6. Januar 1964 am See Genezareth in Israel. (Foto: KNA)

Es war die erste Papstreise der Moderne. Vor 60 Jahren, vom 4. bis 6. Januar 1964, besuchte Paul VI. die Ursprungsstätten des Christentums – ­zwischen den ­Fronten des auch heute wieder virulenten Nahostkonfliktes.

Vatikanstadt (KNA). Eine Sensation, ein „historischer“ Moment: Die Superlative überschlugen sich, als Papst Paul VI. zum Abschluss der zweiten Konzils­session Ende 1963 eine Pilger- und Friedensreise ins Heilige Land ankündigte. Knapp 2.000 Jahre nachdem der Apostel Petrus Jerusalem in Richtung Rom verlassen hatte, wolle dessen 262. Nachfolger in die Heimat des irdischen Jesus zurückkehren, gab Paul VI. in der vatikanischen Konzilsaula bekannt. Und mit dieser Rückkehr wollte er – ganz im Geiste des Konzils – auch hinter die Spaltungen der Christenheit zurückgehen. Von der Reise gingen prägende Impulse für die Ökumene aus, aber auch für den Kontakt zu Judentum und Islam.

Es war eine Premiere unter denkbar schwierigen Bedingungen – und für die Planung blieb gerade ein Monat. Denn die Reise führte in eine der politisch heißesten Regionen der Welt: Die Besuchsländer befanden sich offiziell im Kriegszustand. Jerusalem war durch eine nahezu hermetische Grenze zweigeteilt. Der Vatikan unterhielt weder zu Jordanien noch zu Israel di­plomatische Beziehungen. Sein Verhältnis zum Judentum hatte sich noch nicht durch das Konzil entspannt.

Vorbereitung der Pioniertage von 1964 war chaotisch

Die Vorbereitung der Pioniertage von 1964 war chaotisch. Bis zuletzt wurde improvisiert. Das genaue Besuchsprogramm stand erst am Tag vor der Abreise fest. Der Papst landete in Amman, wurde dort freundlich von König ­Hussein von Jordanien begrüßt, das damals die Westbank und Ost-­Jerusalem annektiert hatte. Im Auto-­Konvoi ging es – mit Zwischenstopp an der Taufstelle Jesu am Jordan – nach Jerusalem. Dort durchbrach eine begeisterte Menschenmenge bei der Ankunft am Damaskus-­Tor alle Absperrungen und Polizei­kordons. Nur mit Mühe konnte der Papst das Auto verlassen. Zu Fuß bahnten jordanische Sicherheitsleute ihm den Weg zur Grabeskirche, wo er einen ersten Gottesdienst feierte.

Die Medien registrierten damals jeden Schritt, jedes Wort, jede Geste des Papstes, der erst ein halbes Jahr zuvor an die Spitze der Weltkirche gewählt worden war. 1 400 Journalisten und Fotografen aus aller Welt reisten zu dem Event an.

Die Reise war ökumenisch ein Durchbruch. Jerusalem war der einzige Ort der Welt, an dem sich die Oberhäupter der getrennten Kirchen von Ost und West auf Augenhöhe begegnen konnten – 910 Jahre nach der Kirchenspaltung von 1054. Das Gipfeltreffen mit dem orthodoxen Patriarchen ­Athenagoras, das ursprünglich gar nicht geplant war, der Friedensgruß, die Umarmung und das gemeinsame Vaterunser-­Gebet wurden zum bewegenden Höhepunkt der ersten Papstreise. Und sie leiteten eine Wende ein, die nicht nur die Kirchen des Ostens berührte, sondern auch die des Westens.

Ein eindringlicher Friedensappell

Den Dreikönig-­Gottesdienst in Bethlehem, der Geburtsstadt des „Friedensfürsten“, nutzte der Papst zu einem eindringlichen Friedensappell – auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Mögen die Mächtigen der Welt „den Kummer und die Schrecken eines neuen Weltkrieges ersparen“, mahnte er in seiner Rede, die gleichzeitig in 200 Telegrammen an Staats- und Regierungs­chefs verschickt wurde. „Mögen sie noch effektiver zusammenarbeiten, um Frieden in Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit und brüderlicher Liebe zu schaffen.“ Unterdessen setzte Ägyptens Präsident ­Gamal ­Abdel ­Nasser seine Proteste gegen jede Anerkennung des verhassten Israel fort.

Auch deshalb wurde der halbtägige Besuch in Israel – Paul VI. wollte auch die Heiligen Stätten in Nazareth, auf dem Berg Tabor und am See Genezareth besuchen – zu einem diplomatischen und protokollarischen Drahtseilakt. Israel richtete dazu eigens einen provisorischen Grenz­übergang bei ­Megiddo im Norden ein.

Präsident ­Salman ­Schazar begrüßte den Staatsgast höflich. „Als Pilger des Friedens erflehen wir vor allem das Gut der Versöhnung des Menschen mit Gott und das der tiefen Eintracht der Menschen und Völker“, sagte der Papst. Als erster habe Paul VI. es gewagt, auf beiden Seiten der israelisch-­arabischen Grenze vom Frieden zu sprechen, titelten anschließend die Medien. Die Kirche hege nur „Gedanken des Wohlwollens gegenüber allen Menschen und allen Völkern“, betonte er weiter.

„Misstrauen und sogar Vorwürfe“

Den Namen Israel nahm er in seinen Ansprachen nicht in den Mund. Für Verstimmung sorgte, dass er beim Abschied seinen Vorvorgänger Pius XII. gegen „Misstrauen und sogar Vorwürfe“ verteidigte, dem nach dem Krieg viele „mit Tränen in den Augen für die Rettung ihres Lebens“ gedankt hätten.

Als Friedensmission war die Papstreise indes weniger erfolgreich. Drei Jahre später schuf der Sechs-Tage-­Krieg eine neue Landkarte der Region. Und es dauerte 36 Jahre, bis mit Johannes Paul II. erneut ein Papst das Heilige Land besuchte – auf der fast gleichen Reiseroute. Inzwischen hatte der Heilige Stuhl mit Israel wie mit Jordanien Botschafter ausgetauscht und Arbeitskontakte zu den Palästinensern aufgenommen. Und mit dem Konzil hatte die Kirche 1965 auch ihre Beziehungen zum Judentum bereinigt und einen vielversprechenden Dialog eingeleitet.

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